Bochum. Volkswagen Infotainment hat große Pläne: Auf dem früheren Opel-Gelände in Bochum will die VW-Digitaltochter ab Januar durchstarten.

Eine VW-Tochterfirma zieht auf das ehemalige Opel-Gelände in Bochum: Zum Jahreswechsel will die Konzerneinheit Volkswagen Infotainment am neuen Standort starten, wie Tobias Nadjib, einer der Geschäftsführer der VW-Tochter, berichtet. Es sei eine bewusste Entscheidung für die Ruhrgebietsstadt. „Natürlich haben wir auch geprüft, ob ein Umzug nach Wolfsburg sinnvoll ist, haben uns aber bewusst für Bochum entschieden“, sagt Nadjib mit Blick auf den Konzernsitz in Niedersachsen. Der Einzug in die neue Bochumer Firmenzentrale ist für den 2. Januar geplant.

Dass Bochum bei der Standortwahl für die neue Firmenzentrale das Rennen gemacht hat, wird durch einen Blick auf die Historie des Unternehmens verständlich. Vor etwa zehn Jahren hat Volkswagen das europäische Forschungs- und Entwicklungszentrum vom Handyhersteller Blackberry übernommen. Blackberry hatte wiederum Fachkräfte des finnischen Nokia-Konzerns eingestellt, der sich einige Jahre zuvor aus Bochum zurückzog. Ein großer Teil der Belegschaft von Volkswagen Infotainment arbeitet derzeit noch am einstigen Nokia-Standort an der Stadtgrenze zu Herne.

„Dass wir aus den einstigen Nokia-Büros auf die ehemalige Opel-Fläche ziehen, hat auch eine symbolische Dimension“, sagt Tobias Nadjib im Gespräch mit unserer Redaktion. „Von der ursprünglichen Blackberry-Belegschaft in Bochum haben wir im Jahr 2014 rund 200 Kollegen übernommen. So sind wir gestartet. Mittlerweile hat sich unsere Mannschaft verfünffacht.“ Rund 1060 Mitarbeiter beschäftigt Volkswagen Infotainment derzeit. Die weitere Perspektive wird deutlich, wenn Nadjib die Pläne für die neue Firmenzentrale beschreibt. „In unserer neuen Zentrale wird es Raum für 800 Arbeitsplätze geben – und zusätzlich 800 Arbeitsmöglichkeiten“, so der VW-Manager.

Tobias Nadjib, Geschäftsführer von Volkswagen Infotainment in Bochum: Die Einheit „Infotainment“ fungiert als Software- und Hardware-Entwickler für den gesamten Volkswagen-Konzern mit seinen verschiedenen Marken wie Audi und Porsche.
Tobias Nadjib, Geschäftsführer von Volkswagen Infotainment in Bochum: Die Einheit „Infotainment“ fungiert als Software- und Hardware-Entwickler für den gesamten Volkswagen-Konzern mit seinen verschiedenen Marken wie Audi und Porsche. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die Einheit „Infotainment“ fungiert als Software- und Hardware-Entwickler für den gesamten Volkswagen-Konzern mit seinen verschiedenen Marken wie Audi und Porsche. „Aus unserer Entwicklung stammt ein Bauteil, das die Autos aus dem Volkswagen-Konzern mit dem Internet verbindet“, erklärt Nadjib. Das Bauteil befinde sich in allen Volkswagen-Autos, die aktuell hergestellt werden – in 153 Märkten weltweit. „Diese Märkte haben unterschiedliche Anforderungen. Wir müssen in Bochum jeden einzelnen Markt verstehen und unser Produkt entsprechend anpassen und weiterentwickeln.“

Zuerst Nokia, dann Blackberry, nun Volkswagen Infotainment

Um die Anforderungen innerhalb des VW-Konzerns zu bedienen, sei Volkswagen Infotainment auf Fachkräfte angewiesen, die gerade im Ruhrgebiet stark vertreten seien. „Wir finden in Bochum viele Kompetenzen, die sehr wichtig sind für uns: Aus der Tradition von Nokia und Blackberry das Thema Mobilfunk, mit dem Horst-Görtz-Institut und dem Max-Planck-Institut gibt es Stärken bei der IT-Sicherheit“, sagt Nadjib.

„Die Entwicklung in unserem Geschäft ist rasant“, berichtet der VW-Manager. Üblich sei bereits seit einiger Zeit, dass sich neu zugelassene Autos mit dem Internet verbinden, um den sogenannten „E-Call“ möglich zu machen. „Bei einem Unfall, auch bei einem Totalschaden, sollen die Fahrzeuge ein Notsignal aussenden, damit sich Rettungskräfte schnell auf den Weg machen können“, erklärt Nadjib. „Unser Bauteil verschickt dann unmittelbar ein Datenpaket an die nächste Leitstelle der Einsatzkräfte.“

Generell gehe es darum, Autos „kommunikationsfähig zu machen“, wie es Nadjib nennt. „Die digitale Vernetzung des Autos entwickelt sich mit großen Schritten.“ Die Potenziale seien groß und gingen weit über Internet-Telefonie und die Navigation unter Berücksichtigung von Stau-Meldungen hinaus. „Perspektivisch geht es unter anderem um den Einsatz von Wetterdaten, Autos als Stromspeicher und das autonome Fahren.“

Fahrzeughalle in Bochum für geheime Auto-Prototypen

Die neue Fahrzeughalle von Volkswagen Infotainment auf dem früheren Opel-Gelände in Bochum werde besonders gesichert, weil dort auch mit Auto-Prototypen gearbeitet werde, die noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien, berichtet der VW-Manager. Einen Zaun um das neue Gebäude habe Volkswagen Infotainment allerdings vermeiden wollen. „Es geht uns um eine offene Arbeitsatmosphäre“, sagt Nadjib. „Das neue Gebäude soll eine Begegnungsplattform sein.“ Den Beschäftigten wolle Volkswagen Infotainment „möglichst viel Flexibilität und Freiraum ermöglichen, damit sie kreativ und effizient arbeiten können“. Daher verzichte das Unternehmen auch auf Kernarbeitszeiten.

So sieht die neue Firmenzentrale von Volkswagen Infotainment in Bochum von außen aus – wenige Wochen vor dem Einzugstermin.
So sieht die neue Firmenzentrale von Volkswagen Infotainment in Bochum von außen aus – wenige Wochen vor dem Einzugstermin. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Entstehen soll ein Arbeitsumfeld in der neuen Firmenzentrale, in dem das Team von Volkswagen Infotainment die Digitalisierung des Autokonzerns voranbringen kann. „Wer sich nicht permanent verändert, hat es schwer“, sagt Nadjib. „Das zeigen ja auch mehrere Beispiele aus der Ruhrmetropole, die sich aber auch als sehr wandlungsfähig erwiesen hat. Wir stellen uns also auch die Frage: Was können wir daraus lernen?“

Eine neue „Volkswagen-Straße“ oder einen „VW-Platz“ wird es für die Bochumer Firmenzentrale nicht geben. Die Adresse werde Grete-Schickedanz-Straße lauten, berichtet Nadjib. „Ich werde oft gefragt, ob wir auch eine eigene Adresse bekommen mit der Marke Volkswagen“, sagt er. „Wir brauchen aber keine Volkswagen-Straße. Das sind Eitelkeiten, die eher schaden würden. Wir haben Unternehmenswerte definiert. Da steht an keiner Stelle: Eitelkeit.“

podcast-image