Gelsenkirchen. Ein Drittel der Mittel für den „sozialen Arbeitsmarkt“ flossen bislang nach NRW. Minister Heil plädiert für die Verlängerung über 2022 hinaus.
Es war am 1. Januar 2019, als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seinen seit langem geforderten „sozialen Arbeitsmarkt” startete. Seither kamen bundesweit rund 55.000 Langzeit- und ältere Arbeitslose in den Genuss der Förderung durch das Teilhabechancengesetz. Eine Zwischenbilanz ergab jetzt, dass zu einem Drittel Betroffene aus NRW von dem Vier-Milliarden-Euro-Programm profitierten.
Mit dem „Gelsenkirchener Modell” hatte der damalige Oberbürgermeister Frank Baranowski schon seit geraumer Zeit einen sozialen Arbeitsmarkt für seine von einer hohen Erwerbslosenquote geplagten Stadt Gelsenkirchen skizziert. In der Pilotstadt, in der bislang 762 Menschen gefördert wurden, will Minister Heil deshalb am heutigen Freitag eine vorläufige Bilanz ziehen. Und die fällt positiv aus.
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„Mit dem Teilhabechancengesetz erreichen wir die richtigen Zielgruppen: Arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose, meist ohne Berufsabschluss, darunter viele ältere Menschen”, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion und schmiedet im aufziehenden Bundestagswahlkampf gleich Pläne für die Zukunft: „Diese besonders positiven Ergebnisse nehme ich zum Anlass, für eine Entfristung des Instruments ,Teilhabe am Arbeitsmarkt’ zu werben.” Das Programm sollte ursprünglich im Jahr 2022 enden.
Institut IAB: Umsetzung ist sehr erfolgreich
Bei seiner Bewertung stützt sich Heil auf eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Die Umsetzung des Teilhabechancengesetzes ist sehr erfolgreich. Das Zusammenspiel von geförderter Beschäftigung, einem begleitenden ganzheitlichen Coaching sowie Weiterbildungs- und Praktikumsmöglichkeiten bieten arbeitsmarktfernen Menschen eine zielgerichtete Perspektive für soziale Teilhabe und unterstützt die Eingliederung in den Arbeitsmarkt”, fassen die Autoren zusammen.
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Denn, da sind sich die Experten einig: Je länger die Suche nach Arbeit ohne Erfolg bleibt, umso schwieriger wird der Weg in ein neues Beschäftigungsverhältnis. Individuell ausgerichtete Unterstützung soll deshalb Langzeitarbeitslosen, die zwei Jahre oder länger ohne Anstellung sind, dabei helfen, aus ihrem Loch zu kommen. Die Chancen auf Teilhabe, so der Grundgedanke des Bundesarbeitsministers, soll in öffentlich geförderter Arbeit geschehen.
Zwei Jahre lang übernimmt der Staat den Lohn
„Job plus Coaching” heißt der Ansatz und meint: Stärken der Arbeitssuchenden identifizieren, passende Arbeitgeber suchen, bei der Qualifizierung und dem Start in den neuen Job betreuen. Dafür zahlt der Staat einen Lohnkostenzuschuss zwischen 75 und 100 Prozent auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns mit dem klaren Ziel, dass die Teilnehmer am Ende in eine reguläre Beschäftigung übernommen werden.
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Die Förderung werde von der Privatwirtschaft „gut angenommen”, heißt es im Zwischenbericht des IAB. „Über 70 Prozent sind private Arbeitgeber, darunter 27 Prozent Beschäftigungsträger. Knapp 20 Prozent sind öffentliche und kommunale, sieben Prozent kirchliche Arbeitgeber”, heißt es.
55.000 Langzeitarbeitslose bekamen die Förderung
Minister Heil ist davon überzeugt, dass der Ansatz „Job plus Coaching” funktioniere. „Diese unterstützende Begleitung hat bewirkt, dass die Teilnehmer ihre Sorgen frühzeitig aussprechen und auch besser mit Rückschlägen umgehen können. So konnten wir zugleich mehr Stabilität im Alltag und im Beruf schaffen“, sagt er. Zumal die Studienautoren vom IAB herausgefunden haben, dass unter den 55.000 Teilnehmern im Westen viele „Verlierer des Strukturwandels” und im Osten „Verlierer der Wiedervereinigung“ seien.
Die maximale Förderdauer beträgt fünf Jahre. Abbrüche bei den Förderungen fanden die IAB-Experten eher selten. Nach ihren Angaben lag die Austrittsquote im Jahr 2019 bei rund 13 Prozent, 2020 während der Corona-Pandemie bis Oktober bei 15 Prozent.
>>> OB Welger: Mehr Wertschätzung
Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welger (SPD) schließt sich Heils Forderung an, die zeitliche Befristung des Teilhabegesetzes aufzuheben.
„Was mich besonders freut ist, dass wir so den Langzeitarbeitslosen und ihren Familien wieder eine Perspektive geben konnten und bis zu 75 Prozent der Beschäftigten die Hilfebedürftigkeit beenden konnten“, sagt Welger. „Die Menschen erfahren dadurch Wertschätzung und werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt.“