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Die kommunalen Stromversorger laufen Sturm gegen längere AKW-Laufzeiten. Das schränke den Wettbewerb noch mehr zugunsten der großen Konzerne wie RWE und Eon ein, fürchten sie.

Die Stadtwerke warnen davor, dass bei einer Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke letztlich die Stromkunden die Zeche zahlen könnten.

„Schon jetzt kontrollieren die großen vier Konzerne etwa 75 Prozent der Stromerzeugung. Das schadet dem Wettbewerb und damit den Verbrauchern“, sagte Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir haben die große Sorge, dass sich bei einer Laufzeitverlängerung das Oligopol der Stromriesen verstärkt.“ Unter einem Oligopol versteht man die Situation, dass es trotz großer Nachfrage nur wenige Anbieter gibt.

Die kommunalen Unternehmen befürchten, dass die Vormachtstellung der vier Kernkraftwerksbetreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall durch längere Laufzeiten auf Jahre zementiert würde. Die Stadtwerke erzeugen derzeit rund zehn Prozent der Energie in Deutschland. „Die Stadtwerke sind der Mittelstand der Energiewirtschaft. Es wäre fatal, dieses Gegengewicht zu den großen Energiekonzernen durch eine Laufzeitverlängerung zu schwächen“, warnte Reck. Der VKU hat 1400 Mitgliedsunternehmen, davon knapp 1000 Stadtwerke.

1999 gegründetes Gemeinschaftsunternehmen

Auch den Aachener Energieversorger Trianel treiben ähnliche Befürchtungen um. „Ohne echten Wettbewerb bei der Stromerzeugung wird der Kunde allen Lippenbekenntnissen der Kernkraftlobby zum Trotz die Zeche zahlen müssen. Nur Wettbewerb garantiert niedrige Strompreise“, sagte Sven Becker, der Sprecher der Trianel-Geschäftsführung. Trianel wurde 1999 als Gemeinschaftsunternehmen von Stadtwerken und regionalen Versorgungsunternehmen gegründet. Derzeit baut Trianel ein neues Kohlekraftwerk in Lünen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will Ende September ihr neues Energiekonzept vorstellen. Vorgesehen ist unter anderem, den Betrieb der bundesweit 17 Atomkraftwerke (AKW) über das Jahr 2022 hinaus zu verlängern. Wissenschaftliche Institute rechnen derzeit verschiedene Szenarien für Laufzeitverlängerungen um vier, zwölf, 20 und 28 Jahre durch.

Es tobt eine heftige Lobbyschlacht

Parallel dazu tobt derzeit eine heftige Lobbyschlacht. Mehr als 40 deutsche Top-Manager und Prominente machten vor wenigen Tagen gemeinsam Front gegen die Regierungspläne für neue Energiesteuern und warnten vor einem verfrühten Aus für die Atomanlagen.

Die großen Konzerne fordern längere AKW-Laufzeiten. Sie argumentieren, damit könne günstig Strom produziert werden, wovon Wirtschaft und Verbraucher profitieren würden. Dieser Schlussfolgerung widersprechen die Stadtwerke. „Die Bundesregierung muss sich mit den Bedenken gegen das Energie-Oligopol auseinandersetzen“, forderte Reck. Er warnte, die Stadtwerke könnten unter einer Laufzeitverlängerung leiden.

Hintergrund: Die Stärken der kommunalen Betriebe liegen bei Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung, die mit Erdgas, Kohle und Biokraftstoffen als Brennstoff arbeiten und Strom und Wärme gleichzeitig erzeugen.

Mit Ausstieg kalkuliert

Viele Stadtwerke hätten im Vertrauen auf das Auslaufen der Atomkraft Investitionen geplant. „Die Laufzeiten für Kernkraftwerke sollten nur dann verlängert werden, wenn es zu einem Wettbewerbsausgleich zugunsten der Stadtwerke kommt. Bereits getätigte Investitionen der kommunalen Unternehmen in eine dezentrale Stromproduktion dürfen nicht gefährdet werden“, sagte Reck. Und: „Die großen Oligarchen müssen Kraftwerkskapazitäten abgeben.“ Pikant an der Kritik: An einigen Stadtwerken ist der AKW-Betreiber RWE beteiligt.