Berlin. .
Die Warnstreiks sind beendet. Allerdings zeigten sich sowohl die Deutsche Bahn als auch die sechs privaten Bahnunternehmen von der Aktion der rund 1.700 Beschäftigten unbeeindruckt und wollen nicht von ihren jeweiligen Angeboten abweichen.
Die Warnstreiks im Bahnverkehr sind zwar für diese Woche beendet - weitere Arbeitsniederlegungen der Eisenbahner sind aber nicht auszuschließen. Denn sowohl die Deutsche Bahn als auch die sechs privaten Bahnunternehmen zeigten sich von der Aktion der rund 1.700 Beschäftigten unbeeindruckt und wollen nicht von ihren jeweiligen Angeboten vom 8. Oktober abweichen „Es liegt an den Gewerkschaften, sich zu bewegen und an den Verhandlungstisch zurückzukommen“, sagte ein Sprecher der sechs Privatbahnen. Auch Deutsche-Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber bekräftigte seine Bereitschaft zur Fortsetzung der Gespräche.
Die mehrstündigen Arbeitsniederlegungen haben den Zugverkehr am Dienstagmorgen in mehreren Bundesländern massiv behindert. Besonders betroffen waren Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen. Sowohl im Regional- wie auch im Fernverkehr fielen zahlreiche Züge aus oder fuhren mit deutlichen Verspätungen. Am Kölner wie auch am Nürnberger Hauptbahnhof stand der Verkehr zeitweise komplett still.
Es geht um einheitlichen Tarifvertrag
Die Gewerkschaften wollten mit den Aktionen Druck auf die laufenden Tarifverhandlungen um einen einheitlichen Tarifvertrag ausüben. Es geht ihnen dabei also nicht primär um eine höhere, sondern um die gleiche Bezahlung für die Beschäftigten aller Eisenbahnunternehmen in Deutschland. Konkret wollen sie ein Vergütungsniveau festschreiben, dass bereits heute für 90 Prozent der Mitarbeiter gilt. Da die sechs Privatbahnen ein gemeinsames Vorgehen mit der Deutschen Bahn ablehnen, verhandeln die Gewerkschaften separat mit beiden Seiten.
„Die Eisenbahner haben eindrucksvoll deutlich gemacht, dass sie Lohn- und Sozialdumping auf der Schiene verhindern wollen“, erklärten die Vorsitzenden von Transnet und GDBA, Alexander Kirchner und Klaus-Dieter Hommel. Es seien „deutliche Signale“ an die Arbeitgeberseite gesandt worden. „Wir hoffen, dass man diese Signale verstanden hat“, erklärten die beiden Gewerkschafter. Sollte dies nicht der Fall sein, würden „die Aktionen fortgesetzt“.
DB sieht sich als falsche Adresse
DB-Personenverkehrschef Ulrich Homburg zeigte sich „sehr verwundert“ über die Maßnahmen. „Wir sind der falsche Adressat für diese Aktivitäten“, sagte er. Weber zeigte sich verärgert: „Es kann nicht sein, dass die Gewerkschaften die DB bestreiken, um Druck auf andere Bahnunternehmen auszuüben, nur weil diese bisher unzureichende Angebote vorgelegt haben.“ Die Deutsche Bahn habe am 8. Oktober zugesagt, einen Branchentarifvertrag zu unterschreiben, der den Durchschnitt der drei höchsten geltenden Tarife der anderen Eisenbahnunternehmen zum Maßstab habe. Dieser Durchschnitt liege fünf Prozent unter dem Einkommensniveau der Deutschen Bahn. Die Mitarbeiter regionaler Tochergesellschaften des Konzerns sollen künftig weiterhin nach bestehendem DB-Tarifniveau bezahlt werden.
Die sechs Privatbahnen haben ein Angebot vorgelegt, dass nach eigenen Angaben bei 90 Prozent des DB-Niveaus liegt. Die Gewerkschaften rechnen allerdings anders und machen die Offerte bei 20 Prozent unterhalb des DB-Niveaus fest.
