Essen. Drei Tage will die GDL den Bahnverkehr in NRW lahmlegen, das wird wieder viele Pendler ärgern. Ein Lokführer erklärt, warum er trotzdem streikt.

Bahnpendler mögen die dunklen Monate nicht, volle Züge, Verspätungen, Ausfälle sind bei den aktuellen Kühlschranktemperaturen und im Regen noch unangenehmer als sonst. Wenn jetzt auch noch die Lokführer streiken und ab Mittwochfrüh nichts mehr geht, werden viele Pendler fluchen. Patrick Hohmann weiß, dass er und seine Kollegen mit ihrem Warnstreik den Leuten auf die Nerven gehen. Warum sie es trotzdem tun, wie die Wechselschichten viele an ihre Belastungsgrenze bringen, erklärt der 34-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion.

„Es macht uns keinen Spaß, die Leute stehen zu lassen“, schickt er gleich vorweg, „aber der aktuelle Zustand der Bahn ist so katastrophal, dass sich etwas ändern muss.“ Damit meint er die vielen Probleme, unter denen alle leiden – die Fahrgäste ebenso wie die Frauen und Männer vorne am Führerstand. Wegen der vielen Baustellen sei es derzeit kaum möglich, pünktlich zu sein. Dass die Fahrgäste sich darüber ärgern, versteht Patrick Hohmann gut, aber: „Wir haben dann auch später Feierabend.“ Dabei sammelten sie alle ohnehin Überstunden ohne Ende, in der Regel habe jeder 100 bis 300 angehäuft.

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Die Stammlinien des Lokführers sind etwa die S-Bahnen S1 und S6 zwischen Düsseldorf und dem Ruhrgebiet. Sie werden von Mittwochfrüh bis Freitagabend ebenso bestreikt wie die meisten Regionalbahnstrecken. Wegen des enormen Personalmangels führen viele Kollegen derzeit 50 bis 60 Stunden die Wochen, sagt Hohmann. Die hohe Tarifforderung der Lokführergewerkschaft GDL von 555 Euro mehr im Monat solle helfen, mehr Nachwuchs und Quereinsteiger für diesen Job zu gewinnen. Was viele abschreckt, ist zudem der Wechselschichtdienst. Die GDL fordert deshalb nicht nur eine Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden, sondern auch maximal fünf Arbeitstage in Folge, längere Ruhezeiten zwischen den Schichten und den Wegfall der Pflicht, Überstunden leisten zu müssen.

GDL-Streik: Wechselschichten und Überstunden machen den Lokführern zu schaffen

Was Wechselschichten bedeuten, erklärt Patrick Hohmann, seit 2012 Lokführer bei der DB Regio: „Wir haben jeden Tag einen anderen Dienstbeginn, mal um 3 Uhr morgens, mal um 22 Uhr abends. Wir fahren meist sechs Tage, haben dann einen Tag frei, die reelle Fünf-Tage-Woche gibt es in der Praxis nicht. Die meisten Wochenenden fahren wir auch, eines muss eigentlich pro Monat frei sein, aber wegen des Personalmangels werden wir oft gefragt, ob wir einspringen können.“ Schließlich geht die Erkältungswelle aktuell auch an den Lokführern nicht vorbei. Und wegen der vielen Verspätungen dauere der Arbeitstag derzeit meist zehn Stunden und länger.

„Die Kollegen leiden unter diesen Bedingungen“, sagt Hohmann, der seit kurzem Betriebsrat bei der DB Regio in Düsseldorf ist. Deshalb geht er davon aus, dass es eine sehr hohe Streikbereitschaft gebe. Dazu muss man wissen, dass für seinen Betrieb nicht der GDL-Tarif gilt, sondern der schlechtere der Eisenbahnergewerkschaft EVG. Durch das Tarifeinheitsgesetz wurden die Bahn-Betriebe in grüne (GDL) und blaue (EVG) unterteilt, in denen jeweils der Tarif der Mehrheitsgewerkschaft gilt. Im EVG-Tarif stehen etwa 39 Wochenstunden. Trotzdem dürften die Lokführer auch in dem blauen Betrieb streiken, betont die GDL. Denn: „Wir werden von der Bahn massiv benachteiligt“, sagt Hohmann.

Mehr Lohn und bessere Arbeitszeiten sollen mehr Nachwuchs anlocken

Dass bei einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit zwangsläufig zunächst einmal noch mehr Überstunden anfallen, ist dem gelernten Kfz-Mechatroniker bewusst. Auch hier hofft er darauf, dass attraktivere Arbeitszeiten langfristig mehr Nachwuchs anlocken und so für Entlastung der Stammbelegschaft sorgen können.

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Die Gestaltung der Arbeitszeit ist nicht von ungefähr der Hauptkonfliktpunkt in den laufenden Tarifverhandlungen. Als Lohnerhöhung hat die Bahn in der ersten Runde immerhin elf Prozent angeboten, allerdings verteilt auf eine Laufzeit von 32 Monaten. Dazu eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro, die GDL unter ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky fordert 3000 Euro.

Während über die Punkte verhandelt werden kann, lehnt die Bahn die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich grundsätzlich ab. Das verschärfe den Personalmangel nur noch weiter, lautet ihr Hauptargument. Um das aufzufangen, müsse man zehn Prozent mehr Beschäftigte einstellen, was bei dem ohnehin engen Arbeitsmarkt unmöglich sei.

GDL hat sich mit Netinera und Go Ahead auf schrittweise Arbeitszeitreduzierung geeinigt

GDL-Chef Claus Weselsky verweist hingegen auf schon vereinbarte Abschlüsse mit den kleineren Eisenbahnunternehmen Netinera und Go Ahead. Dort hatte die GDL in den vergangenen Wochen die geforderte Arbeitszeitreduzierung durchgesetzt. Nach diesem Muster sollen nun auch die noch ausstehenden Abschlüsse gestaltet werden.

Im aktuellen Tarifstreit hat die GDL bereits zwei Mal zu Warnstreiks aufgerufen, die im Personenverkehr aber maximal 24 Stunden dauerten. Im Dezember hatte die Gewerkschaft ihre Mitglieder per Urabstimmung über unbefristete Streiks abstimmen lassen. Rund 97 Prozent der Teilnehmer sprachen sich dafür aus. Seither sind längere Streiks möglich.

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