Essen. Bislang fehlt ein wirksamer Impfschutz gegen die Schweinegrippe. Dies sei auch ein Versäumnis der Pharma-Unternehmen, meint Prof. Stefan Kaufmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Produkte für eine Saison seien ökonomisch attraktiver als ein Dauerimpfstoff.

Über 30.000 Menschen haben sich weltweit mit dem Schweinegrippe-Virus infiziert, 145 starben, berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO. Bislang fehlt ein wirksamer Impfstoff. Prof. Stefan Kaufmann, Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin, macht im Gespräch mit Christopher Onkelbach dafür auch die Forschungpolitik der Hersteller verantwortlich.

Es sei für die Unternehmen ökonomisch attraktiver, jedes Jahr zur Grippewelle einen speziellen Impfstoff auf den Markt zu bringen als ein breiter wirksames Mittel zu entwickeln. „Wenn man die Forschung vor einigen Jahren umgestellt hätte, wären wir jetzt weiter”, sagte Kaufmann der WAZ. Impfstoffe, die jedes Jahr verkauft werden, seien wirtschaftlich interessanter. Die Pharma-Industrie widersprach. Man arbeite längst an Dauerimpfstoffen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung des Virus in Deutschland?

Kaufmann: Wir sind gut gerüstet, doch es gibt immer Unwägbarkeiten. Wir müssen beachten, dass sich die Grippe vor allem auf der Südhalbkugel in Ländern ausbreiten wird, die nicht über so hohe Standards verfügen. Wir können dann später von dieser Entwicklung getroffen werden. Man muss bedenken, dass jährlich 1,5 Milliaraden Menschen im Flieger sitzen. Dann helfen eigentlich nur noch Einschränkungen im Flugverkehr.

Wieso dauert die Impfstoff-Entwicklung so lange?

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Die Impfstoffentwicklung bei Grippe ist ein Standardverfahren. Man muss den Erreger entschlüsseln. Das ist geschehen. Der Impfstoff besteht aus getöteten Erregern und wird in Hühnereiern herangezogen. Neuerdings gelingt dies auch in Zellkulturen.

Bei der Produktion gelten hohe Sicherheitsanforderungen. Bis zur Herstellung vergehen drei bis vier Monate. Die Impfstoffhersteller sind bereits an der Grenze ihrer Kapazitäten.

Woran liegt das?

Sie werden für die Produktion von Impfdosen für die saisonale Grippe benötigt. Die müssen vor der Saison fertig sein. Die Kapazitäten werden dadurch ausgelastet. Jetzt wird zusätzlich ein zweiter Impfstoff benötigt. In Deutschland aber werden wir wohl über genügend Impfstoff verfügen.

Könnte man nicht breiter wirksame Impfstoffe herstellen, die nicht nur auf den jährlichen Grippevirus zugeschnitten sind?

Doch. Damit muss man jetzt beginnen. Doch es war bislang ökonomisch attraktiver, jedes Jahr einen speziellen Impfstoff herzustellen. Man kann mit bestimmten Tricks dafür sorgen, dass Impfstoffe potenter werden. Breiter wirkende Stoffe herzustellen wird aber nicht von heute auf morgen möglich sein.

Wieso haben die Hersteller nicht schon begonnen?

Impfstoffe, die jedes Jahr verkauft werden, sind ökonomisch attraktiver als ein breiter wirkender Stoff, der nur alle zehn Jahre verabreicht wird. Doch mit der Pandemie wächst die Bereitschaft für ein Umdenken.

Lohnt sich die Entwicklung von Impfstoffen für die Hersteller zu wenig?

Der Impfstoffmarkt hat in den meisten Fällen geringe Gewinnmargen. Es ist möglich, dass deshalb nicht so intensiv geforscht wurde. Auch die Pharmaindustrie muss ja sehen, wo das Geld herkommt.