NRW. Hat der Wochenmarkt noch eine Chance? Wohl kaum, meint Großhändler Herwig Niggemann. Die Städte müssen reagieren – denn es geht auch anders.
2013 startete in Bochum ein Erfolgsprojekt: der Abendmarkt auf dem Springerplatz. Inzwischen ist der Moltkemarkt (freitags, 15-20 Uhr) nicht nur eine Bochumer Institution, sondern ein Vorzeigemodell für viele andere Städte in der Region. Andere erfolgreiche Feierabendmärkte gibt's zum Beispiel in Gelsenkirchen oder Bottrop. Sind Feierabendmärkte also die Zukunft, während Märkte am Vomittag ausgedient haben? Wir haben mit dem Bochumer Großmarkthändler und Moltkemarkt-Initiator Herwig Niggemann gesprochen.
Weniger Kunden, weniger Umsatz – stirbt der klassische Wochenmarkt?
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Ja, fürchtet Herwig Niggemann: "Klassische Tagesmärkte sind kaum überlebensfähig." Märkte in der Stadtmitte liefen meist gut – aber kleinere Vorort-Märkte seien stark gefährdet. Morgens kauften meist nur Senioren und preisbewusste Kunden, meint er. Sie kaufen geplant, rational, vergleichen Preise. Und im Vergleich mit Discountern sei ein Markthändler natürlich teurer (im Vergleich zu Edeka, Rewe und Co. allerdings nicht, betont er).
Was müssen Städte tun, um Wochenmärkte zu retten?
"Städte müssen ihre Märkte als urbanes Lebensgefühl begreifen", mahnt Niggemann. Es gehe nicht nur um Profit, sondern um die Identifikation mit seiner Stadt, um ein Stück Kultur. Ein Markt muss Spaß machen. Und weil das eher Marketing als ordnungsbehördliches Handeln sei, gehöre das Projekt "Wochenmarkt" nicht irgendwo ins Ordnungsamt. Der Vorschlag des Bochumer Großhändlers: Städte sollten die Organisation in die Hände einer eigenständigen Stadttochter legen oder gleich ganz privatisieren. Denn die Zusammenstellung und Aquise von Händler lasse sich nicht nebenbei erledigen. Oft sei es sogar so, dass sich die Händler bei der Stadt melden und nicht andersherum. Dann stimme die Mischung nicht. Und damit die Atmosphäre, die es braucht, um sich als Kunde wohl zu fühlen.
Aber im Supermarkt ist der Einkauf doch viel einfacher...
Vielleicht ja – aber auch unpersönlicher, meint Niggemann. Markthändler beraten ihre Kunden eins zu eins, bauen eine Beziehung auf, lassen ihre Kunden vor dem Kauf auch mal probieren. Kurz: Märkte verbreiten ein Wohlfühlgefühl, dass es im Supermarkt nicht gibt.
Sind Abendmärkte die Rettung?
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Sie sind eine sinnvolle Ergänzung, meint Niggemann. Der Kundestamm sei ein anderer – daher nehme ein Abendmarkt dem klassischen Tagesmarkt kaum Kunden weg. Die Abendkunden seien Genussmenschen, die Essen und Kochen erleben wollen. Sie seien offen für Neues, und für gute Qualität hätten sie einen Cent mehr übrig. Außerdem nutzten viele (zumindest auf "seinem" Markt in Bochum) den Freitagabend zum Plauschen. Einen Fehler dürfe der Marktveranstalter dabei aber nicht machen, warnt Niggemann: den Feierabendmarkt zur Gourmetmeile machen. "Das schreckt viele Händler ab", weiß er. Stattdessen bieten seine Händler selbst schnelle Kleinigkeiten an – "sympathisch dilettantisch", wie er sagt. Gastronomen sind nicht zugelassen.
Funktioniert das überall?
Als die umliegenden Städte den Erfolg des abendlichen Moltkemarkes sahen, wollten sie das Bochumer Modell kopieren. Das gelang aber nicht überall, weiß Niggemann. Herne-Wanne gab schnell auf, genauso Bergkamen. Andere dagegen, wie etwa Gelsenkirchen oder Bottrop, haben sich inzwischen etabliert.