Essen. Deutschlands Marktführer Eon will die Grundversorgungstarife erstmal stabil halten. Die Verbraucherzentrale NRW sieht dies kritisch.
Deutschlands größter Energieversorger Eon rechnet für die nahe Zukunft nicht mit einer spürbaren Entlastung bei den Strom- und Gaspreisen für Privathaushalte. Zumindest in der Grundversorgung stehe „in den nächsten Monaten keine Anpassung an“, erklärt Eon-Finanzchef Marc Spieker bei der Bilanzpressekonferenz in Essen auf Nachfrage von Journalisten. Im vergangenen Herbst habe Eon bereits angesichts gefallener Großhandelspreise die Tarife für Millionen Privatverbraucher gesenkt, so Spieker. Das Unternehmen werde erneut handeln, falls es Spielräume dafür gebe. Die Verbraucherzentrale NRW appelliert indes an den Branchenriesen, die Preise in der Grundversorgung zu senken. Das Vergleichsportal Verivox rät insbesondere Kunden mit älteren Energieverträgen, einen Anbieterwechsel zu prüfen.
Eon hat eigenen Angaben zufolge rund 14 Millionen Strom- und Gaskunden in Deutschland. „Da haben nicht alle den gleichen Vertrag“, gibt Spieker zu bedenken. Die Zahl der Grundversorgungskunden liege im „unteren bis mittleren einstelligen Millionenbereich“, erklärt der Konzern auf Nachfrage. Auch in diesem Jahr werde es „für den einen oder anderen Sondervertrag“ bei Eon Preisveränderungen geben, sagt Spieker noch. Weiter ins Detail geht er nicht.
Bestimmte Kostensteigerungen für die Verbraucher sind bereits absehbar: Ab April steigt die Mehrwertsteuer auf Gas von sieben auf 19 Prozent. Diese Erhöhung werde Eon an die Verbraucher weitergeben, sagt Konzernchef Leonhard Birnbaum.
Rund 14 Millionen Kunden bei Eon in Deutschland
Die Zahl der bundesweit rund 14 Millionen Kunden bei Eon sei trotz einer regelmäßigen Fluktuation „relativ stabil“, berichtet Birnbaum bei der Jahresbilanz. Der Essener Energieversorger ist außerdem an zahlreichen Stadtwerken in Deutschland beteiligt. Zur Eon-Tochterfirma Westenergie gehören etwa 130 Stadtwerke-Beteiligungen – mit kommunalen Unternehmen wie ELE in Gelsenkirchen, RWW in Mülheim, DEW21 in Dortmund und den Stadtwerken in Essen sowie Rhein-Energie in Köln.
Die Preise an den Großhandelsmärkten, an denen Versorger wie Eon einkaufen, hätten in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich nachgegeben, sagt Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW. „Die Grundversorgungstarife von Eon spiegeln das recht niedrige Niveau an den Großhandelsmärkten noch nicht wider“, bemerkt die Energieexpertin. Der deutliche Preisrückgang der Börsenpreise müsste aus ihrer Sicht stärker gewichtet werden als der Anstieg der Stromnetzentgelte, den es vielerorts in Deutschland zu Beginn des Jahres gegeben habe.
„Stromkunden sollten auf jeden Fall raus aus der Grundversorgung“
In der Strom-Grundversorgung berechnet Eon nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW Preise je nach Netzgebiet zwischen 38,35 und 39,52 Cent für die Kilowattstunden – plus Grundpreis von knapp 200 Euro. Auf den Vergleichsportalen seien indes „vernünftige Angebote“ unter 30 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh) zu finden, je nach Wohnort sogar deutlich darunter, so die Verbraucherzentrale. Auch Eon selbst biete deutlich günstigere Sondertarife im Vergleich zur Grundversorgung an. Sie bewegten sich beim Strom zwischen 29 und 31 Cent pro Kilowattstunde.
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„Stromkunden sollten auf jeden Fall raus aus der Grundversorgung“, rät Christina Wallraf. „Man kann jederzeit mit zweiwöchiger Frist kündigen und wechseln. Für eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 3000 Kilowattstunden sei eine Ersparnis von etwa 300 Euro möglich.
Die Preise im Energie-Großhandel seien zuletzt deutlich gesunken, betont auch das Vergleichsportal Verivox auf Anfrage unserer Redaktion. Der Preis für eine Megawattstunde Strom habe vor zwölf Monaten noch bei rund 160 Euro gelegen, aktuell seien es rund 74 Euro – ein Minus von 54 Prozent. Der Preis für eine Megawattstunde Gas betrage an den sogenannten Spotmärkten aktuell etwa 25 Euro und sei damit 56 Prozent günstiger als noch vor einem Jahr.
Verbraucherzentrale NRW verweist auf „verkündete Milliardengewinne“ von Eon
„Der Krisenwinter ist ausgeblieben, das spiegelt sich bisher nicht in den Preisen der Grundversorgung wider“, urteilt Christiana Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW. Kunden mit schlechter Kreditwürdigkeit hätten „häufig Probleme, den Anbieter zu wechseln, und kommen nicht aus der Grundversorgung heraus“, merkt sie an. Beim Strom habe immerhin noch jeder vierte Haushalt einen Grundversorgungsvertrag, beim Gas knapp jeder fünfte Haushalt. „Die verkündeten Milliardengewinne erfordern, dass Eon nun auch in der Grundversorgung nachzieht und die Preise senkt“, fordert die Verbraucherschützerin.
Der Gas-Grundversorgungstarif sei mit 11 Cent pro Kilowattstunde deutlich teurer als andere Tarife von Eon, die ab zirka 8 Cent pro Kilowattstunde abgeschlossen werden könnten. Wettbewerber bieten nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW Gastarife ab etwa 7 Cent pro Kilowattstunde an. Die mögliche Ersparnis für eine Familie, die noch in der Grundversorgung sei, betrage 800 Euro im Jahr bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden.
„Wir raten Verbrauchern, die von Preiserhöhungen betroffen sind oder noch in älteren Tarifen stecken, die verfügbaren Angebote zu vergleichen und gegebenenfalls zu wechseln“, sagt Lundquist Neubauer vom Vergleichsportal Verivox. „Da die Neukundenpreise in den letzten Monaten deutlich gesunken sind, lohnt sich ein Anbieterwechsel derzeit häufig.“ Die Preisunterschiede zwischen der örtlichen Grundversorgung und dem günstigsten Neukundenangebot seien „aktuell so hoch wie nie“.
Die Eon-Jahresbilanz, die der Vorstand diesmal nicht in der Konzernzentrale, sondern in einem Testzentrum für Elektromobilität im Essener Norden vorgelegt hat, ist von Optimismus des Managements geprägt. Bis zum Jahr 2028 peilt Eon-Vorstandschef Birnbaum eine Gewinnsteigerung auf ein Konzernergebnis in Höhe von mehr als elf Milliarden Euro an. Schon mit Blick auf das zurückliegende Geschäftsjahr spricht Birnbaum von „erneut sehr guten Zahlen“. Die eigenen Erwartungen seien sogar übertroffen worden. Das bereinigte Konzernergebnis für 2023 liegt Unternehmensangaben zufolge mit 9,4 Milliarden Euro um 1,3 Milliarden Euro über dem Niveau des Vorjahres. Auch der Blick auf die kommenden Jahre sei „vielversprechend“, sagt Finanzchef Spieker.