Bielefeld. .
Die Probleme mit den Klimaanlagen in einigen ICE-Zügen, die am Wochenende zu völlig dehydrierten Reisenden geführt hatten, sind dem Bundesverkehrsministerium schon länger bekannt. Dem Verein Deutscher Ingenieure zufolge sind die ICE-Klimaanlagen nicht für Temperaturen über 35 Grad ausgelegt.
Nach dem Zwischenfall in Bielefeld, wo am Wochenende Bahnreisende wegen eines Hitzekollaps ins Krankenhaus mussten, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen den Zugführer. Die Gewerkschaften warnen allerdings vor einer Vorverurteilung des Personals. Die Deutsche Bahn AG kündigte derweil am Mittwoch an, mit einer Arbeitsgruppe die Klima-Probleme in den Griff bekommen zu wollen. Dem Verein Deutscher Ingenieure zufolge sind die ICE-Klimaanlagen nicht für Temperaturen über 35 Grad ausgelegt.
Das Bundesverkehrsministerium hat eingeräumt, dass die Probleme mit den Klimaanlagen einiger ICE-Züge schon länger bekannt sind. Allerdings könnten die Probleme nicht schnell behoben werden, weil die Züge hochkomplexe technische Systeme seien, sagte Staatssekretär Enak Ferlemann am Mittwoch im rbb. Nach dem Komplettausfall von Klimaanlagen in ICE-Zügen forderten Verbraucherschützer von der Politik klare Zielvorgaben für die Bahn.
„Bordelektrik sehr empfindlich“
„Fakt ist, dass ein solcher Zug im Grunde genommen bei minus 40 Grad laufen muss und bei 40 Grad plus auch, ohne dass es zu großen Beanstandungen kommt“, betonte Ferlemann. Es habe sich aber erwiesen, dass die Bordelektrik der ICE-I- und ICE-II-Züge empfindlich sei. Es gehe nun darum, die Konsequenzen aus den Schäden an den ICEs zu ziehen, auch weil die Ausschreibung einer kompletten Erneuerung der Flotte bevorstehe. „Und da sollen diese Fehler nicht wieder auftreten“.
Die Bahn reagierte auf die wiederholten Hitze-Pannen nach eigenen Angaben mit einer gemeinsamen Task-Force von der Deutschen Bahn und Siemens. Bahnsprecher Jürgen Kornmann betonte, dass die Züge alle die tägliche Wartung mit funktionstüchtiger Klimaanlage verließen. Der Fehler trete dann plötzlich während der Fahrt auf. Das Unternehmen arbeite mit Hochdruck an der Lösung des Problems. „Jede defekte Klimaanlage ist eine zu viel“, sagte er. Einen Bericht der „Bild“-Zeitung, die Bahn stehe vor einem Rätsel, wies er hingegen zurück. Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen.
VDI: „Für über 35 Grad nicht ausgelegt“
Nach Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure sind die Klimaanlagen in den deutschen ICE-Zügen für Temperaturen über 35 Grad gar nicht ausgelegt. „Wenn Siemens nach der EU-Norm auslegt, muss man in Kauf nehmen, dass die Anlage bei höheren Temperaturen nicht funktioniert. Mittlerweile ist ja bekannt, dass es in Deutschland wärmer wird“, sagte Geschäftsführer Thomas Terhorst. Die nächsthöhere Stufe der EU-Norm toleriere Temperaturen bis 40 Grad und werde beispielsweise auf Spanien angewandt.
Nach Angaben des Fahrgastverbandes Pro Bahn sind der Deutschen Bahn die Probleme mit den Klimaanlagen seit mindestens eineinhalb Wochen bekannt gewesen. Der Rechtsexperte des Verbandes, Rainer Engel, sagte dem Bielefelder „Westfalen-Blatt“ vom Mittwoch, mit der steigenden Hitze hätten die Ausfälle vor allem in ICE-Halbzügen der zweiten Generation zugenommen. Diese Baureihe mit 44 Zügen stehe kurz vor einer Generalinspektion. Der Einsatz defekter Züge sei bewusst in Kauf genommen worden.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Zugchef
Der Chef des Bundesverbandes Verbraucherzentralen (vzbv), Gerd Billen, forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Mittwoch eine „Strategie, die deutlich werden lässt, dass die Sicherheit der Fahrgäste die oberste Prämisse des Konzerns ist“. Hier seien Politik und Bahn gleichermaßen gefordert. Die Bahn müsse transparent machen, welche Mittel für welche Zwecke verwendet werden, sagte Billen.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt nach der Hitzepanne gegen den Zugchef wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung.
„Nach der ersten Durchsicht der Vorgänge wurde das Verfahren gegen den Zugchef eingeleitet“, sagte Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart am Mittwoch auf DAPD-Anfrage. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass er die ICE-Fahrt fortgesetzt habe, obwohl ihm bekannt war, dass die Klimaanlage ausgefallen sei.
„Es muss nun geprüft werden, ob der Zugchef tatsächlich als Verantwortlicher bestehen bleibt oder ob andere die Verantwortung tragen“, fügte der Oberstaatsanwalt hinzu. Zudem müssten Zeugenaussagen ausgewertet werden.
Gewerkschaften warnen vor Vorverurteilung
Die Gewerkschaften Transnet und GDBA wiesen darauf hin, dass „unsere Kolleginnen und Kollegen gerade in diesen Hitze-Tagen besonders unter diesem Klima zu leiden haben. Sie verrichten ihren Dienst unter extrem schwierigen Bedingungen.“ Hier könne die Bahn Abhilfe mit zusätzlichem Personal schaffen. Außerdem sei das Unternehmen Reisenden und Personal eine Beseitigung der Probleme schuldig.
Am vergangenen Wochenende fielen in mindestens drei Zügen der Deutschen Bahn die Klimaanlagen aus. Einer der Züge, der auf dem Weg von Berlin in Richtung Köln/Düsseldorf unterwegs war, wurde in Bielefeld gestoppt und evakuiert. Mehr als 40 Fahrgäste erlitten wegen der extremen Hitze bis zu 50 Grad im Zug zumeist einen Kreislaufkollaps und mussten in Bielefeld behandelt werden. (apn/ddp)