Essen. Razzia in der Firmenzentrale, eine Festnahme und schwere Vorwürfe: Ein Bestechungsverdacht belastet den Essener Traditionskonzern Ferrostaal. Staatsanwälte haben den Verdacht, dass Bestechungsgelder gezahlt und über Schein-Beraterverträge abgewickelt wurden.
Die Firmenzentrale des Essener Industriekonzerns Ferrostaal hat eine bauliche Besonderheit. Die Fassade wird von kupferfarbenen Fenstern dominiert, durch die man von innen nach außen schauen kann, nicht aber von außen nach innen. Neben dem Eingang des fünfstöckigen Bürokomplexes hängt ein meterhohes Transparent mit der Aufschrift: „It’s all about people.“ Zu deutsch: „Es geht immer um Menschen.“ Der Slogan, der Ferrostaal eigentlich als internationalen Top-Arbeitgeber darstellen soll, bekommt nun einen anderen Klang. Er erinnert auch daran, dass Menschen Schwächen haben oder zuweilen auf Abwege geraten.
Ein neuer großer Korruptionsskandal in der deutschen Wirtschaft zeichnet sich ab. Die Staatsanwaltschaft München vermutet, dass bei Ferrostaal systematisch Schmiergelder gezahlt wurden. Bei einer Razzia in der Essener Unternehmenszentrale und in weiteren Firmenbüros suchten die Ermittler am Mittwoch nach Beweisen für den Bestechungsverdacht. Bundesweit waren nach Angaben der Behörde 16 Staatsanwälte, 60 Polizeibeamte und acht Steuerfahnder im Einsatz. Die Ermittler verschafften sich in den Morgenstunden Zugang zur Ferrostaal-Zentrale und blieben den ganzen Tag über im Haus. Sie kopierten Unterlagen und stellten Material sicher. Auch am Donnerstag wurden noch Akten im Foyer der Firmenzentrale sortiert.
„Es besteht der Verdacht, dass Bestechungsgelder gezahlt und über Schein-Beraterverträge abgewickelt wurden“, sagte die Münchener Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger. Ein Verdächtiger sei festgenommen worden.
Es sind massive Anschuldigungen, mit denen sich der Traditionskonzern konfrontiert sieht. Gleichwohl lehnte es ein Unternehmenssprecher mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen ab, sich zu Details zu äußern. „Ferrostaal wird eng mit der Staatsanwaltschaft kooperieren, um die Sachverhalte zügig aufzuklären. Bis dahin wird das Unternehmen keine Stellung zu Einzelheiten nehmen“, sagte er lediglich.
Der Erzbischof und ein ehemaliger BND-Mitarbeiter
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Manager und Mitarbeiter des international tätigen Konzerns, der unter anderem Küstenschiffe, U-Boote und Kraftwerke baut. Unter den Verdächtigen soll sich auch ein Vorstandsmitglied befinden. Die Praxis, dass Ferrostaal-Berater einen Teil ihres vom Konzern erhaltenen Honorars an „Entscheidungsträger“ in den jeweiligen Ländern weitergereicht hätten, sei bis in die Unternehmensspitze hinein bekannt gewesen, schrieb das Blatt. Angeblich sollen auch Regierungsmitglieder, ein Erzbischof und ein früherer Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes in die Affäre verwickelt sein. Die Liste verdächtiger Projekte umfasse den Zeitraum von 1999 bis 2008. Eine breite Spur führe nach Griechenland.
„Bis 1999 wurde Auslandskorruption im Inland nicht verfolgt“, erläuterte Peter von Blomberg, der stellvertretende Vorsitzende der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International Deutschland. „Schein-Beraterverträge dienen Unternehmen seitdem häufig als Instrument, um Korruption zu vertuschen. Sie sind gang und gäbe bei der Auslandsbestechung.“
Eine große Grauzone
Noch vor knapp zwei Monaten hatte Ferrostaal-Vorstandschef Matthias Mitscherlich in einem Handelsblatt-Interview beteuert: „Wir schmieren aus Prinzip nicht.“ Zu Fällen aus der Vergangenheit sagte er: „Das war früher, als in den 90er-Jahren auch die Gesetzgebung noch eine andere war und solche Gelder sogar von der Steuer abzugsfähig waren.“ Die Lage habe sich mittlerweile geändert. Grundsätzlich sagte Mitscherlich: „Man muss aber Verständnis dafür haben, dass man in vielen Ländern jemanden braucht, der einen leitet. Der die richtigen Leute kennt. Der einem zum Beispiel sagt, mit wem man reden muss, um ein Projekt nach vorne zu bringen. Hier steht einer Leistung eine echte Gegenleistung gegenüber, deshalb sollte man solche Dinge nicht in die gleiche Ecke wie Korruption rücken.“