Duisburg. Bundespräsident Steinmeier bei Thyssenkrupp in Duisburg: Die Bundesrepublik sieht er beim grünen Stahl in einem weltweiten Wettbewerb.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht Deutschland in einer Vorreiterrolle auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Stahlerzeugung. „In Deutschland wollen wir – vielleicht müssen wir – den Beweis erbringen, dass klimafreundliche, klimagerechte Stahlerzeugung in dieser Welt möglich ist“, sagte Steinmeier beim Besuch des Duisburger Stahlstandorts von Thyssenkrupp. Neben dem Aufbau einer neuen Technologie gehe es auch darum zu erreichen, dass klimafreundlich erzeugter Stahl auch „auf Weltmärkten absetzbar“ sei, also „wettbewerbsfähig“ bleibe.

Hintergrund: Aller Voraussicht nach ist Stahl, der nicht mehr auf Basis von Kohle, sondern mit Hilfe von Erdgas und später mit Wasserstoff produziert wird, viele Jahre lang deutlich teurer als der konventionell hergestellte Werkstoff, den bislang insbesondere Autobauer verwenden. Einen Ausgleich soll eine milliardenschwere staatliche Förderung schaffen.

Das Land Nordrhein-Westfalen will Thyssenkrupp mit der größten Einzelförderung unterstützen, die es jemals in NRW gegeben hat, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Beisein von Steinmeier in Duisburg betonte. Bis zu 700 Millionen Euro aus der Landeskasse sollen fließen, um in Duisburg eine klimafreundliche Stahlproduktion aufzubauen. Mehr Geld habe bislang noch nie eine NRW-Landesregierung „auf den Tisch gelegt für irgendein Projekt“, sagte Wüst.

Deutlich mehr finanzielle Mittel könnten über Jahre hinweg zusätzlich noch vom Bund kommen, um höhere Produktionskosten für klimaneutralen Stahl zu berücksichtigen. Eine Entscheidung dazu wird in absehbarer Zeit erwartet.

Duisburgs Hochöfen sollen schrittweise von Direktreduktionsanlagen abgelöst werden, die mit Wasserstoff betrieben werden können. Eine erste sogenannte DRI-Anlage soll den Plänen zufolge Ende 2026 den Betrieb aufnehmen – also in weniger als vier Jahren. Dafür hat Thyssenkrupp Steel einen benachbarten NRW-Konzern beauftragt: den Anlagenbauer SMS Group aus Düsseldorf. Mit einem Auftragsvolumen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro ist es der größte Einzelauftrag in der Geschichte der SMS Group.

Stahlindustrie mit besonders viel schädlichen CO2-Emissionen

Seit Jahrzehnten gehört die Stahlindustrie zu den größten Verursachern von klimaschädlichem Gas. Allein am Standort Duisburg stößt Thyssenkrupp eigenen Angaben zufolge rund 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr aus – etwa 2,5 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland.

„Wir sind an der Schwelle einer neuen Technologie der Stahlerzeugung“, sagte Bundespräsident Steinmeier in Duisburg. „Nicht nur hier bei uns, sondern in der ganzen Welt wird darüber nachgedacht, wie wir CO2 bei der Stahlerzeugung einsparen.“ Steinmeier verwies unter anderem auf ein Großprojekt in Schweden.

Im Norden Schwedens soll das weltweit erste grüne Stahlwerk entstehen. „H2 Green Steel“ heißt das Vorhaben. Der Unterschied: In Duisburg wird im Bestand gebaut, in Schweden alles neu aus dem Boden gestampft. Der Düsseldorfer Anlagenbauer SMS ist hier ebenfalls eingebunden. Die Stahlproduktion in Schweden soll schon im Jahr 2025 beginnen, gefolgt von einer Hochlaufphase im Jahr 2026.

Steinmeier: Deutschland beim Stahl im weltweiten Wettbewerb

„Wir sind bei der Umstellung im Wettbewerb mit anderen“, betonte Steinmeier in einer Thyssenkrupp-Werkshalle. Auch Länder wie Indien und China seien an der Umstellung ihrer Stahlproduktion interessiert. In Europa würden steigende Zertifikatspreise für CO2 den Effekt erzeugen, „dass auch der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen entsteht, sich technisch umzustellen“, so Steinmeier.

Mit Blick auf Thyssenkrupp sagte der Bundespräsident: „Dieses Unternehmen hat eine 200-jährige Tradition in der Stahlerzeugung – eine Tradition, die nicht verloren gehen darf.“ Steinmeier sprach von „Mut“ der Verantwortlichen im Konzern, die Stahlproduktion klimaneutral umstellen zu wollen. „Das ist eine riesige Herausforderung“, vor der die Unternehmensführung und die Beschäftigten stünden: „Der Welt zu zeigen, dass klimagerechte Stahlerzeugung heute möglich sein wird.“ Jetzt komme es auch darauf an, „dass Politik und Wirtschaft gemeinsam die richtigen Schritte gehen“.