Essen. Manager sehen Wohlstand in Gefahr, reden Klartext und rufen zum Widerstand auf. Das sagen die Chefs von Eon, Evonik, RWE und anderen.

Die Wirtschaft an Rhein und Ruhr positioniert sich in einer Umfrage unserer Redaktion klar gegen Rechts. Insbesondere die „Remigrations“-Pläne von AfD-Politikern, Menschen mit ausländischen Wurzeln massenhaft aus dem Land zu vertreiben, gefährde nicht nur das Image Deutschlands, sondern auch unseren Wohlstand. Dax-Konzernchefs, Mittelständler, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände finden klare Worte, sprechen über die AfD von „geistiger Brandstiftung“, „Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ und fordern die Menschen auf, sich dagegen zu wehren.

„Die AfD gefährdet unsere Wirtschaft“, sagte Evonik-Chef Christian Kullmann geradeheraus. Denn: „Wir leben vom Export, die wirtschaftliche Isolation würde uns in eine tiefe Krise stürzen. Wer einen Kurs der Abschottung fährt, der vernichtet Hunderttausende von Arbeitsplätzen.“ Gegenüber unserer Redaktion findet er sehr klare Worte zur AfD: „Mitglieder der Partei betreiben geistige Brandstiftung, indem sie darüber fabulieren, Menschen ihre Staatsbürgerschaft zu entziehen, die nicht dem Bild der Partei vom guten Deutschen entsprechen. Das hatten wir schon mal in Deutschland – das können und dürfen wir nie wieder zulassen.“

Evonik-Chef Kullmann: „Das dürfen wir nie wieder zulassen“

Warum die Vertreibungspläne gerade im Revier auf Ablehnung stießen, erklärte Vonovia-Chef Rolf Buch: „Wenn alle Menschen mit Migrationshintergrund das Ruhrgebiet verlassen würden, wäre es leer und sehr einsam bei uns“, sagte er. Und: „Es ist verrückt: Wir betreiben einen enormen Aufwand, um Fachkräfte aus Kolumbien für uns zu gewinnen, damit sie hier in Deutschland arbeiten können. Und da gibt es Menschen, die unsere Fachkräfte wieder wegschicken wollen, weil sie oder ihre Eltern nicht in Deutschland geboren wurden. Das darf nicht sein.“

Buch betonte, das Erstarken der Rechten werde „auch bei unseren Geschäftspartnern im Ausland mit Sorge beobachtet. Wir werden gefragt, was in Deutschland los ist“, sagte er. Denn: Wenn Mitglieder von Parteien, die im deutschen Bundestag vertreten sind, dezidierte Pläne zur Vertreibung von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutieren, schadet das nicht nur dem Image Deutschlands. Es beschädigt den Wirtschaftsstandort Deutschland.“

Leonhard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Energieversorgers Eon, sagte auf Anfrage: „Ein respektvoller, toleranter Umgang miteinander ist Teil unserer DNA, deshalb dulden wir keine Diskriminierung oder Hassrede. Damit positionieren wir uns auch klar gegen jede Form von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit.“ Birnbaums Mutter war eine Migrantin aus Italien, wie er unlängst auf dem Karriereportal LinkedIn schrieb. „Ich habe zwei Staatsbürgerschaften. Und für Eon ist die Möglichkeit, Talente nach Deutschland zu bringen, unverzichtbar. Viel mehr gibt es für mich zum Thema Remigration nicht zu sagen“, so der Eon-Chef.

Evonik-Chef Christian Kullmann positioniert sich klar gegen die AfD, die „geistige Brandstiftung“ betreibe.
Evonik-Chef Christian Kullmann positioniert sich klar gegen die AfD, die „geistige Brandstiftung“ betreibe. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Ähnlich äußerte sich Michael Lewis, der britische Chef des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper: Sein Unternehmen lege Wert auf „eine internationale Belegschaft“. Uniper sei „offen und international“, sagte er bei der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Er sei „persönlich komplett gegen die AfD“. Nach den jüngsten Enthüllungen über die Pläne der Partei sagte Lewis mit Blick auf die AfD: „Es ist gegen alles, was wir als Unternehmen glauben.“

Nach Enthüllungen des Recherchenetzwerks „Correctiv“ hat es Ende November im Potsdamer Landhaus Adlon ein Geheimtreffen rechtsextremer Kreise gegeben, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen haben. Dabei berieten sie unter dem Stichwort „Remigration“, wie Menschen mit Migrationshintergrund massenhaft aus dem Land vertrieben werden könnten.

Kirchhoff: „AfD ist für Demokratie und Arbeitsplätze eine Gefahr“

In der Sorge vor den Folgen des in Umfragen zu erkennenden Rechtsrucks im Land üben Gewerkschaften und Arbeitgeber den Schulterschluss. NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff sagte unserer Redaktion: „Immer deutlicher wird, welche gefährlichen Überzeugungen sich hinter der vermeintlich demokratischen Fassade der AfD verbergen. Diese Partei ist nicht nur für unsere Demokratie, sondern letztlich auch für unsere wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit und damit für Wohlstand und Arbeitsplätze eine Gefahr.“

