Essen. Nach dem Einstieg eines Staatsfonds aus Abu Dhabi formuliert Vorstandschef Matthias Mitscherlich ehrgeizige Pläne für den Essener Traditionskonzern. Viele neue Jobs sollen entstehen. Und Mitscherlich erläutert, warum Ferrostaal den britischen Fußballclub Manchester City unterstützt.

Ferrostaal gehört zu den deutschen Unternehmen, die in der Hand arabischer Investoren sind. Welche Erfahrungen machen Sie mit den Eigentümern aus Abu Dhabi?

Mitscherlich: Wir freuen uns, Eigentümer zu haben, die an unserer langfristigen Entwicklung interessiert sind. Wir planen und entwickeln Großprojekte, zum Beispiel für die Energieindustrie. Abu Dhabi will nicht nur Rohstoffe wie Öl und Gas verkaufen, sondern eine breitere unternehmerische Basis schaffen. Hier kommen wir ins Spiel. Außerdem sind wir für Abu Dhabi eine Brücke zur deutschen Industrie.

Sie sind also der verlängerte Arm von Abu Dhabi?

Mitscherlich: So könnte man das sagen. Unsere Eigentümer kaufen sich deutsche Ingenieur- und Management-Kompetenz ein.

Vor wenigen Wochen sind die Buchstaben MAN aus dem Logo von Ferrostaal verschwunden. Fällt Ihnen die Abnabelung vom ehemaligen Mutterkonzern aus München schwer?

Mitscherlich: Es war nötig und auch sinnvoll, neue Managementstrukturen aufzubauen. Derzeit hält MAN allerdings noch 30 Prozent an Ferrostaal. Wir hoffen und gehen davon aus, dass die Verhandlungen über eine vollständige Übernahme durch unseren neuen Mehrheitsaktionär bald abgeschlossen werden können. Keine Frage: Wir sind schon jetzt ein völlig neues Unternehmen.

Was meinen Sie damit?

Mitscherlich: Wir wollen unsere Geschäftsfelder Petrochemie, Kraftwerksbau und erneuerbare Energien mit der Unterstützung unserer neuen Anteilseigner massiv ausbauen. Ziel ist es, dass wir mittelfristig unseren Umsatz auf vier Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Ideal wäre es, wenn wir künftig die Hälfte unseres Umsatzes mit Abu Dhabi bestreiten könnten.

Verwandelt sich Ferrostaal in ein arabisches Unternehmen?

Mitscherlich: Ferrostaal bleibt eine deutsche Firma mit Sitz in Essen. Das lässt sich auch an den Arbeitsplätzen ablesen. In Essen ist die Zahl der Stellen innerhalb eines Jahres von rund 850 auf zuletzt 950 gestiegen. In den kommenden Monaten bauen wir weitere Arbeitsplätze auf. Auch die Zahl der derzeit 5700 Stellen in aller Welt wird sich durch unsere Wachstumsstrategie weiter erhöhen. Wir stellen derzeit ganz gezielt qualifizierte Menschen ein. Auch alle Auszubildenden haben wir übernommen.

Findet das Wachstum vor allem im Ausland statt?

Mitscherlich: Wir sind traditionell ein überaus exportorientiertes Unternehmen. Rund 85 Prozent unserer Umsätze erzielen wir im Ausland, aber ein Großteil unserer Gewinne wird in Deutschland versteuert. Was das Wachstum angeht: Durch unsere neuen Eigentümer dürfte sich der Exportanteil an unserem Geschäft noch erhöhen. Die globale Ausrichtung fängt bei uns übrigens schon in der Ausbildung an. Wir schicken unsere Azubis drei Monate ins Ausland – nach Südamerika, Asien oder auch in die Vereinigten Arabischen Emirate. Das kommt gut an.

Fühlen Sie sich manchmal wie ein Botschafter von Abu Dhabi?

Mitscherlich: Ich werbe gerne für gegenseitiges Verständnis, auch wenn es kulturelle Unterschiede gibt. Um die Handelsbeziehungen auszubauen, würde ich mir gelegentlich etwas mehr Unterstützung von Seiten der deutschen Politik wünschen.

Gibt es Probleme, wenn Sie Ingenieurinnen nach Abu Dhabi schicken?

Mitscherlich: Nein. Sie werden in Abu Dhabi auch wenig verschleierte Frauen sehen. Wir sprechen über ein sehr modernes Land, das sich als Teil der globalisierten Welt fühlt.

Warum ist das Essener Unternehmen Ferrostaal eigentlich ausgerechnet Sponsor des britischen Fußball-Clubs Manchester City geworden?

Mitscherlich: Das hat auch mit unserer globalen Ausrichtung zu tun. Wir wollen weltweit bekannt werden. Es ist auch Wunsch unserer Eigentümer, dass unsere Marke eine viel größere Rolle spielt als bisher. Wir sind in 60 Ländern tätig. In vielen von ihnen spielt der britische Fußball eine deutlich größere Rolle als die Bundesliga.

Gleichzeitig wird im Ruhrgebiet darüber diskutiert, das finanzielle Engagement der heimischen Unternehmen für das Klavierfestival Ruhr zu verringern. Wie passt das zusammen?

Mitscherlich: Die beiden Themen muss man voneinander trennen. Klar ist: Der Initiativkreis Ruhr, zu dem auch wir gehören, lässt das Klavierfestival nicht im Stich. Wir haben durch jahrelanges privatwirtschaftliches Engagement ein Festival aufgebaut, das weltweit einen exzellenten Ruf genießt. So soll es auch bleiben.