Essen/Brüssel. .
Bankkunden müssen sich auf längere Kontonummern einstellen. Offen ist nur noch, wann die europaeinheitlichen 33-stelligen Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben Pflicht werden. Nach Plänen der EU-Kommission schon zum 1. Januar 2012.
Verbraucher- und Bankenverbände laufen Sturm gegen eine rasche Einführung der „Internationalen Bankkontonummer“ (IBAN) und des Banken-Identifizierungs-Codes (BIC). „Viele werden mit den neuen Zahlenkolonnen überfordert sein. Wir fürchten ein Chaos“, so Frank-Christian Pauli von der Verbraucherzentrale.
Nicht nur 93 Millionen Kontoinhaber müssen informiert werden. „Alle Unternehmen müssen von ihren Kunden neue Einzugsermächtigungen einholen“, sagt Michaela Roth vom Sparkassen- und Giroverband. Dieser Aufwand sei bis Ende 2011 nicht zu bewältigen.
Das sieht auch die Bundesregierung so. Steffen Kampeter (CDU), Staatssekretär im Finanzministerium, fordert die EU-Kommission auf, zur Abwicklung nationaler Zahlungsvorgänge parallel weiterhin die herkömmlichen Kontonummern und Bankleitzahlen zuzulassen. Laut Kampeter könnten sie Computer-Programme „einfach und kostengünstig“ umwandeln.
„Kein Schreckgespenst“
Das aber bestreitet der Bundesverband der Banken: „Das kostet auf Dauer zu viel Zeit und Geld“, sagte Sprecherin Kerstin Altendorf dieser Zeitung. IBAN sei „kein Schreckgespenst“. Die Verbraucher müssten sich lediglich an das einheitliche Länderkürzel DE für Deutschland und an eine zweistellige Prüfziffer zu Sicherheitszwecken in ihrer Kontonummer gewöhnen. Der Bankenverband wie die Sparkassen-Dachorganisation setzen sich allerdings dafür ein, dass das alte Kontonummern-System so lange wie möglich fortbestehen kann, um Banken und Kunden Zeit für die Umstellung zu lassen.
Für den Zeitplan will EU-Kommissar Michel Barnier im Herbst einen Vorschlag machen. Danach hat das Europaparlament das Wort. Die Entscheidung trifft der Ministerrat. Nach dem Vorstoß des Finanzministeriums hieß es gestern in der Brüsseler EU-Kommission, sie wolle die deutschen Bedenken berücksichtigen.
Im Prinzip ist seit zwei Jahren klar, was passieren soll: Die herkömmliche Kombination aus Konto und Bankleitzahl wird Schritt für Schritt ersetzt durch ein neues System namens Sepa. Das steht für Single European Payment Area (einheitliches europäisches Gebiet für den Zahlungsverkehr) und besteht aus einer 22-stelligen Ziffernfolge (IBAN) und einem elfstelligen Buchstaben-Code (BIC).
Über 500 Millionen Bürger betroffen
Schon seit 2003 kann jeder Verbraucher die neuen Nummern auf seinem Kontoauszug sehen – IBAN: DE90 (Länderkennzeichen und Prüfungszahl) 5003 33000532 0130 00 (Kontoidentifaktion). Darin enthalten ist die alte Kontonummer mit einem Teil der Bankleitzahl. Hinzu kommt die BIC mit maximal elf Zeichen: Bankkürzel, Länderkennzeichen und Identifikationsmerkmal.
Die 27 EU-Länder plus der Schweiz, Norwegen, Island, Monaco und Liechtenstein machen bei Sepa mit. Mehr als 500 Millionen Bürger gehören dazu. In vielen Ländern ist die neue Codierung schon eingeführt, bei grenzüberschreitenden Überweisungen ist sie gang und gäbe. Bei der Deutschen Bank etwa läuft das System seit Januar 2008, die Sparkassen wollen die Einführung im Herbst abgeschlossen haben. Parallel dazu existiert das herkömmliche System mit den bekannten Kontonummern und Bankleitzahlen.
Zum Leidwesen der Geldinstitute, die das internationale System schon eingeführt haben. Dazu gehören auch die Banken ABN Amro oder JP Morgan. Ihnen wird ein Interesse nachgesagt, das teure Parallelsystem mit den alten Kontonummern so schnell wie möglich abzuschalten.
18 Milliarden deutsche Überweisungen
Wie lange es die zwei Welten im Zahlungsverkehr noch geben darf, entscheidet nach dem für Herbst erwarteten Vorschlag der EU-Kommission und der Abstimmung im Europaparlament der EU-Ministerrat, in dem alle nationalen Regierungen sitzen. Darin dürften es die deutschen Vertreter aber schwer haben. Denn hierzulande läuft bislang nur ein Prozent des Zahlungsverkehrs über das einheitliche Sepa-System. Andere Länder sind da schon viel weiter. In der Euro-Zone soll der Anteil immerhin bei über acht Prozent liegen. Dabei gibt es nach Angaben von Branchenexperten in Deutschland mit jährlich 18 rund Milliarden die meisten Überweisungen in Europa.
EU-Binnemarktkommissar Michel Barnier will deshalb den Banken Druck machen und sie zwingen, wohl schon ab 2012 alle Überweisungen über Sepa abzuwickeln.
Die komplette Umstellung auf neue Kontonummern stellen die Geldinstitute nicht in Frage. Bankenverband und Sparkassen wehren sich aber gegen einen zu hohen Zeitdruck. „Die Abschaltung der nationalen Verfahren schon 2012 wäre zu früh. Das ist nicht kundenfreundlich“, kritisiert Michaela Roth vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Sie fordert „deutlich längere Fristen“ – auch aus Kostengründen. Roth: „Investitionen, die über einen längeren Zeitraum möglich sind, fallen günstiger aus.“
Nicht kundenfreundlich
Dabei hat der Sparkassenverband nicht nur die Bankenseite im Blick: Krankenkassen, Versicherungen und unzählige andere Unternehmen und Verbände müssten Millionen von Kunden und Mitgliedern anschreiben, um sich von ihnen neue Einzugsermächtigungen für das Lastschriftverfahren einzuholen.
„Der Kunde muss sich kaum umgewöhnen“, glaubt Kerstin Altendorf vom Bundesverband deutscher Banken. Das sieht der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der eine umfassende Aufklärungskampagne fordert, ganz anders. Bankenexperte Frank-Christian Pauli warnt davor, dass Kunden Fehler beim Ausfüllen von Überweisungsträgern machen.
Die Kosten für die gewaltige Umstellung des europäischen Zahlungssystems vermag indes niemand zu schätzen. Eine Anfrage des Abgeordneten CSU-Bundestagsabgeordneten Herbert Frankenhauser beantwortet Finanzstaatsseketrär Steffen Kampeter (CDU) ausweichend: „Der Bundesregierung liegen zu den durch die Umstellung auf IBAN und BIC entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten keine belastbaren Zahlen vor.“ Das „Handelsblatt“ zitiert einen Branchenexperten, der die Investitionen für kleine Banken auf bis zu fünf und für große Häuser auf bis zu 50 Millionen Euro beziffert.