Essen. Beim Chemiekonzern Evonik soll das Kohlekraftwerk in Marl noch knapp ein Jahr lang laufen. Langfristig setzt Evonik aber auf grünen Strom.

Wegen der Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der Essener Chemiekonzern Evonik sein Kohlekraftwerk in Marl länger als geplant in Betrieb gelassen. Doch voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres soll damit Schluss sein, wie der Evonik-Vorstand bei der digitalen Hauptversammlung des Unternehmens berichtete. „Der Weiterbetrieb unseres Kohlekraftwerks in Marl – das war Nothilfe, um uns im Rekordtempo unabhängig von russischem Gas zu machen“, sagte Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann. „Wir haben dafür einen hohen Preis gezahlt, nicht nur monetär, sondern auch über eine kurzfristig höhere CO2-Last.“ Kurzfristig sei dies zwar richtig gewesen, aber langfristig gehe es um eine „grüne Transformation“ bei Evonik.

Ein Weiterbetrieb des Kohlekraftwerks in Marl sei nach jetzigem Stand bis Ende März 2024 möglich, sagte Evonik-Vorstand Thomas Wessel auf Nachfrage von Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Weitere Entscheidungen zu einem etwaigen Weiterbetrieb „liegen in der Hand des Gesetzgebers“, wie Wessel betonte. Im Marler Kraftwerk werde Steinkohle verbrannt, die in erster Linie aus den USA sowie aus Südafrika und Kolumbien stamme.

EnBW soll grünen Strom für Evonik liefern

Vorstandschef Kullmann betonte, Evonik wolle die Produktion insgesamt zunehmend mit erneuerbarer Energie bestreiten. Dafür habe der Chemiekonzern unter anderem langjährige Lieferverträge für grünen Strom mit dem baden-württembergischen Energiekonzern EnBW geschlossen. So bekomme Evonik Lieferungen von Windstrom aus der Nordsee garantiert. „Ab 2026 werden wir ein Drittel unseres Strombedarfs in Europa aus erneuerbaren Quellen decken“, so Kullmann. „Und das sind nur die ersten Schritte. Auch in Asien und Nordamerika arbeiten wir an ähnlichen Verträgen. Ab 2030 wird Evonik ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen zukaufen.“ So wolle der Chemiekonzern unabhängig von fossilen Brennstoffen werden und Sicherheit mit Blick auf die Energiekosten bekommen.

In Marl setzt Evonik auf ein Gaskraftwerk als Alternative zur Kohle. Mit der Umstellung von Kohle auf Erdgas reduziere der Konzern seine CO2-Emissionen um bis zu eine Million Tonnen jährlich, erklärte der Vorstand bei der Hauptversammlung. Dies sei „ein gewaltiger Schritt“. Das benötigte Erdgas beziehe Evonik vom Großhandelsmärkten für Energie. LPG, also Flüssiggas, setze Evonik „nur punktuell“ ein. Das LPG stamme in erster Linie aus lokalen Quellen als Nebenprodukt der Chemie- und Raffinerieproduktion. Ein langfristiger Bezug sei nicht geplant.

Perspektivisch könne das neue Erdgaskraftwerk auf Wasserstoff umgestellt werden. „Eine vollständige Umstellung, die wir mangels Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff frühestens in den 30er-Jahren erwarten, ist nach technischen Anpassungen mit vertretbarem Aufwand ebenfalls möglich“, so das Unternehmen.

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