Berlin. Das Risiko für Arbeitnehmer entlassen zu werden, ist in Deutschland äußerst groß. Das geht laut einem Medienbericht aus einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes hervor. Demnach haben 3,258 Millionen Menschen ihren Job seit Beginn der Wirtschaftskrise verloren.
Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise haben sich 17,8 Prozent mehr Beschäftigte neu arbeitslos gemeldet als in den zwölf Monaten zuvor. Insgesamt verloren nach einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des DGB 3,258 Millionen Menschen in Deutschland ihre Jobs. Allerdings zieht die Nachfrage nach Arbeitskräften inzwischen wieder an, wenn auch nur leicht: Der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BAX) stieg im Oktober zum dritten Mal in Folge um einen Punkt auf 125 Punkte.
«Entgegen der weit verbreiteten Annahme vom vermeintlichen restriktiven Kündigungsschutz in Deutschland sind die Fluktuation und das Entlassungsrisiko äußerst groß», bewertete der Autor der Studie des DGB, Wilhelm Adamy, das Ergebnis seiner Auswertung von Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA). Jeder neunte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte habe sich zwischen Oktober 2008 und September 2009 arbeitslos gemeldet.
Das geringste Arbeitsplatzrisiko trägt der am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie zufolge ausrechnet die Branche, die die Krise verursacht hat: Im Finanz- und Versicherungsgewerbe war die Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren, deutlich geringer als etwa in der Industrie. Bei weitem am stärksten betroffen waren Leiharbeiter.
Aderlass in der Industrie absolut am größten
Nach Branchen betrachtet, war der Aderlass in der exportabhängigen Industrie bei weitem am größten. 458.550 Beschäftigte aus dem Verarbeitenden Gewerbe meldeten sich seit Oktober 2008 arbeitslos, 54,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum - und das, obwohl 1,1 Millionen Mitarbeiter in Kurzarbeit waren, was der DGB-Studie zufolge einem Beschäftigungsäquivalent von 325.000 Arbeitsplätzen entsprach.
Die Leiharbeit war als Branche in absoluten Zahlen fast genauso stark betroffen wie die Industrie: 430.000 Leiharbeitskräfte verloren in diesem einen Jahr ihren Job. Setzt man allerdings die Gesamtzahl der Leiharbeiter in Beziehung mit der Zahl der Arbeitslosmeldungen, ergibt sich ein weit überproportionales Job-Risiko. 6,1 Prozent der Leiharbeiter waren nach den Berechnungen der BA pro Monat gezwungen, sich arbeitslos zu melden. In der Industrie lag diese Quote nur bei 0,6 Prozent, bei Banken und Versicherungen sogar nur bei 0,2 Prozent.
Bundesagentur sieht Abwärtstrend gestoppt
Die Bundesagentur kommentierte den neuerlichen Anstieg des BAX in Nürnberg mit den Worten: «Es scheint, dass der Abwärtstrend bei der Arbeitskräftenachfrage gestoppt ist und die Nachfrage sich zu stabilisieren beginnt.» Allerdings sei das Niveau nach dem tiefen Einbruch noch immer sehr niedrig. Vom Höchststand von 188 Punkten im Februar 2007 war der BAX bis Juli 2009 auf den Tiefststand von 122 Punkten gefallen, seither legte er um drei Punkte zu.
Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), Ulrich Blum, warnte unterdessen die Gewerkschaften vor der Forderung nach deutlich höheren Löhnen. «Wer jetzt an der Lohnschraube dreht, sorgt direkt für Entlassungen im kommenden Frühjahr», erklärte er in der «Leipziger Volkszeitung». Blum forderte die Gewerkschaften zu Augenmaß auf. Die Wirtschaft stehe nicht zuletzt wegen des steigenden Euros vor großen Schwierigkeiten. Zusätzlichen Druck über die Löhne könne sie nicht gebrauchen. (ap)