Essen. Sieben statt 19 Prozent Mehrwertsteuer für Gas und Wärme: Bei einem Stadtwerk im Ruhrgebiet gibt es die Steuersenkung schon fürs ganze Jahr 2022.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher geht es um eine finanzielle Entlastung. Mit Blick auf die Staatskasse dürften schnell Millionensummen zusammenkommen. Klar ist: Wegen der Energiekrise wird die Umsatzsteuer – umgangssprachlich Mehrwertsteuer – für Erdgas und Fernwärme von Anfang Oktober 2022 bis Ende März 2024 von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Dies sei ein wichtiger Schritt, „um den großen Druck, der auf vielen Bürgerinnen und Bürgern lastet, abzumildern“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Herbst zur Begründung.

Doch die Steuersenkung kommt teils zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Umfängen bei den Bürgern an. In einigen Fällen kann die Steuerentlastung zwei Jahre lang wirken – und nicht nur 18 Monate. Denn Deutschlands Energieversorger rechnen die verringerte Umsatzsteuer teils unterschiedlich ab. Das hat eine stichprobenartige Umfrage unserer Redaktion bei Ruhr-Stadtwerken und bundesweit tätigen Anbietern ergeben.

Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Herten zum Beispiel profitieren wegen eines Stichtagsmodells schon für das Gesamtjahr 2022 von der Steuersenkung. Bei vielen anderen Versorgern ist dies anders. Große Unternehmen wie der Essener Konzern Eon sowie die Stadtwerke aus Bochum und Duisburg betonen, unterschiedliche Abrechnungsmodelle seien erlaubt. Das macht die Lage für Verbraucher unübersichtlich.

Die Hertener Stadtwerke zeigen sich jedenfalls überzeugt, ein verbraucherfreundliches Modell gewählt zu haben. Das Zauberwort lautet „Stichtagsmodell“. Eine Abrechnung erfolge zum 31. Dezember eines jeden Jahres. „Damit haben unsere Kundinnen und Kunden für Gas und Fernwärme für das gesamte Jahr 2022 von der gesunkenen Umsatzsteuer profitiert“, berichtet Kerstin Walberg von den Hertener Stadtwerken.

Marktführer Eon strebt einheitlich Entlastung für 18 Monate an

Deutschlands Marktführer Eon dagegen rechnet anders ab als das eher kleine Stadtwerk aus dem Ruhrgebiet. Eon wendet dabei eine Methode an, die in der Energiebranche „Zeitscheibenmodell“ genannt wird. „Maßgeblich für die Festlegung des Steuersatzes ist dabei nicht der Zeitpunkt der Rechnungsstellung, sondern der Verbrauch im jeweiligen Leistungszeitraum“, erklärt Eon. Ein Beispiel: Für das Jahr 2022 fallen neun Monate lang (Januar bis September) 19 Prozent Umsatzsteuer an, drei Monate lang (Oktober bis Dezember) sieben Prozent.

„Bei Anwendung des Zeitscheibenmodells profitieren alle Kundinnen und Kunden einheitlich für 18 Monate vom gesenkten Umsatzsteuersatz“, so Eon. „Dieses Modell ist damit aus unserer Sicht gerechter als das sogenannte Stichtagsmodell, bei dem einige Kundinnen und Kunden durch einen günstig gelegenen Abrechnungszeitraum höhere Entlastungen erhalten würden als andere Kunden.“

Auch die Stadtwerke Duisburg haben sich bei den Abrechnungen für Erdgas für das „Zeitscheibenmodell“ entschieden. Bei der Fernwärme aber kommt in Duisburg das „Stichtagsmodell“ zur Anwendung. Das heißt: Bei einer Fernwärme-Abrechnung am 1. Oktober 2022 für die vergangenen zwölf Monate greift einheitlich ein Steuersatz von sieben Prozent.

Nach Darstellung von Versorgern ist auch ein „Hybridmodell“ bei den Umsatzsteuer-Abrechnungen möglich, wie es der Anbieter Vattenfall eigenen Angaben zufolge im Berliner Fernwärme-Geschäft praktiziert. Demnach berechnet Vattenfall für die Verbräuche vom Januar 2022 bis Ende März 2024 den verringerten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Dieses Modell habe sich „unter hohem internen Aufwand gerade noch fristgerecht realisieren“ lassen, so Vattenfall.

Es geht um einige hundert Euro Entlastung bei den Steuern

Auch der baden-württembergische Branchenriese EnBW verweist auf eine „ungekannte, massive Belastung und Herausforderung für die internen Prozesse der Energieunternehmen“ in der aktuellen Krise. Daher erkenne der Gesetzgeber verschiedene Abrechnungsarten als rechtmäßig an.

Wann und wie lange die Steuersenkung bei Gas und Wärme wirkt, hat für Verbraucher durchaus einen beträchtlichen Effekt. Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr soll durch Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent nach Angaben der Bundesregierung um knapp 400 Euro im Jahr entlastet werden.

Einige Stadtwerke sehen das „Stichtagsmodell“, wie es in Herten gilt, kritisch. Je nach Abrechnungstag sei es möglich, dass Kunden unterschiedlich lang von der Steuersenkung profitieren, wird bei den Bochumer Stadtwerken argumentiert. Auch die Stadtwerke Essen und der Versorger ELE aus Gelsenkirchen wollen die Steuersenkung anteilig berücksichtigen – so wie es auch der Marktführer Eon vorhat, der an vielen Stadtwerken beteiligt ist.

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