Essen.. Der angeschlagene Thyssen-Krupp-Konzern scheint die Trendwende geschafft zu haben. Erstmals seit fast zwei Jahren verbucht das Unternehmen einen Quartals-Überschuss. Auch im Stahl-Geschäft läuft es wieder besser.
Die Fachpublikation „Der Aktionär“ konnte ihre Begeisterung zu früher Morgenstund kaum zurückhalten. Um sieben Uhr veröffentlichte der Technologie- und Stahlkonzern Thyssen-Krupp seinen Halbjahresbericht, um 7 Uhr 15 titelte die Online-Ausgabe: „Hammer-News! Thyssen-Krupp erhöht Prognose.“
So schnell kann’s gehen im Börsen-Business, wo zwischen Gewinn und Verlust ein Wimpernschlag liegt. Da kann Vorstandschef Heinrich Hiesinger noch so oft betonen, dass es beim Umbau eines krisengeschüttelten Konzerns „Befreiungsschläge“ nicht gebe. Die Börse jedenfalls jubelte, zwischenzeitlich zog der Aktienkurs um 5,5 Prozent an.
Thyssen-Krupp ist ein Stück vorangekommen
Nüchtern betrachtet ist Thyssen-Krupp tatsächlich ein gutes Stück vorangekommen, eine Trendwende ist nach den Katastrophen-Jahren 2011/12 und 2012/13 mit einem Minus von fünf Milliarden und einem von 1,5 Milliarden Euro für den Abschluss des laufenden Geschäftsjahres 13/14 (Ende September) in Sicht. Was so viel heißt, dass der Essener Konzern hofft, unterm Strich endlich wieder eine schwarze Null in Reichweite zu haben.
Nach Vorlage der Zahlen scheint das durchaus möglich. Das um Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis vor Abzug der Zinsen und Steuern (Ebit) stieg zum Ende des ersten Halbjahres auf 555 (Vorjahreszeitraum 297) Millionen Euro. Der Konzern erwartet jetzt für das gesamte Jahr im operativen Geschäft nicht mehr nur ein entsprechendes Ergebnis von einer Milliarde, sondern von rund 1,17 Milliarden Euro. Prognose-Anhebungen sind das, was Aktionäre am meisten lieben. Und dass der angeschlagene Konzern auch unterm Strich erstmals seit knapp zwei Jahren im zweiten Vierteljahr wieder Geld verdiente, ist ein weiteres Indiz für die Gesundung. 269 Millionen Euro Überschuss im zweiten Quartal standen einem Vorjahres-Minus von 129 Millionen Euro gegenüber.
Positive Ergebnisse in der Stahlsparte
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Hiesinger führt das auf die Spar- und Effizienzprogramme zurück und das starke Wachstum des Industriegütergeschäftes, das aus dem Anlagenbau, dem Automobilzuliefergeschäft, dem Maschinenbau und der Sparte Aufzüge besteht. Das Ergebnis zeige aber auch, dass „unser Kulturwandel tatsächlich mehr Leistungsorientierung bewirkt“, so Hiesinger.
Auch die Mitarbeiter am Stahlstandort Duisburg dürften mit Genugtuung feststellen, dass die Ergebnisse in der Sparte Stahl Europa nach oben zeigen: Das bereinigte Halbjahresergebnis (siehe Grafik) stieg auf 81 (Vorjahr: 39) Millionen Euro. Nicht genug der guten Nachrichten: Selbst das Desaster-Stahlwerk in Brasilien könnte bereits in diesem, nicht wie ursprünglich erwartet erst im nächsten Geschäftsjahr die Gewinnschwelle erreichen. „Das ist eine schöne Entwicklung. Brasilien hat noch nicht das Niveau von Duisburg erreicht, aber es gibt eine signifikante Verbesserung“, sagte gestern Finanzchef Guido Kerkhoff.
"Wir sind auf einem richtigen und guten Weg"
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Offenbar wissend um die möglicherweise einschläfernde Wirkung allzu euphorischer Kommentare, verbreiteten die Thyssen-Krupp-Kommunikatoren ein firmeninternes Interview mit dem Aufsichtsratschef Ulrich Lehner. „Wir sind auf einem richtigen und guten Weg. Absolut. Aber über den Berg? Es wird immer wieder neue Berge geben“, so Lehner. Um langfristig erfolgreich zu sein, „fehlen dem Konzern noch eine Milliarde Euro mehr an Ergebnis“. Thyssen-Krupp brauche Zeit, solange das Unternehmen das Vertrauen nicht enttäusche und „berechenbar bleibt, wird es die notwendige Zeit zum Konzernumbau bekommen“.
Auch zu den immer wieder auftauchenden Zerschlagungsszenarien äußerte sich Lehner. Solche Fantasien seien normal, wenn die Einzelteile zusammen mehr wert seien als die Börsenbewertung des Konzerns. Diese Lücke müsse geschlossen werden. „Mein Eindruck ist jedenfalls, dass der Vorstand für die Einheit des Konzerns kämpft.“ Freilich darf auch das nicht fehlen: Einen Bericht, wonach er unzufrieden sei und den Finanzchef austauschen wolle, nannte Lehner „Unsinn und frei erfunden“.