Berlin. Die Wirtschaftskrise stürzt immer mehr Menschen in die Schuldenfalle. Und die Banken machen ohne Rücksicht auf die Notlage trotzdem Kasse. Das kritisieren Verbraucherschützer und Wohlfahrtsverbände und fordern von den Banken Entgegenkommen.
Niedrigere Kreditzinsen und mehr Flexibilität gegenüber Kunden mit finanziellen Nöten haben Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände von den Banken gefordert. Die Kreditinstitute dürften es sich nicht bequem machen unter dem mit Steuergeld aufgespannten Rettungsschirm. «Die Banken sollen sich solidarisch verhalten», forderte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Gerd Billen, am Freitag in Berlin.
Schon heute seien drei bis vier Millionen Haushalte in Deutschland überschuldet. 60 Prozent der Verbraucherschulden stammten aus rückständigen Krediten. Er habe die Sorge, dass Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit infolge der Wirtschaftskrise noch mehr Menschen in die Überschuldung treiben würden, sagte Billen. Arbeitslosigkeit sei in fast 30 Prozent der Fälle der Grund für die Überschuldung.
Banken verdienten mit Zinspolitik 1,3 Milliarden Euro
Billen warf den Banken vor, Verbraucher in wirtschaftlicher Not ohne Rücksicht zur Kasse zu bitten. Die Banken hätten bislang die Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) von vier auf 1,5 Prozent seit Juni 2008 nicht an ihre Kunden weitergegeben. Vielmehr hätten einige Institute noch die Zinsen für Dispositionskredite erhöht, so die Postbank von 13,75 auf 14,25 Prozent und die Berliner Sparkasse von 13,5 auf 14,5 Prozent. Die Banken hätten mit dieser Zinspolitik schätzungsweise 1,3 Milliarden Euro verdient, kritisierte Billen.
Gemeinsam mit fünf großen Wohlfahrtsverbänden stellte der Verbraucherzentrale Bundesverband den Schuldenreport 2009 vor. Das Bündnis fordert ein «Sofortprogramm der Kreditwirtschaft» für überschuldete Haushalte: Die Banken sollten die Leitzinsen an die Verbraucher weitergeben, flexibel auf kurzfristige Engpässe reagieren und etwa Kredite ohne Verzugszinsen stunden. Bei längeren Einkommensausfällen der Kunden sollten ihnen niedrigere Zinsen statt teure Umschuldungen angeboten werden.
Banken sollen Schuldnerberatung mitfinanzieren
Die Verbände - neben der Verbraucherzentrale der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), das Deutsche Rote Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Diakonische Werk und die Caritas - erneuerten zudem ihre Forderung nach einem gesetzlich geregeltem Recht auf ein Girokonto. Dies sei zwingende Voraussetzung für die alltägliche Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe.
Schließlich fordert das Bündnis einen Ausbau der Schuldnerberatung und einer anbieter- und produktunabhängigen Finanzberatung. Die Verbraucherzentralen könnten mit ihren Kapazitäten nur etwa 0,14 Prozent der Privathaushalte beraten. Bund und Länder sollten zusätzliches Geld zur Verfügung stellen. Auch die Banken sollten sich beteiligen, weil sie schließlich von der Arbeit der Schuldnerberatung profitierten. (ap)