Oberhausen/Berlin. MAN Energy Solutions will sein Oberhausener Gasturbinen-Geschäft verkaufen. Ein Experte ist skeptisch. Die Käufer aus China melden sich zu Wort.

Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) blickt mit Spannung auf den geplanten Verkauf des Gasturbinen-Geschäfts der Volkswagen-Tochter MAN Energy Solutions, die in seiner Stadt ein großes Werk mit mehr als 1600 Beschäftigten betreibt. „Selbstverständlich ist uns in Oberhausen viel am Erhalt der Arbeitsplätze gelegen. Und auch die Produktschiene ist uns wichtig, wir sind gern Standort für die Gasturbinen-Herstellung, wollen eben auch Industriestandort bleiben“, sagte Schranz unserer Redaktion. „Dennoch ist klar: Bund und EU müssen jetzt entscheiden, wie stark europäische Technologie geschützt werden muss. Das werden wir abwarten müssen.“

MAN Energy Solutions will sein Geschäft mit Gasturbinen eigenen Angaben zufolge an ein chinesisches Unternehmen verkaufen. Ein Vertrag mit dem Gasturbinen-Hersteller CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co Ltd. (GHGT) sei in dieser Woche unterzeichnet worden. Die rund 100 betroffenen Beschäftigten an den Standorten in Oberhausen und Zürich sollen demnach vom Käufer aus China übernommen werden. Ein Großteil der Belegschaft befindet sich im Ruhrgebiet.

Die Voraussetzung für die Transaktion ist allerdings, dass es eine Zustimmung der Behörden gibt, also auch grünes Licht der Bundesregierung. Die Gasturbinen von MAN Energy Solutions können vom neuen chinesischen Eigentümer zur Energieerzeugung oder für Pipelines eingesetzt werden.

„Wir prüfen den Sachverhalt aktuell“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag (22. Juni) auf Anfrage unserer Redaktion. „Zu Details kann ich während eines laufenden Verfahrens keine Auskunft geben; auch nicht zu Zeitfenstern der Prüfung“, so eine Sprecherin des Ministerium. „Für den in Rede stehenden Erwerb gelten die Vorgaben der Investitionsprüfung. Prüfmaßstab ist in allen Verfahren immer, ob der konkrete Erwerb eine voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Deutschlands darstellt.“

Jurist: „Rechtlich dürfte die Bundesregierung das nicht genehmigen“

Der Rechtsanwalt und Außenwirtschaftsexperte Viktor Winkler zeigt sich überzeugt: „Den Kauf zu genehmigen, wäre rechtlich unvertretbar.“ Die Bedeutung der Energieversorgung habe sich seit dem vergangenen Jahr „rechtlich grundlegend gewandelt“, vor allem, was Abhängigkeiten Deutschlands angeht. „In dieser Situation den Kauf zu genehmigen, wäre daher vor 2022 nur juristisch angreifbar gewesen, seit 2022 wäre es aus meiner Sicht ein massiver Verstoß gegen sowohl deutsches als auch europäisches Recht“, sagt der Jurist.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben, mahnt indes dazu, die Debatte über Übernahme von deutschen Unternehmen durch Firmen aus dem Ausland müsse versachlicht werden. Das von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium werde auf Basis des bestehenden Außenwirtschaftsrechts prüfen, ob die Übernahme des Gasturbinengeschäfts von MAN Energy Solutions genehmigt werden könne. „Eine politische Vorwegnahme des Prüfergebnisses wäre nicht seriös“, so Houben. „Auch wenn sich die geopolitische Situation und unsere Einschätzung Chinas stark verändert haben, wäre es jedoch falsch, unseren Markt gänzlich gegenüber China abzuriegeln.“ Vielmehr stelle sich die Frage, „inwiefern es sich bei der Gasturbinentechnik um kritisches Know-how handelt, das nicht abfließen darf“. Die Bundesregierung sei nun gefordert, „jetzt rasch die bereits angekündigte Chinastrategie vorlegen“.

Grünen-Abgeordneter: China zugleich „Partner und Rivale“

Im vergangenen November hatte die Bundesregierung den Erwerb der Dortmunder Chipfabrik Elmos durch ein chinesisches Unternehmen untersagt. Die Bundesregierung prüfe bei Firmenübernahmen genau, wenn es um wichtige Infrastrukturen gehe oder wenn die Gefahr bestehe, dass Technologie an Erwerber aus Nicht-EU-Ländern übergehe, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium in diesem Zusammenhang. „Natürlich ist und bleibt Deutschland ein offener Investitionsstandort, aber wir sind eben auch nicht naiv“, betonte Wirtschaftsminister Habeck nach einer Kabinettsitzung, bei der es um den Fall Elmos ging.

