Berlin.
Bald verdienen Facharbeiter in den alten und neuen Bundesländern gleich viel Geld. Und zwar deutlich mehr Geld. Das ist das Ergebnis einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Für viele Betriebe könnte die Entwicklung allerdings fatal sein.
Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung erwarten Arbeitsmarktexperten eine Angleichung der Löhne für Fachkräfte in Ost- und Westdeutschland. Hauptursache ist der sich abzeichnende Fachkräftemangel, auf den sich viele Betriebe zudem schlecht vorbereitet haben, wie eine am Montag veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung ergab. Diese Situation könne für viele Betriebe „existenzbedrohend“ sein, sagte der Forscher Burkhart Lutz.
Die Studie des renommierten Soziologen Lutz zu den Auswirkungen der Personalentwicklung auf die Metall- und Elektrobranche zeigt auf, dass auf dem Arbeitsmarkt im Osten Deutschlands nur noch kurze Zeit der Überschuss an Nachwuchs-Fachkräften herrschen wird, von dem die Lage dort bislang geprägt war. „Die „demografische Falle“, die bisher zulasten der (vor allem jungen) Arbeitnehmer weit geöffnet war, schließt sich nunmehr sehr schnell“, heißt es in der Studie. Schon bald werde sich diese Falle erneut öffnen - „diesmal jedoch zulasten der Betriebe“.
Droht dem Osten eine neue Deindustrialisierung?
Die Betriebe in den neuen Bundesländern müssten sich auf diese sich ändernde Lage nun rasch reagieren, heißt es in der Studie. Der Wandel zwinge die meisten Unternehmen zu schnellen und tief greifenden Reaktionen, „wenn sie überleben wollen“. „Hierbei werden viele Betriebe in Bedrängnis geraten, da sie auf diesen Reaktionszwang, der gegenwärtig bereits sichtbar wird, weitgehend unvorbereitet sind.“ Dies werde viele Betriebe in eine existenzbedrohende Situation bringen, sagte Lutz der „Frankfurter Rundschau“ von Montag.
Im schlimmsten Fall drohe dem Osten „eine weitere Deindustrialisierungswelle“, sagte Lutz der „FR“. Die Dramatik des Fachkräftemangels werde bislang nicht hinreichend erkannt. „Wir betreiben derzeit eine Politik der Beschwichtigung“, sagte Lutz. Viele Betriebe verfügten bestenfalls über rudimentäre Fähigkeiten der Personalakquise und des Personalmanagements. Zudem machte die Studie eine Firmenkultur im Osten aus, die „es ausgesprochen erschwert, rechtzeitig - vor allem durch nachdrückliche Rekrutierung von jungen Arbeitskräften - solchen Entwicklungen vorzubeugen, die in absehbarer Zeit das Überleben des Betriebes in Frage stellen könnten.
Löhne werden steigen
Im Kampf um die besten Fachkräfte werden nach Ansicht Lutz“ die Unternehmen daher vor allem mit hohen Gehältern locken müssen: „Bei Neueinstellungen werden die Löhne explodieren“, sagte der Soziologe der „FR“. Das sei „eine Frage von wenigen Jahre, wenn nicht Monaten“. Der Zeitung zufolge rechnet auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) damit, dass ostdeutsche Gehälter für Industriefachkräfte das Westniveau erreichen werden.
Bislang liegen die Einkommen im Osten dagegen deutlich unter dem Westniveau. Berechnungen der Autoren der Studie mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Einkommen in der Metall- und Elektrobranche im Osten um rund ein Drittel unter den Verdiensten im Westen liegen. Dabei waren demnach die Unterschiede bei den Facharbeitern und Fachangestellten noch höher als bei Un- oder Angelernten.
Über einen Fachkräftemangel schon jetzt berichtete der Hightech-Sektor. Ein Drittel aller Unternehmen gebe an, dass dieser Mangel ihre Geschäftstätigkeit bremse, erklärte der Branchenverband Bitkom am Montag. Derzeit gebe es rund 20.000 offene Stellen, jede zweite Hightech-Firma suche neue Mitarbeiter. Auch in den kommenden Jahren werde der Fachkräftebedarf voraussichtlich über dem Angebot liegen. (afp)