Knut Giesler, IG-Metall-Chef in NRW, betont, die Positionen der AfD seien nicht im Sinne der Beschäftigten, wer diese Partei wähle, gefährde seinen Arbeitsplatz. 
Knut Giesler, IG-Metall-Chef in NRW, betont, die Positionen der AfD seien nicht im Sinne der Beschäftigten, wer diese Partei wähle, gefährde seinen Arbeitsplatz.  © FMN | Rudolf Karliczek

„Wer ausländische Fachkräfte durch Rassismus und ein fremdenfeindliches Klima abschreckt, gefährdet Standortinvestitionen in die Zukunft“, sagte Knut Giesler, IG-Metall-Chef in NRW. Der Gewerkschafter betonte zudem, dass die AfD eben nicht für die einfachen Leute eintrete, sondern für „die Schwächung von Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechten, die Beschneidung der Gewerkschaften oder den Abbau des Sozialstaats“. „Wer Rechte wählt, trifft also auch eine Wahl gegen seine eigenen Arbeitsbedingungen und seinen Arbeitsplatz“, so Giesler.

RWE-Chef Krebber: Verfall in Nationalismus ist keine Lösung

RWE-Chef Markus Krebber, der gerade beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos mit Managern aus aller Welt netzwerkt, berichtet via LinkedIn, dass er in vielen Gesprächen „die Unsicherheit“ spüre, „die durch die Kriege und Krisen entstanden ist“. Der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Stromerzeugers betont: „Ganz sicher keine Lösung ist der Verfall in Nationalismus, der gerade in Deutschland zur größten historischen Katastrophe geführt hat. Freiheit, Toleranz, ein vereintes Europa, internationaler Austausch – das sind die Werte, die es zu verteidigen gilt.“ Krebber lobt deshalb die vielen Demonstrationen gegen Rechts in Deutschland: „Das zeigt, dass unsere Demokratie wehrhaft und lebendig ist.“

Thyssenkrupp-Personalvorstand und Marine-Chef Oliver Burkhard fordert die Menschen ausdrücklich dazu auf, sich an den Demos gegen Demokratiefeinde zu beteiligen: „Jetzt ist es die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen zu zeigen: Wir sind die Mehrheit, wir sind laut und wir sind weltoffen“, schreibt er auf LinkedIn. Thyssenkrupp-Chef Miguel López nannte den AfD-Aufschwung unlängst in einem Handelsblatt-Interview „nicht nur für die Industrie, sondern gesamtgesellschaftlich gefährlich“. Auch er forderte auf: „Wir sollten alles gegen Diskriminierung und Hass tun. Die AfD schadet Deutschland“, so der Deutsch-Spanier.

Thyssenkrupp-Chef Lopez: „Wir sollten alles gegen den Hass tun“

RWE-Chef Krebber belässt es nicht bei Kritik an den Rechtsextremen, sondern betont indirekt auch die Mitverantwortung der aktuellen Ampel-Regierung. Viele Bürgerinnen und Bürger würden sich „auch deshalb aus der politischen Mitte zurückziehen, weil sie echte Sorgen und Nöte haben“. Diese Probleme müsse die Politik beherzter anpacken, um jene, „die sich abwenden, zurückzugewinnen“, fordert Markus Krebber.

Denn die Konzernchefs sehen durch den Rechtsruck nicht nur die Wirtschaft in Gefahr, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zu den handfesten wirtschaftlichen Gründen, sich von der AfD abzugrenzen, komme noch „ihr Kurs der gesellschaftlichen Spaltung“, betont Evonik-Chef Kullmann. Kämpferisch äußert sich in diesem Zusammenhang der Unternehmer und Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff: „Wer Unsicherheit sät, Ängste schürt und auf Abschottung und Ausgrenzung setzt, wird auf den entschiedenen Widerstand der Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land stoßen“, kündigt er an. „Wir setzen auf Weltoffenheit, Toleranz und Miteinander. Diese Haltung ist unverrückbar und wird in unseren Betrieben und von unseren Belegschaften seit Jahrzehnten gelebt – gerade hier im Ruhrgebiet.“

Ökoworld-Vorstand: Nicht zulassen, dass Neonazis unser Land infrage stellen

Torsten Müller, Vorstand der Hildener Ökoworld AG, zielt direkt auf die Teilnehmer des Geheimtreffens ab: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Deutschland von Neonazis wie denen, die sich im Landhaus Adlon getroffen haben, und anderen infrage gestellt wird. Wir dürfen nicht auf Bauernfänger mit vermeintlich einfache Lösungen hereinfallen, wie es Deutschland schon einmal tat. Nie wieder ist jetzt“, sagte er unserer Redaktion.

Er habe „die Sorge, dass die Fundamente, auf denen unser Land steht, erodieren“, meint Peter Güllmann, Vorstandssprecher der Bank im Bistum Essen. Die Populisten würden lauter und die Zivilgesellschaft müsse dem etwas entgegensetzen. Und: „Auch die Wirtschaft hat hier eine Verantwortung und muss sich klar gegen alle Feinde der Demokratie positionieren“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Flughafen-Chef: Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland

Der Geschäftsführer des Düsseldorfer Flughafens, Lars Redeligx, sagte im Deutschlandfunk, solche Abschiebediskussionen machten es notwendig, sich zu äußern. „Diese verfassungsgefährdenden Gedanken sind Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte er. „Es bedroht unser friedliches Zusammenleben, es bedroht unseren Wohlstand und sendet ein fatales Signal in die Welt.“