Mit Blick auf MAN Energy Solutions sagt der Grünen-Abgeordnete Maik Außendorf: „Es ist gut, dass es eine Prüfung gibt.“ Das Ergebnis könne er nicht vorwegnehmen. Klar sei aber, dass China für Deutschland „gleichermaßen Partner und Rivale“ sei. „Wir müssen Investitionen von China in Deutschland immer auch strategisch sehen“, so Außendorf im Gespräch mit unserer Redaktion.

„Uns muss klar sein: China verfolgt bei seinen Investitionen in Europa immer wieder auch strategische Ziele“, sagt auch der CDU-Wirtschaftspolitiker Stefan Rouenhoff. „Das gilt nicht nur bei Spitzentechnologien. Deshalb ist die Bundesregierung gefordert, genau zu prüfen, ob die geplante Beteiligung die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Land beeinträchtigt.“ Es gehe aber um eine Abwägung: „Wir dürfen nicht dem Trugschluss unterliegen, dass jede chinesische Investition in Deutschland grundsätzlich schlecht ist. Die Bundesregierung steht deshalb in der Verantwortung, bei ihren Investitionsprüfungen die richtige Balance zu finden zwischen Marktoffenheit und Wahrung unserer Sicherheitsinteressen.“

MAN Energy Solutions will sich von Gasturbinen-Geschäft trennen

Der VW-Tochterkonzern MAN Energy Solutions betont, das Gasturbinen-Geschäft, das an den chinesischen Konzern verkauft werden soll, stehe „nicht mehr im Zentrum der Wachstumsstrategie“. Seit Jahrzehnten beliefert MAN Energy Solutions Chemie-, Öl- und Gaskonzerne und stellt Bauteile für Schiffsmotoren her. Zunehmend will die VW-Tochter nun Anlagen fertigen, die im Kampf gegen den Klimawandel nützlich sein können. „Wir richten uns derzeit konsequent neu aus“, sagte Uwe Lauber, der Vorstandschef von MAN Energy Solutions, vor gut einem halben Jahr im Gespräch mit unserer Redaktion. „Schon jetzt lässt sich das an unseren Auftragseingängen ablesen, in Zukunft aber noch mehr. Ein Fünftel unserer Aufträge steht bereits im Zusammenhang mit Anlagen zur Dekarbonisierung. Bis zum Jahr 2030 streben wir an, dass mehr als die Hälfte unserer Produkte zur CO2-Reduzierung beiträgt.“

Beim geplanten Verkauf des Gasturbinen-Geschäfts nach China sei eine fünfjährige Standortgarantie für Oberhausen und Zürich vereinbart worden, so MAN Energy Solutions. Insgesamt geht es um rund 100 Beschäftigte, davon etwa 80 im Ruhrgebietswerk. An mehr als 120 Standorten beschäftige der Konzern eigenen Angaben zufolge rund 14.000 Mitarbeitende.

Neue Firma mit Sitz in Oberhausen: Guanghan Gas Turbine GmbH

Das chinesische Unternehmen CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co Ltd. (GHGT) entwickelt kleine und mittlere Gasturbinen im Leistungsbereich von fünf bis 50 Megawatt sowie Hochleistungs- und Verbrennungstechnologien. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der China State Shipbuilding Corporation (CSSC) und hat seinen Hauptsitz im chinesischen Harbin.

Das chinesische Unternehmen erklärte, es wolle am Standort Oberhausen künftig „wichtige neue Produkte und Technologien im Bereich kleine und mittlere Gasturbinen“ entwickeln. Dafür habe GHGT eine neue deutsche Tochtergesellschaft namens Guanghan Gas Turbine GmbH mit Sitz in Oberhausen gegründet. Sie werde 80 bis 90 Beschäftigte haben. Schwerpunkte sollen unter anderem bei Themen wie der Wasserstoff- und Ammoniakverbrennung liegen. Am Standort Zürich sollen Unternehmensangaben zufolge weiterhin bereits installierte Gasturbinen gewartet und damit verbundene Dienstleistungen angeboten werden – unter der Flagge einer schweizerischen Tochtergesellschaft (Guanghan Gas Turbine Schweiz AG) mit Sitz in Zürich und rund 20 Mitarbeitenden.