Essen. Die einen Azubis erhalten im ersten Lehrjahr die Mindestvergütung von 620 Euro, andere das Doppelte. Was der Nachwuchs in welchen Berufen erhält.
Endspurt auf dem Ausbildungsmarkt: Wer in diesem Jahr eine Lehre beginnen will, aber noch keinen Platz hat, muss sich sputen, hat bei Zehntausenden freien Ausbildungsstellen in NRW aber nach wie vor gute Chanchen. Dabei mehr auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu achten als auf die Höhe der Ausbildungsvergütung, raten Berufsberater den Jugendlichen gerne. Dass die trotzdem aufs Geld schauen, lässt sich ihnen bei den enormen Unterschieden aber kaum verdenken: Zwischen 620 und 1231 Euro erhalten Azubis im ersten Ausbildungsjahr monatlich, in den Folgejahren geht es bis auf 1580 Euro rauf. Das zeigt das WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Auswertung.
Das WSI hat die größten Berufsgruppen ausgewertet, in denen Auszubildende nach Tarif bezahlt werden. In vielen unterscheiden sich die Tarife je nach Bundesland. Hier der Überblick für NRW-Tarife im ersten Lehrjahr:
Die Unterschiede bleiben groß, werden dennoch tendenziell kleiner. Zu beobachten sind teils deutliche Reaktionen in den Berufen, die sich seit Jahren besonders schwer tun, Nachwuchs zu finden. „Die Tarifvertragsparteien reagieren hier auf sinkende Ausbildungszahlen und einen zunehmenden Fachkräftemangel, dem ohne eine deutliche Verbesserung der Vergütungsniveaus nicht entgegnet werden kann“, sagt Thorsten Schulten, Chef des WSI-Tarifarchivs.
So haben die Arbeitgeber im Bäckereihandwerk die Ausbildungsvergütung ab diesem August für das erste Lehrjahr um satte 26,5 Prozent angehoben – auf nun 860 Euro. Damit liegen sie allerdings immer noch im unteren Bereich, was die Bezahlung von Azubis angeht. Das gilt auch für die westdeutsche Floristik, in der mit 800 Euro immerhin 20 Prozent mehr gezahlt werden als vorher.
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Am wenigsten zahlen nach wie vor die Friseurbetriebe ihren Auszubildenden, in NRW liegt ihr aktueller Tarif sogar zehn Euro unter dem gesetzlichen Mindestbetrag von 620 Euro im Monat, ist damit nichtig. Das soll sich in der laufenden Tarifrunde nun allerdings ändern.
Im ersten Ausbildungsjahr zahlen öffentliche Pflegeeinrichtungen und -Dienste mit rund 1200 Euro am meisten. Eine gesonderte Tarifgruppe innerhalb des öffentlichen Dienstes macht das möglich – Bund, Länder und Gemeinden wollen so dem teils dramatischen Fachkräftemangel begegnen, der viele Experten bereits von einem Pflegenotstand sprechen lässt. Für die vielen privaten Altenheime und ambulanten Pflegedienste gilt dies freilich nicht, sie zahlen teils deutlich weniger.
Traditionell gut bezahlt werden Auszubildende bei Banken und Versicherungen. Wer wissen will, was er in seiner Lehre verdient, sollte aber auch darauf schauen, wie sich die Monatssätze im zweiten und dritten, zuweilen vierten Jahr entwickeln. Die größten Sprünge gibt es hier im Bauhauptgewerbe, das seit Jahren über massiven Nachwuchsmangel klangt und die Jugendlichen entsprechend mit mehr Geld locken will. Nach den eher mittelmäßigen 935 Euro im ersten Jahr geht es schon im zweiten auf 1230 hinauf, im dritten auf 1495 und im vierten auf 1580 Euro.
Im aktuellen Ausbildungsjahr drohen zum vierten Mal in Folge mehr als Zehntausend Lehrstellen in NRW unbesetzt zu bleiben. Ende Juni waren landesweit noch rund 52.000 Plätze frei – bei nur noch 42.000 Bewerberinnen und Bewerbern.