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Der Schmiergeld-Skandal beim Essener Industriedienstleister Ferrostaal weitet sich aus. Offenbar ist jetzt auch Konzernchef Mitscherlich ins Visier der Justiz geraten. Die Staatsanwaltschaft München hat laut einem Medienbericht ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.
Matthias Mitscherlich liest gerne Kriminalromane, zum Beispiel die Werke des griechischen Schriftstellers Petros Markaris. Es sind Bücher, die häufig von Korruptionsfällen und Skandalen in Wirtschaft oder Politik handeln. Nun gerät Mitscherlich, der Vorstandsvorsitzende des Essener Traditionskonzerns Ferrostaal, selbst unter Verdacht, in einen Wirtschaftskrimi verwickelt zu sein.
Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ hat die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren gegen den Ferrostaal-Chef wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet. In dieser Woche wolle sich der Aufsichtsrat des Unternehmens zu einer außerordentlichen Sitzung treffen, um die neue Lage zu beurteilen. Dabei dürfte sich auch die Frage nach der beruflichen Zukunft des Managers stellen.
Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass bei Ferrostaal über Jahre hinweg systematisch Schmiergelder gezahlt wurden – etwa bei Projekten in Ägypten, Portugal, Kolumbien, Argentinien und Indonesien. Die dubiosen Zahlungen sollen über so genannte Schein-Beraterverträge abgewickelt worden sein. Der vor allem im Ausland aktive Konzern macht unter Geschäfte mit dem Bau von Kraftwerken, Küstenschiffen und U-Booten. Da es sich zum Teil um militärische Projekte handelt, sind oft auch politische Stellen mit im Spiel.
Regierungsmitglieder und ein Erzbischof unter Verdacht
Ende März erschütterte eine Razzia das Unternehmen. Die Ermittler suchten unter anderem in der Essener Firmenzentrale nach Beweisen in der Korruptionsaffäre. Ein Vorstandsmitglied wurde in Untersuchungshaft genommen, ebenso wie einer seiner Mitarbeiter.
Die Praxis, dass Ferrostaal-Berater einen Teil ihres vom Konzern erhaltenen Honorars an „Entscheidungsträger“ in den jeweiligen Ländern weitergereicht hätten, sei bis in die Unternehmensspitze hinein bekannt gewesen, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“. Angeblich sollen auch Regierungsmitglieder, ein Erzbischof und ein Ex-Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes in die Affäre verwickelt sein.
Zur Frage nach einem Verfahren gegen Vorstandschef Mitscherlich wollte sich Ferrostaal auf Anfrage dieser Zeitung nicht äußern. „Wir schmieren aus Prinzip nicht“, hatte der Manager in einem Interview Anfang Februar beteuert. Zu Schmiergeld-Fällen aus der Vergangenheit merkte er an, dass in den 90er-Jahren auch die Gesetzgebung noch eine andere gewesen sei und „solche Gelder sogar von der Steuer abzugsfähig waren“. Heute sei die Lage anders.
Ehrgeizige Wachstumsstrategie
Der 61-Jährige warb allerdings für Verständnis, „dass man in vielen Ländern jemanden braucht, der einen leitet. Der die richtigen Leute kennt. Der einem zum Beispiel sagt, mit wem man reden muss, um ein Projekt nach vorne zu bringen“. Hier stehe „einer Leistung eine echte Gegenleistung gegenüber“. Deshalb, sagte Mitscherlich, „sollte man solche Dinge nicht in die gleiche Ecke wie Korruption rücken“. Die Konkurrenz aus anderen Ländern habe „da weniger Probleme“.
Der Ferrostaal-Chef – Sohn des bekannten Psychoanalytikerpaars Alexander und Margarete Mitscherlich – hatte zuletzt ehrgeizige Pläne für das Ruhrgebietsunternehmen entwickelt. Nach dem Einstieg eines Staatsfonds aus Abu Dhabi sollte sich durch eine Wachstumsstrategie auch die Zahl der konzernweit rund 5700 Arbeitsplätze kräftig erhöhen. Allein am Firmensitz in Essen war die Zahl der Stellen innerhalb eines Jahres von 850 auf 950 gestiegen. Doch nun sorgen die Korruptionsvorwürfe für Unruhe.
Angeblich ist der neue Mehrheitseigentümer, die International Petroleum Investment Company (IPIC), verärgert über die Vorgänge bei Ferrostaal. Die Araber hatten 70 Prozent der Ferrostaal-Anteile vom früheren Mehrheitseigentümer MAN übernommen. Der Münchener Maschinenbau-Konzern ist noch 30-Prozent-Eigentümer. Eigentlich wollte IPIC dem MAN-Konzern auch diesen Anteil abkaufen. Nun gibt es Zweifel, ob das Geschäft so einfach über die Bühne gehen wird. Bei Verhandlungen dürften auch mögliche Kosten aus der Korruptionsaffäre eine Rolle spielen. Denn Ferrostaal droht eine millionenschwere Bußgeldforderung seitens der Staatsanwaltschaft.