Essen. Steag-Steinkohleblock 9 in Duisburg-Walsum und RWE-Kraftwerke in Hamm und Ibbenbüren stellen Betrieb ein. Auch Uniper nimmt Kohleblock vom Netz.
Der Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Steinkohle startet kräftiger als ursprünglich geplant: Zum 1. Januar sollen Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 4,8 Gigawatt (GW) vom Netz gehen. So hat es die Bundesnetzagentur entschieden und am Dienstagmorgen mitgeteilt. Darunter sind auch das Steag-Kraftwerk in Duisburg-Walsum mit seinem älteren Block 9 und die RWE-Kraftwerke in Hamm und Ibbenbüren. Der Düsseldorfer Konkurrent Uniper schaltet sein Steinkohlekraftwerk Heyden 4 in Minden ab. Bei allen Kraftwerken gilt der Vorbehalt, dass sie nicht noch für systemrelevant erklärt werden.
RWE und Uniper betonten, der kurzfristig notwendige Stellenabbau erfolge sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen. Bei RWE verlieren insgesamt 254 Beschäftigte ihren bisherigen Job. Auch für die Steag-Mitarbeiter in Walsum gibt es entsprechende Tarifvereinbarungen, um die vom Kohleausstieg betroffenen Kraftwerksarbeiter aufzufangen. Die Geschäftsführung des Essener Stromerzeugers möchte aber zuerst die Belegschaft in einer Betriebsversammlung in Duisburg am Mittwoch über Details informieren und sich erst dann öffentlich dazu äußern.
RWE erhält 216 Millionen Euro Entschädigung
Besonders RWE dürfte mit den Stilllegungsprämien zufrieden sein, der Dax-Konzern erhält nach eigener Aussage 216 Millionen Euro für seine beiden Kohleblöcke. Damit geht der Großteil der bewilligten Gelder an RWE – laut Netzagentur fließen insgesamt 317 Millionen Euro für elf anzuschaltende Kraftwerke. Die Konkurrenz gab ihre Entschädigungssummen bisher nicht bekannt.
Die Betreiber mussten ihre Kraftwerke in der ersten von acht jährlichen Ausschreibungen der Bundesnetzagentur zur Stilllegung anmelden. Dabei durften sie bis zu 165.000 Euro je MW Leistung fordern. Laut Netzagentur verlangten die Betreiber je nach Anlage zwischen 6000 und 150.000 Euro je MW. Dabei galt die Faustregel: je jünger und besser ausgelastet das Kraftwerk, desto höher die Forderung. Denn zweites Hauptkriterium ist der tatsächliche CO 2 -Ausstoß der jeweiligen Anlage. Die verlangte Entschädigung wird durch die jährliche CO 2 -Einsparung geteilt.
Die modernsten Kraftwerke gehen vom Netz
Diese von der Bundesregierung gesetzten Ausstiegskriterien haben in der ersten Runde zu Ergebnissen geführt, die nicht ohne energiepolitische Brisanz sind: Denn mit dem RWE-Kraftwerk Westfalen und vor allem den politisch umstrittenen Vattenfall-Blöcken in Hamburg-Moorburg gehen zwei der modernsten Steinkohlekraftwerke vom Netz. Der zweite Moorburg-Block mit 800 MW sorgt auch dafür, dass nun insgesamt 4800 statt der ausgeschriebenen 4000 MW vom Netz gehen.
Der politische Grund für diesen Mechanismus ist klar: Die Regierung will schnell die tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen reduzieren. Weniger ausgelastete, mehrere ältere Blöcke kamen deshalb in der ersten Runde offenkundig nicht zum Zug. Denn das mehr Kohlekraftwerke angemeldet wurden als nun stillgelegt werden dürfen, machte Netzagentur-Präsident Jochen Homann deutlich: „Die Runde war deutlich überzeichnet.“ Das ursprünglich erklärte Ziel, vor allem alte, besonders schmutzige Kraftwerke zuerst abzuschalten, wird so aber nicht erreicht.
Steag darf ein Kraftwerk nicht abschalten
Die Essener Steag etwa erhielt für ein angemeldetes Kraftwerk keinen Zuschlag. Welches, sagt sie nicht. Da die saarländischen Kraftwerke nicht teilnehmen durften und das in Herne noch bis zur Fertigstellung des Gaskraftwerks am gleichen Standort laufen soll, bleibt aber im Grunde nur Bergkamen, das seit fast 40 Jahren läuft, zuletzt aber nur auf Sparflamme, in diesem Jahr monatelang gar nicht.
Die von der Netzagentur genannten Kraftwerke dürfen ab dem 1. Januar 2021 ihren Strom nicht mehr anbieten, müssen aber noch ein halbes Jahr in Bereitschaft bleiben. Die Netzagentur kann sie anweisen, hochzufahren, wenn zu wenig Strom im Netz ist. Sollten sie sich nicht doch noch als systemrelevant erweisen, müssen sie zum 1. Juli 2021 endgültig stillgelegt werden.
RWE: Bittere Nachricht für Mitarbeiter
RWE-Kraftwerksspartenchef Roger Miesen sagte: „Für die Mitarbeiter ist das kurzfristige Aus ihres Kraftwerks eine bittere Nachricht.“ Durch den Tarifvertrag zur Abfederung des Kohleausstiegs sei aber „sichergestellt, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt“. Das sind in Hamm 166 und in Ibbenbüren 88 Mitarbeiter. Für die Gewerkschaften IGBCE und Verdi ist wichtig, dass die Kohlekraftwerke im Rahmen des staatlichen Verfahrens stillgelegt werden und nicht außer der Reihe von den Konzernen. Denn nur bei einem Zuschlag der Netzagentur greifen die von ihnen durchgesetzten Tarifverträge.
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Die Steag streicht im Zuge des Kohleausstiegs 1000 Arbeitsplätze in Deutschland. Sie ist besonders vom schnellen Aus der Steinkohlekraftwerke betroffen und sieht sich etwa gegenüber den Betreiber klimaschädlicherer Braunkohlekraftwerke benachteiligt, weil sie möglichen Entschädigungen für ihre Steinkohleblöcke zu gering hält. Ab 2028 drohen gar Zwangsstilllegungen ohne jede Entschädigung. Mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte die Steag aber im Sommer.
Uniper-Chef Andreas Schierenbeck erklärte, nach Heyden 4 bis 2025 auch seine Kohlekraftwerke in Gelsenkirchen, Staudinger und Wilhelmshaven abschalten zu wollen und danach nur noch mit dem heiß umstrittenen Großkraftwerk Datteln 4 zu planen. Für die von der Stilllegung betroffenen Standorte verspricht Schierenbeck neue Konzepte – etwa für gas- oder dampfbetriebene Anlagen.