Die Verhandlungen zwischen Transnet und GDBA mit der Deutschen Bahn werden am Freitag fortgesetzt, ein Termin für weitere Gespräche mit den Privatbahnen steht noch aus. Bahnreisende haben also zumindest in dieser Woche keine Behinderungen mehr zu befürchten.
Wie Deutsche Bahn und ihre Konkurrenten um den Nahverkehr kämpfen
Die privaten Konkurrenten der Bahn konnten sich zuletzt bei Ausschreibungen für Nahverkehr-Strecken oft durchsetzen, da sie ihren Beschäftigten niedrigere Löhne zahlen.
Nahverkehr: Für den Betrieb des Nah- und Regionalverkehrs in Deutschland sind die Bundesländer und Regionen zuständig. Sie vergeben die Aufträge und finanzieren den Nahverkehr. Wird der Betrieb einer Strecke ausgeschrieben, können sich die Deutsche Bahn und ihre privaten Wettbewerber darum bewerben. Die Ausschreibungen schreiben unter anderem vor, wie häufig Züge fahren müssen und welche Mindeststandards eingehalten werden müssen. In den kommenden fünf Jahren wird mehr als die Hälfte des Markts neu vergeben.
Deutsche Bahn: Der Staatskonzern dominiert den Nahverkehr mit der Tochter DB Regio noch immer klar: Er steht für rund 90 Prozent der Verkehrsleistung im Nahverkehr, die in Personenkilometern gemessen wird. Viele Strecken, auf denen die Deutsche Bahn Nahverkehrszüge betreibt, wurden bislang nie ausgeschrieben - hier profitiert der Konzern noch von seinem ehemaligen Monopol. Ein weiterer Teil wurde ohne Ausschreibung weiterhin an die Bahn vergeben. Den letzten Teil hat das Unternehmen in Ausschreibungen gewonnen.
Bahn-Billigtöchter: Die Deutsche Bahn hat mittlerweile 14 Tochterfirmen, die nicht an den Tarifvertrag des Mutterkonzerns gebunden sind. Mit zehn Firmen war sie bei Ausschreibungen erfolgreich. Bislang haben die meisten Billigtöchter aber noch nicht den Betrieb übernommen, weshalb sie noch kein Personal und keinen Tarifvertrag haben. Sollte es künftig einen Branchen-Tarifvertrag geben, will die Bahn nach eigenen Angaben auch bei ihren Töchtern den normalen Tariflohn der DB Regio zahlen.
Konkurrenten: Die Zahl der Bahn-Konkurrenten ist groß, da viele Unternehmen einzelne Strecken jeweils mit einem Tochterunternehmen betreiben. Den Ton gaben bislang die sechs großen Betreiber Abellio, Arriva, Benex, HLB, Keolis und Veolia an. Teilweise stehen dahinter große ausländische Konzerne, teils sind sie in Besitz von Bundesländern. Arriva wurde mittlerweile von der Deutschen Bahn übernommen. Die Konkurrenten stehen für rund zehn Prozent der Verkehrsleistung in Personenkilometern. Auf Zugkilometer gerechnet sind es 20 Prozent - da sie vor allem kleinere Strecken mit wenigen Fahrgästen betreiben.
Löhne: Da die Aufträge für den Nahverkehr meist nach dem Preis vergeben werden, setzt sich das Unternehmen durch, dass den geringsten Zuschuss verlangt. Die Gewerkschaften und die Deutsche Bahn bemängeln, dadurch werde Lohndumping zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Abhilfe soll der Branchentarifvertrag für alle Unternehmen bringen. Die privaten Bahnbetreiber haben sich bislang nur zu einem gemeinsamen Tarifvertrag innerhalb ihrer Gruppe bereit erklärt. Die Deutsche Bahn legte einen Vorschlag für einen Branchentarifvertrag vor, der beim Gehalt leicht unter Bahn-Niveau liegen würde. (dapd/afp)