Essen. Ausgerechnet am umsatzstarken Gründonnerstag ruft Verdi zu Streiks bei Lidl, Kaufland und Co. auf. Ist das angemessen? Ein Kommentar.
Die Streiks der Lokführer sind gerade beendet, da geht es munter weiter an der Arbeitskampf-Front in Deutschland: Am Gründonnerstag will Verdi wieder im Einzel- und Großhandel die Muskeln spielen lassen. Den Tag vor Karfreitag hat sich die kampagnenerfahrene Gewerkschaft nicht von ungefähr ausgesucht. Er gilt als der umsatzstärkste des Jahres, an dem noch mehr Kundinnen und Kunden in die Supermärkte und Discounter strömen als kurz vor Weihnachten.
Verdi weiß, dass Arbeitsniederlegungen die Händler – allen voran Lidl und Kaufland – am Gründonnerstag empfindlich treffen können. Denn kurz vor Ostern gehen vor allem Lebensmittel gut – für das große Familienfrühstück am Sonntag vor dem Eiersuchen, aber auch als Geschenke in Form von Schokohasen und anderen Süßigkeiten.
Nicht ausgeschlossen, dass Kundinnen und Kunden am Donnerstag noch länger in den Läden anstehen müssen. Manche werden dafür wenig Verständnis haben. Denn angesichts der zähen Tarifverhandlungen im Handel, die sich jetzt schon seit fast einem Jahr hinziehen, zahlen Konzerne wie Rewe, Edeka, Lidl, Kaufland oder Aldi ihren Beschäftigten bereits zehn Prozent mehr – freiwillig.
In den Tarifverträgen ist das ordentliche Plus freilich noch nicht verankert. Und genau hier liegt der Grund, warum Verdi – zu Recht – misstrauisch bleibt. Zumal die Gewerkschaft ausgerechnet haben will, dass die freiwillige Erhöhung die Kaufkraftverluste durch den rasanten Anstieg der Inflation in den Jahren 2022 und 2023 nicht ausgleiche.
Frauen im Handel droht Altersarmut
Darauf haben die fünf Millionen Beschäftigten im deutschen Handel aber einen Anspruch. Die Mehrheit von ihnen sind Frauen, die in Teilzeit arbeiten, um sich parallel um ihre Familien zu kümmern. Angesichts eines durchschnittlichen Vollzeitgehalts von gerade einmal 2600 Euro brutto pro Monat droht vielen von ihnen die Altersarmut.
Aus Sicht der Betroffenen und der Verbraucher wird es also Zeit, dass sich Verdi und Händler zusammenraufen. Bei der Deutschen Bahn haben wir gerade sehen, dass tragbare Kompromisse immer möglich sind.
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