Essen. Deutschlands Verbraucher profitieren unterschiedlich von einer Steuersenkung auf Erdgas. Das wirft nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion Fragen auf.
Dass Deutschlands Verbraucher zum Teil unterschiedlich durch eine Steuersenkung für Erdgas entlastet werden, wirft nach Einschätzung der Unionsfraktion im Bundestag Fragen auf. Das Finanzministerium habe den Energieversorgern „Spielräume bei der Art des Abrechnungszeitraums geschaffen“, heißt es in einer von Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auf den Weg gebrachten Anfrage an die Bundesregierung. „Somit werden einige Verbraucher länger und stärker von der Steuersenkung profitieren als andere.“
Hintergrund: Wegen der Energiekrise wird die Umsatzsteuer – umgangssprachlich Mehrwertsteuer – für Erdgas und Fernwärme von Anfang Oktober 2022 bis Ende März 2024 von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Dies sei ein wichtiger Schritt, „um den großen Druck, der auf vielen Bürgerinnen und Bürgern lastet, abzumildern“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Herbst zur Begründung. Doch die Steuersenkung kommt teils zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Umfängen bei den Bürgern an, da die Versorger zwischen unterschiedlichen Abrechnungsmodellen wählen können.
Den Anbietern sei ermöglicht worden, sowohl Zeiträume von 30 oder 36 Monaten dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu unterwerfen, so die Unionsfraktion im Bundestag. Dies führe „zu unterschiedlichen Preisen bei den Steuerpflichtigen“. In ihrer Anfrage fordert die Unionsfraktion die Bundesregierung nun zu einer Bewertung des Sachverhalts auf. Ist es zu rechtfertigen, dass Privathaushalte „unterschiedlich lange und damit unterschiedlich stark von der Umsatzsteuersenkung profitieren“?
Kunden der Stadtwerke Herten profitieren schon für ganz 2022 – bei Eon ist es anders
Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Herten zum Beispiel erhalten wegen eines Stichtagsmodells schon im Gesamtjahr 2022 die Steuersenkung, wie vor einigen Wochen eine Anfrage unserer Redaktion bei dem kommunalen Energieversorger ergeben hat. Bei vielen anderen Versorgern ist dies anders. Große Unternehmen wie der Essener Konzern Eon sowie die Stadtwerke aus Bochum und Duisburg betonen, unterschiedliche Abrechnungsmodelle seien erlaubt.
Die Hertener Stadtwerke zeigen sich jedenfalls überzeugt, mit dem Stichtagsmodell eine verbraucherfreundliche Herangehensweise gewählt zu haben. Eine Abrechnung erfolge zum 31. Dezember eines jeden Jahres.
Verbraucherzentrale NRW fordert „kundenfreundliches Stichtagsmodell“ für 2022
Deutschlands Marktführer Eon wendet dagegen eine Methode an, die in der Energiebranche „Zeitscheibenmodell“ genannt wird. „Maßgeblich für die Festlegung des Steuersatzes ist dabei nicht der Zeitpunkt der Rechnungsstellung, sondern der Verbrauch im jeweiligen Leistungszeitraum“, erklärte Eon. Ein Beispiel: Für das Jahr 2022 fallen neun Monate lang (Januar bis September) 19 Prozent Umsatzsteuer an, drei Monate lang (Oktober bis Dezember) sieben Prozent.
Die Verbraucherzentrale NRW erklärte auf Anfrage unserer Redaktion: „Wir sind der Ansicht, dass die reduzierte Umsatzsteuer auf Gas und Fernwärme, die für die Energieversorger nur ein durchlaufender Posten ist, so weitergeben werden sollte, dass die größtmögliche Entlastung für Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht wird.“ Verbraucherschützer Gregor Hermanni betont, die Umsatzsteuerentlastung der Bundesregierung sei an die Verbraucher gerichtet „und nicht an die Versorger, sodass das kundenfreundliche Stichtagsmodell für das Jahr 2022 zur Anwendung kommen sollte“.
Versorger können unterschiedlich abrechnen – mit Folgen für Verbraucher
Auch die Stadtwerke Duisburg haben sich bei den Abrechnungen für Erdgas für das „Zeitscheibenmodell“ entschieden. Bei der Fernwärme aber kommt in Duisburg das „Stichtagsmodell“ zur Anwendung. Das heißt: Bei einer Fernwärme-Abrechnung am 1. Oktober 2022 für die vergangenen zwölf Monate greift einheitlich ein Steuersatz von sieben Prozent.
Nach Darstellung von Versorgern ist auch ein „Hybridmodell“ bei den Umsatzsteuer-Abrechnungen möglich, wie es der Anbieter Vattenfall eigenen Angaben zufolge im Berliner Fernwärme-Geschäft praktiziert. Demnach berechnet Vattenfall für die Verbräuche vom Januar 2022 bis Ende März 2024 den verringerten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Dieses Modell habe sich „unter hohem internen Aufwand gerade noch fristgerecht realisieren“ lassen, so Vattenfall.
Auch der baden-württembergische Branchenriese EnBW verweist auf eine „ungekannte, massive Belastung und Herausforderung für die internen Prozesse der Energieunternehmen“ in der aktuellen Krise. Daher erkenne der Gesetzgeber verschiedene Abrechnungsarten als rechtmäßig an.
Wann und wie lange die Steuersenkung bei Gas und Wärme wirkt, hat für Verbraucher durchaus einen beträchtlichen Effekt. Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr soll durch Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent nach Angaben der Bundesregierung um knapp 400 Euro im Jahr entlastet werden.