Haltern am See. In Haltern entsteht Deutschlands größte schwimmende Photovoltaik-Anlage. Warum Unternehmen sich viel von der neuen Technologie versprechen.
Noch begeistert der in Sonnenlicht getauchte Silbersee vor allem Spaziergänger und Spaziergängerinnen, bald werden die Sonnenstrahlen jedoch auch zur Freude der Quarzwerke auf die Wasseroberfläche treffen. Denn in rund drei Wochen beginnt in Haltern der Bau der größten schwimmenden Photovoltaik-Anlage Deutschlands, deren Strom hauptsächlich das ansässige Industrieunternehmen versorgen wird.
Wenn die Energiewende hierzulande gelingen soll, braucht es in Zukunft zunehmend erneuerbare Energien. Das Problem: Der Platz für neue Windräder und Photovoltaikanlagen an Land ist begrenzt. Immer mehr Unternehmen und Kommunen setzen ihre Hoffnung daher in schwimmende Photovoltaik-Anlagen, in der Branche „Floating-PV-Anlagen“ genannt.
Die größte schwimmende Photovoltaik-Anlage in Deutschland
Die Solarmodule werden nicht wie üblich an Land oder auf Dächern montiert, sondern auf Schwimmkörpern angebracht. So können bisher ungenutzte Flächen der Energieversorgung dienen – wie etwa der Silbersee III, sagt Daniel Duric, Werkleiter der Quarzwerke.
Das Unternehmen baut seit fast 100 Jahren Quarzsande, die in der Kreidezeit entstanden sind, in Haltern ab. Dafür kommen unter anderem Saugbagger zum Einsatz, anschließend wird der Quarzsand zu Feucht- oder Trockensanden weiterverarbeitet. „Das sind sehr energieaufwendige Prozesse“, erklärt Duric. Um diese in Zukunft klimafreundlicher zu gestalten, haben die Quarzwerke nach eigenen Angaben einen siebenstelligen Betrag in die PV-Anlage investiert.
Floating-PV: Vom Silbersee direkt zum Werk der Quarzwerke
Diese sollte bereits jetzt in Betrieb sein, der Start hat sich jedoch verzögert. Von „Vertragsproblemen“ ist die Rede. Innerhalb der kommenden Wochen sollen nun die insgesamt 5744 Module an einem Stahlgerüst fixiert und aufs Wasser gelassen werden. Das Gerüst steht auf UV-resistenten Kunststoff-Pontons und ist mit einem Wellenbrecher gesichert.
Mithilfe eines Seekabels wird der produzierte Strom den Plänen zufolge an Land geleitet und gelangt anschließend über ein unterirdisches Kabel zum nächsten Mittelspannungsmast, um dann in das nahe gelegene Werk der Quarzwerke eingespeist zu werden. „Der kurze Weg ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit“, so Duric.
1,8 Hektar großer Solarpark auf dem Silbersee in Haltern
Der schwimmende Solarpark wird 1,8 Hektar groß sein und damit rund zwei Prozent der Seefläche einnehmen. Allerdings würden laut Quarzwerke nur 15 Prozent der gesamten Anlage die Wasseroberfläche überhaupt berühren, so dass die natürliche Wasserbewegung nicht beeinflusst werde. Die Module seien außerdem aus lichtdurchlässigem Glas, um eine mögliche Blendung zu reduzieren und zu verhindern, dass sie Schatten werfen. So würden auch die Tiere im Wasser weniger gestört werden.
Duric rechnet damit, dass die Anlage eine Leistung von bis zu drei Megawatt erreicht und jährlich rund 2,9 Millionen Kilowattstunden Strom produziert. Pro Jahr könnten die Quarzwerke so nach eigenen Angaben 1100 Tonnen Kohlendioxid (C02) einsparen, das entspreche etwa dem Verbrauch von rund 40 vier-Personen-Haushalten oder von 450 Autos.
Nur der Strom, der an Wochenenden oder Feiertagen auf dem Silbersee produziert wird, fließt ins öffentliche Netz. 75 Prozent des Solarstroms dienen ausschließlich dem Verbrauch der Quarzwerke. Ein „erheblicher Anteil“ der gesamten erforderlichen Versorgung des Werkes werde damit gedeckt, so Duric.
Regionalverband Ruhr unterstützt Pilotprojekt in Haltern
Der Silbersee III ist in öffentlicher Hand. Der Regionalverband Ruhr, der Zusammenschluss der Kommunen in der Region, hatte den See, der durch die Quarzgewinnung entstand, nach Ende der Produktion vor über 20 Jahren von den Quarzwerken übernommen. Nun stellt der RVR dem Unternehmen einen Teil des Silbersees gegen eine Miete für mindestens 20 Jahre zur Verfügung.
Zu einer konkreten Summe wolle man sich nicht äußern. „Für uns ist es ein interessantes Projekt. Wir können beobachten, ob es ein gutes Beispiel für die gesamte Region sein kann. Es gibt viele weitere Seen, die in Zukunft genutzt werden könnten“, so Nina Frense vom Bereich Umwelt und Grüne Infrastruktur des RVR.
Floating-PV laut RWE „vielversprechende Technologie“
Auch der Essener Energiekonzern RWE betrachtet schwimmenden Photovoltaik-Anlagen als eine „vielversprechende Technologie“, sagt RWE-Managerin Katja Wünschel, die für den Konzern unter anderem die Windenergie auf dem europäischen Festland ausbauen soll. So hat der Essener Energiekonzern bereits in eine schwimmende Solaranlage in den Niederlanden investiert.
13.000 Solarmodule wurden auf einem See in der Nähe des Kraftwerks Amer in Geertruidenberg in der Provinz Noord-Brabant zu Wasser gelassen. In den kommenden Wochen sollen sie ihren Betrieb vollständig aufnehmen – und eine Leistung von rund sechs Megawatt in Spitzenzeiten erzielen. „Für unseren Heimatmarkt Deutschland sehen wir großes Potenzial nicht nur für Forschungs-, sondern auch für kommerzielle Projekte“, so Wünschel, „etwa auf Tagebauseen“.
Ob auch die Quarzwerke in Zukunft weitere stillgelegte Seen an ihren Standorten in ganz Europa zur Stromerzeugung nutzen, hängt nach Angaben des Unternehmens vom Pilotprojekt ab.