Düsseldorf. Erste Zwischenbilanz zur neuen Förderung für Langzeitarbeitslose. Rund 6000 Geförderte im Ruhrgebiet freuen sich über gute Arbeit.
Der Start in den Sozialen Arbeitsmarkt ist offenbar geglückt. Das neue Förderprogramm für Langzeitarbeitslose hat in seinem ersten Jahr rund 13.000 Menschen in NRW erreicht, allerdings lag die Zielmarke ursprünglich bei 15.000. Allein im Ruhrgebiet wurden durch das „Teilhabechancengesetz“ des Bundes bisher rund 6000 neue Stellen geschaffen. „Ein großer Durchbruch“ sei das, sagte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
.Kannst du überhaupt arbeiten?“ – Spöttische Bemerkungen wie diese hat Markus Jost oft gehört. Der Essener war acht Jahre lang arbeitslos, hangelte sich von einer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme zur nächsten. Jetzt aber bleiben die dummen Sprüche aus, denn der 56-Jährige beweist seit April, dass er arbeiten kann. Das Teilhabechancengesetz hat ihm einen fordernden und über dem Mindestlohn bezahlten Vollzeit-Job bei der Gartenbaufirma „Stadtgrün Ruhr“ beschert. Erst sollte Jost nur Rasen mähen und Blumen pflanzen, dann aber stellten die Kollegen fest, was der Kfz-Mechaniker und Schweißer draufhat. „Jetzt arbeite ich in der Werkstatt“, sagt er. Sein Lohn sei neben Geld etwas, was ihm ähnlich wichtig ist: „Respekt von meinem ganzen Umfeld“.
„Der Ertrinkende wird erst gerettet und säuft dann wieder ab“
Josts Chef Dirk Kolacek beschäftigt gleich drei Langzeitarbeitslose aus dem Förderprogramm, einer sei vor einem Jahr noch obdachlos gewesen. „Kein Weg geht immer geradeaus“, meint Kolacek. Die Erfahrung lehrt, dass der Lebensweg von Menschen, die sehr lange beschäftigungslos sind, oft in Sackgassen führt. Die klassische Arbeitsbeschaffung (ABM) endet nach kurzer Zeit und führt meist wieder in die Arbeitslosigkeit. „Das ist wie ein Ertrinkender, der erst gerettet wird, und am Ende säuft er wieder ab“, beschriebt NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) das Problem. Laumann hatte am Montag mit dem Chef der NRW-Arbeitsagentur, Torsten Withake, den ambulanten Pflegedienst „Heinzelmännchen“ in Düsseldorf besucht, der mehrere Langzeitarbeitslose eingestellt hat.
„In meinem Leben hat sich alles verändert“, schwärmt Torsten Kämper (45), zuständig für den Fuhrpark des Pflegedienstes. Sieben Jahre lang war der Düsseldorfer arbeitslos. „Ich habe den Leuten nicht mehr in die Augen sehen können, wenn sie mich nach meinem Beruf gefragt haben.“ Jetzt ist das Selbstwertgefühl wieder okay, Kämper kann sich sogar ein Auto leisten. „Der Kühlschrank ist voll, zum Monatsende muss ich mir keine Sorgen mehr machen.“
Der Staat zahlt einen großen Teil des Lohns
Das „Teilhabechancengesetz“, von der Großen Koalition geschaffen, soll mehr leisten als die üblichen Maßnahmen für Langzeitarbeitslose. Menschen, die sechs Jahre oder länger Hartz IV beziehen, bekommen für fünf Jahre einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz mit Betreuung durch einen „Coach“. Der Staat trägt zunächst 100 Prozent der Lohnkosten, zum Schluss noch 70 Prozent. Danach, so die Hoffnung, können viele der Beschäftigten regulär weiterarbeiten. Das Angebot scheint zu motivieren: Bisher sind in NRW nur 1.000 der 13.000 Geförderten wieder abgesprungen. Jeder Zweite arbeitet in Privatunternehmen oder im öffentlichen Dienst. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält diesen Anteil für zu niedrig. Es müssten noch viel mehr Stellen für Langzeitarbeitslose in der freien Wirtschaft gefördert werden.
Laut Withake sind viele der neuen Jobs „nahe an der Realität“. Er meint damit, dass sie nicht künstlich geschaffen wurden, sondern zum ganz normalen Arbeitsleben in Betrieben gehören. Das erhöhe die Chancen auf eine Weiterbeschäftigung nach dem Förderende deutlich. In diesem Jahr sollen weitere 9000 Stellen in NRW dazukommen, zum Beispiel in Essen 600 und in Düsseldorf 500. Etwa ein Drittel der geförderten Arbeitnehmer sind Frauen.
SPD kritisiert: Minister schmücke sich mit „fremden Federn“
Aus Sicht von Minister Laumann ist bei dem Förderprogramm noch „Luft nach oben“. Wie gut es wirklich funktioniere, werde man erst in einigen Jahren sehen, wenn entschieden wird, ob jemand übernommen wird oder nicht. Josef Neumann, SPD-Arbeitsmarktexperte, warf Laumann vor, sich „mit fremden Federn“ zu schmücken. Die Sozialdemokraten hätten das Teilhabechancengesetz gegen den Widerstand der Union auf den Weg gebracht.