Leverkusen. Nachdem ein US-Gericht den Glyphosat-Vergleich abgelehnt hat, gibt Bayer diesen Versuch auf. Neue Fünf-Punkte-Strategie gefällt der Börse nicht.
Bayer wird seine Risiken durch Glyphosat-Klagen in den USA nicht los: Nach einer erneuten Schlappe vor Gericht hat der Agrarchemie- und Pharmakonzern seine bisherige Strategie zur Beilegung künftiger Klagen eingestampft. Zugleich will er den weiteren Verkauf des Monsanto-Mittels Roundup an amerikanische Privatkunden überprüfen. Der Versuch, sich mit zwei Milliarden Dollar von allen künftigen Klagen freizukaufen, ist damit gescheitert. Die Aktie stürzte nach Öffnung der Frankfurter Börse ab.
Die Entscheidung von Bundesrichter Vince Chhabria mache es „unmöglich, den vorgeschlagenen nationalen Lösungsmechanismus unter der Aufsicht dieses Gerichts weiterzuentwickeln“, erklärte der Dax-Konzern in der Nacht zum Donnerstag in einer Ad-hoc-Mitteilung. Stattdessen kündigten die Leverkusener einen Fünf-Punkte-Plan an, um die juristischen Risiken in den USA zu minimieren.
Bayer: 96.000 von 125.000 Klagen beigelegt
Bayer sieht sich inzwischen mit mehr als 125.000 Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken des Glyphosat-basierten Unkrautvernichters Roundup konfrontiert. Rund 96.000 davon habe man inzwischen beilegen können, teilte das Unternehmen unlängst mit. Am fraglichen Gericht in San Francisco sind viele Klagen gebündelt. Das umfangreiche Vergleichs-Paket umfasste aktuelle und künftige Klagen, sollte einen Schlussstrich ziehen.
Doch trotz Nachbesserungen lehnte Richter Chhabria dies am Mittwoch ab. Weil er insbesondere den Umgang mit möglichen Klagen in der Zukunft ablehnte, bricht Bayer seine Kompromisssuche hier ab, wie Konzernchef Werner Baumann am Donnerstagmorgen vor Analysten und Journalisten sagte.
Baumanns Fünf-Punkte-Plan bleibt vage
Ob Bayer mit seinem eilig vorgelegten Fünf-Punkte-Plan seine Aktionäre beruhigen kann, ist fraglich. Die fordern seit langem, zuletzt auf der Hauptversammlung Ende April, dieses unselige Kapitel endlich zu schließen, die Finanzmärkte scheuen wenig wehr als unabsehbare Risiken durch ungeklärte Rechtsstreitigkeiten. Und beim Thema Vergleich wird Bayer nun vage: „Wir werden unsere Vergleichsbemühungen für aktuelle Klagen überprüfen“, sagte Baumann. Bayer sei weiter offen für Vergleichsverhandlungen, werde nun aber „regelmäßig zu prüfen, ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist“. Im Klartext heißt das: Da kein Ende in Sicht ist, wird Bayer nicht mehr um der Einigung willen jeden Kläger abfinden.
Ebenso vage bleibt der künftige Umgang mit Roundup in den USA. Zunächst werde das Herbizid weiter auch an Privatkunden verkauft, heißt es, doch werde Bayer „umgehend mit Partnern den zukünftigen Weg diskutieren“. Und zwar darüber, ob Glyphosat-Produkte überhaupt noch eine Zukunft habe und über „alternative Wirkstoffe“. In der Landwirtschaft will Bayer in Amerika dagegen weiter voll auf Roundup setzen. Es ist ein Topseller des US-Saatgut-Riesen Monsanto, den Bayer 2018 für die Rekordsumme von 66 Milliarden Dollar (59 Milliarden Euro) geschluckt hatte.
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Auf dem Fünf-Punkte-Plan ganz oben steht die Erstellung einer Internetseite mit wissenschaftlichen Studien, welche die Unbedenklichkeit von Glyphosat-Mitteln belegen sollen. Bayer will bei den US-Behörden beantragen, derlei Hinweise auch auf Roundup-Packungen drucken zu dürfen. Der Konzern will zudem „andere Lösungen für potenzielle künftige Klagen zu Roundup prüfen“ und „ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium“ einrichten. Konkreter wird Bayer nicht.
Bayer hofft nun auf den Supreme Court
Die laufenden Berufungsverfahren konkreter Fälle will der Konzern durchfechten und hofft, mit einem Erfolg in letzter Instanz die Risiken künftiger Klagen doch noch in den Griff zu kriegen. Doch das wird dauern. „Ein Urteil des US Supreme Courts könnte Mitte kommenden Jahres erfolgen“, heißt es in der Mitteilung.
Die Bayer-Aktie gab am Donnerstag deutlich nach, büßte bis zum Mittag mehr als vier Prozent ein. Mit 52,70 Euro ist sie aktuell gut halb so viel wert wie beim Vollzug der Monsanto-Übernahme. In der Spitze lag das Bayer-Papier 2017 sogar über 120 Euro. Allen voran die milliardenschweren Rücklagen für die Glyphosat-Klagen in den USA haben Bayer im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordverlust von 10,5 Milliarden Euro eingebrockt.