Essen. Der Streit um die Sondervergütung für den Vorstand prägt die Hauptversammlung von Thyssenkrupp. Für die Chefgehälter gibt es nun neue Regeln.
In diesem Jahr war nicht alles, aber vieles anders bei der Hauptversammlung von Thyssenkrupp. Das übliche Treffen vor großem Publikum im Bochumer RuhrCongress fiel wegen Corona aus, stattdessen meldete sich der Vorstand gemeinsam mit Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm via Online-Übertragung aus dem Essener Konzern-Quartier zu Wort. Ihre Rede hatte Vorstandschefin Martina Merz vorab veröffentlicht. Auch Aktionärsvertreter brachten ihre Fragen schon vor Beginn der Veranstaltung in Umlauf, teils garniert mit bissiger Kritik am Management.
Die Antworten des Managements hatte die Hauptversammlungsregie nach Themenblöcken vorsortiert. Unter der Rubrik „Portfolio“ befassten sich Merz und ihre Vorstandskollegen mit der Existenzfrage des Konzerns: Was wird aus der Stahlsparte? Doch zunächst einmal war Aufsichtsratschef Russwurm 45 Minuten lang damit befasst, die umstrittene Sondervergütung für den Thyssenkrupp-Vorstand zu verteidigen und neue Regeln für die Managergehälter zu erläutern.
Aktionärsschützer und Vertreter von Fondsgesellschaften hatten Unmut über die Extrazahlung für den Vorstand geäußert. Schließlich sollen die Anteilseigner erneut leer ausgehen und rund 11.000 Arbeitsplätze im Konzern wegfallen. Dennoch gewährte der Aufsichtsrat Vorstandschefin Merz 500.000 Euro zusätzlich, bei ihren Kollegen Klaus Keysberg und Oliver Burkhard waren es jeweils 200.000 Euro.
„Die Regelungen des neuen Vergütungssystems zum Maßstab genommen“
Es sei darum gegangen, die „individuelle Leistung“ der Vorstandsmitglieder zu würdigen, sagte Russwurm. Zugleich kündigte er ein neues Vergütungssystem an. „Inhaltlich haben wir bereits die Regelungen des neuen Vergütungssystems zum Maßstab genommen“, sagte Russwurm. Damit werde „eine Lücke geschlossen“ und künftig eine Sondervergütung nicht mehr erforderlich sein. Die Hauptversammlung segnete die Pläne mit großer Mehrheit ab.
Nüchtern referierte Russwurm auch, wie hoch die Aufwendungen des Konzerns im vergangenen Jahr für die Versorgung ehemaliger Thyssenkrupp-Vorstände gewesen seien: 24,4 Millionen Euro habe das Unternehmen den einstigen Managern und ihren Hinterbliebenen gezahlt – das 3,8-fache gemessen an den rund 6,4 Millionen Euro für die aktiven Vorstandsmitglieder.
Was wird aus den Milliarden aus dem Elevator-Verkauf?
Bei der ersten virtuellen Hauptversammlung von Thyssenkrupp waren Unternehmensangaben zufolge zwischenzeitlich mehr als 4600 Teilnehmer zugeschaltet. 149 Fragen seien eingereicht worden, ähnlich viele wie im Vorjahr. Wann Thyssenkrupp wieder schwarze Zahlen schreiben und eine Dividende zahlen werde, wollten Aktionäre beispielsweise wissen. Und wie das Management die mehr als 17 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Aufzug-Sparte einsetzen wolle.
Eine Schlüsselrolle spielt, was aus der Stahlsparte mit großen Werken in NRW wird. Der britisch-indische Stahlunternehmer Sanjeev Gupta steht bereit, das traditionsreiche Geschäft komplett zu übernehmen. Alternativ prüft Vorstandschefin Merz, ob auch eine Abspaltung möglich ist. Voraussetzung wäre, dass die Stahlsparte stark genug ist für die Eigenständigkeit.
„Können Sie den Avancen von Herrn Gupta widerstehen?“
„Können Sie, Frau Merz, den Avancen von Herrn Gupta widerstehen?“, fragte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka. Die Thyssenkrupp-Stahlsparte sieht er in einer schwierigen Lage. Es räche sich nun, dass zuletzt Investitionen ausgeblieben seien. Dies sei „kaum mehr aufzuholen“, und das gerade jetzt, da Milliardeninvestitionen vor allem in den Klimaschutz notwendig würden. „Man fragt sich: Kann Thyssenkrupp überhaupt Stahl?“, stichelte Speich. Der Wandel zu einer Wasserstoffwirtschaft sei aber auch „eine historische Chance für Thyssenkrupp, um sich neu zu erfinden“, sagte Henrik Pontzen von der Fondsgesellschaft Union Investment. Das gelte sowohl für den Stahl wie auch für die Anlagenbau-Sparte des Konzerns.
Im März wolle sie Klarheit zur Zukunft der Stahlsparte schaffen, bekräftigte Merz und sprach von „wegweisenden Entscheidungen“. Kein Stahlhersteller werde die Kosten für die anstehende Transformation allein stemmen können, sagte die Thyssenkrupp-Chefin. Auch die Gespräche mit der Bundes- und der Landesregierung über „Unterstützungsmöglichkeiten“ wolle das Management weiter fortsetzen.