München. .
Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wächst laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weiter. Außerdem schrumpfe die Mittelschicht. Das schüre Ängste.
Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich in Deutschland immer weiter. Einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge gibt es nicht nur mehr Arme, sie werden auch ärmer. Gleichzeitig nehmen demnach Einkommen und Anteil der Wohlhabenden zu, während die Mittelschicht schrumpft. Angesichts dieser Zahlen kritisierten die Forscher das Sparpaket der Bundesregierung als zu einseitig. Es verschärfe die Entwicklung.
Die Studie stellt für den Zeitraum von 2000 bis 2009 eine Polarisierung der Einkommen fest. Der Anteil der Armen stieg in diesem Zeitraum demnach von 18 auf fast 22 Prozent. Gleichzeitig sank ihr durchschnittliches Nettoeinkommen inflationsbereinigt von 680 Euro auf 677 Euro. Ihr Rückstand auf die wachsenden Einkommen der Reichen und der Mittelschicht stieg. „Das heißt nichts anderes, als dass die Ärmeren nicht nur immer mehr geworden sind, sondern sie im Durchschnitt auch immer ärmer werden“, schreiben die Forscher.
Forscher sehen Stabilität der Gesellschaft bedroht
Bei den Reichen legte der Durchschnittsverdienst von 2.569 auf 2.672 Euro zu. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg leicht von 15,6 auf 16,8 Prozent. Im Jahr 2008 lag er sogar bei 18,8 Prozent, bevor ihn die Krise sinken ließ.
Das Einkommen der Mittelschicht stieg seit 2000 von 1.287 auf 1.311 Euro pro Person. Ihr Anteil schrumpfte aber von mehr als 64 auf 60 Prozent der Bevölkerung. Hier gebe es einen langfristigen und besorgniserregenden Trend. In den vergangenen Jahren seien immer mehr Menschen in die Schicht derer gerutscht, die nur niedrige Einkommen erzielen könnten, schreiben die Forscher. Dies löse bei der Mittelschicht starke Ängste vor einem Verlust ihres Status aus, warnen die Forscher. Es könne gar zu „Statuspanik“ kommen.
Die Mittelschicht sei der Verlierer des vergangenen Jahrzehnts, und dies bedrohe auch die Stabilität der Gesellschaft: „Gerade bei den mittleren Schichten, deren Status sich auf Einkommen und nicht auf Besitz gründet, besteht eine große Sensibilität für Entwicklungen, die diesen Status bedrohen.“ Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass könnten sich ausbreiteten, warnen die Forscher.
Kritik am Sparpaket
Wer als arm und wer als reich gilt, machen die Forscher am Medianeinkommen fest. Dieser Wert bezeichnet das Einkommen jenes Haushalts, der genau in der Mitte liegt, also weniger verdient als die reicheren 50 Prozent und mehr als die ärmeren 50 Prozent. Diese Schwelle lag für Single-Haushalte im Jahr 2005 bei 1.229 Euro. Als arm galt, wer weniger als 70 Prozent dieser Summe - also weniger als 860 Euro - zu Verfügung hatte, als reich wer 150 Prozent oder mehr einnahm - also 1.844 Euro und aufwärts.
Das Sparpaket beurteilen die Wissenschaftler angesichts der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und reich sehr kritisch. DIW-Ökonom Jan Goebel kritisierte, dass die bisherigen Vorschläge „eigentlich nur die unteren Einkommensbereiche betreffen. Wenn man den Trend sieht, den wir beobachten, dann muss man fragen: Warum sollen eigentlich die Menschen mit den hohen Einkommen keinen Sparbeitrag leisten?“
IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte der „Süddeutschen Zeitung“, die Ergebnisse zeigten, „wie die falsche Politik der vergangenen Jahre das soziale Gleichgewicht in Deutschland aus der Balance gebracht hat“. Das unsoziale Sparpaket präsentiere den Menschen eine Milliarden-Rechnung, „während die Verursacher Milliardengewinne in ihren Bilanzen ausweisen“ und die Spekulationen munter weiter gingen. (AP)