Als vor zehn Jahren für Privatpersonen die Verbraucherinsolvenz eingeführt wurde als geordneter Ausweg aus der Schuldenfalle, gab sich Schuldnerberaterin Susanne Wolf skeptisch.
Die Leiterin der Schuldnerberatung des Evangelischen Kirchenkreises wollte damals nicht glauben, dass eine mindestens 30 Jahre währende Vollstreckungsbedrohung gebannt werden könnte durch ein geordnetes Verfahren, an dessen Ende ein neues Leben ohne Schulden beginnen kann. Der Weg dorthin ist auch mit sechs Jahren immer noch lang und verlangt den Betroffenen viel ab: Sie müssen ihre Vermögensverhältnisse offenlegen, das pfändbare Einkommen an einen Treuhänder abgeben. Susanne Wolf: „Das ist ein Leben am Existenzminimum. Der Schuldner muss alles offenbaren und ein sehr geordnetes Leben führen.” Die Praxis zeigt: Die Verbraucherinsolvenz funktioniert - in den meisten Fällen. Susanne Wolf: „In sechs Jahren ist man 'raus aus dem Verfahren: Das gibt Hoffnung, den Schuldnern und den Arbeitgebern.”
1999, im ersten Jahr der neuen Verbraucherinsolvenz, listete die Statistik der Schuldnerberatung 21 Betreuungsfälle auf. 2008 waren es 362 Privatinsolvenzen, darin nicht mitgezählt die 60 Firmen-Insolvenzen, um die sich die Schuldnerberatung auch gekümmert hat.
In Zeiten, in denen es das äußerst private Thema Schulden bis ins Unterhaltungsfernsehen geschafft hat, sind Vorurteile schnell zur Hand. Susanne Wolf warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Ihre Erfahrung: „Die meisten Leute trifft es unverschuldet - durch Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung.” Mit zeitlichem Verzug wird die Einrichtung an der Overwegstraße 31 die Schließung des Bochumer Nokia-Werkes zu spüren bekommen. „Die Leute kommen jetzt aus den Transfergesellschaften”, weiß Susanne Wolf.
So geordnet der Weg aus der Schuldenkrise führt, so vielfältig sind die Pfade, die hineinführen. Sie werden vorzugsweise von der konsumfreudigen Gruppe der 20- bis 30-Jährigen Menschen beschritten, die keinen Schulabschluss, keine Ausbildung vorweisen können und ab dem 25. Lebensjahr auch noch ohne Maßnahmen der Arbeitsagentur dastehen. Gern besucht die Schuldnerberaterin Hauptschulen, Gesamtschulen und Berufskollegs, um mit den Schülern das Spiel „Autokauf” zu spielen. Susanne Wolf: „Schnell muss es noch dieses oder jenes Extra sein. Die Summen können sie aber meistens nicht addieren.” Geschweige denn das Kleingedruckte auf der Rückseite eines Kreditvertrages verstehen. Auf ähnliches Nicht-Wissen trifft sie auch bei Veranstaltungen für Existenzgründer.
Dass dem Gesetz eine Überarbeitung bevorsteht, sieht Susanne Wolf als Verschlechterung an, weil damit wieder die Beteiligung an den Gerichtskosten eingeführt werde. Susanne Wolf: „Und diese 13 Euro pro Monat sind dann für die meisten Schuldner durchaus wieder ein Problem.”