Essen. Der Stahlkonzern Salzgitter hat ihn schon, Thyssenkrupp möchte ihn noch bekommen: einen Förderbescheid vom Bund. Eine Schlüsselrolle hat Habeck.

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Mai bei Thyssenkrupp in Duisburg vorbeischaute, schien die Welt der Stahlarbeiter noch in Ordnung zu sein. Ein Modell, wie der Standort in einigen Jahren aussehen soll, stand bereit. Zu sehen: ein beeindruckender Anlagenpark für die Produktion von „grünem Stahl“. Der Präsident konnte in die Rolle des Mutmachers schlüpfen. „In Deutschland wollen wir, vielleicht müssen wir den Beweis erbringen“, so Steinmeier, „dass klimafreundliche, klimagerechte Stahlerzeugung in dieser Welt möglich ist“.

Doch wenige Wochen später dominiert wieder die Unsicherheit bei Thyssenkrupp. Während erste Arbeiten für den Aufbau der Hochofen-Nachfolgetechnologie in Duisburg laufen, wird hinter den Kulissen ums Geld gerungen. Im Mittelpunkt: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Führende Vertreter der IG Metall sehen sogar das Gesamtprojekt in Gefahr.

Offener Brief an den Minister

Was ist passiert? Einflussreiche Arbeitnehmervertreter – darunter Jürgen Kerner, der Vizechef des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats – befürchten, dass es Abstriche bei der fest eingeplanten staatlichen Förderung für das Duisburger Großprojekt geben könnte. Es geht um viel Geld: Allein das Auftragsvolumen für den NRW-Anlagenbauer SMS Group, der als Generalunternehmer auf dem Thyssenkrupp-Areal tätig werden soll, beträgt rund 1,8 Milliarden Euro. Auch für den späteren Betrieb hofft Thyssenkrupp auf staatliche Unterstützung. Doch in einem offenen Brief an Minister Habeck berichten die Arbeitnehmervertreter, es gebe „massive Widerstände“ in Brüssel und Berlin.

Zu möglichen Fördersummen will sich das Habeck-Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion nicht äußern. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat zugesagt, das Land werde bis zu 700 Millionen Euro beisteuern, um die Produktion von grünem Stahl zu ermöglichen. „Ich habe da richtig Bock drauf“, sagte Wüst am Rande des Steinmeier-Besuchs mit Blick auf den anstehenden Umbau.

Wie viel Geld kommt vom Bund?

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hatte vor einigen Monaten auf Anfrage der SPD-Landtagsfraktion erklärt, der Bund werde bei Thyssenkrupp voraussichtlich 70 Prozent der Fördersumme liefern, 30 Prozent das Land. Bevor die Milliarden des Bundes fließen, muss aber die EU-Kommission zustimmen – aus Wettbewerbsgründen. Alle Beteiligten könnten sich „darauf verlassen“, dass der Bund „seinen Teil beitragen wird“, sagt der Duisburger Grünen-Abgeordnete Felix Banaszak. „Ich bin sehr dafür, dass der Staat hier mit einem Milliardenbetrag unterstützt, aber es ist weder haushaltspolitisch noch beihilferechtlich selbstverständlich, dass die öffentliche Hand eine private Investition eines Konzerns zu gut drei Vierteln bezahlt“, betont er. „Hinter der Transformation müssen nicht nur Bund und Land stehen, sondern auch das Unternehmen selbst.“

Der Thyssenkrupp-Vorstand habe den Bau der neuen Anlage „trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Kürzung der Förderung des Bundes“ beschlossen, berichten die Arbeitnehmervertreter in dem Brief an Minister Habeck. Mit einer weiteren Verringerung der Förderung drohe dem gesamten Vorhaben das Aus. „Im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG würde eine weitere Kürzung der Förderung eine massive Diskussion über eine Rücknahme der Investitionsentscheidung auslösen“, heißt es in dem Schreiben, das mit einem Briefkopf von IG Metall und Thyssenkrupp versehen ist. „Nur mit Mühe ist es gelungen, die Entscheidung um einen Monat auf den 23. Juni zu schieben.“

Konkurrent hat schon eine Zusage

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff fordert Klarheit von Wirtschaftsminister Habeck. „Robert Habeck muss endlich begreifen, dass er nicht nur für Heizungen zuständig ist. Als Wirtschaftsminister trägt er auch eine große industriepolitische Verantwortung für unser Land.“ Sarah Philipp, Duisburgerin und parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, mahnt: „Das Projekt darf auf keinen Fall scheitern, denn es geht um Sicherheit für den Industriestandort Duisburg und tausende Beschäftigte.“

Das Habeck-Ministerium verweist darauf, dass es nicht nur um eine Förderung für Thyssenkrupp gehe, sondern auch um Vorhaben bei Salzgitter in Niedersachsen, bei SHS im Saarland sowie Arcelor-Mittal. Salzgitter hat bereits einen Förderbescheid erhalten – nach grünem Licht der EU. Mitte April überreichte Habeck den Förderbescheid während der „Hannover Messe“: 700 Millionen Bundesmittel, 300 Millionen vom Land Niedersachsen. Der Salzgitter-Konzern steuert eigenen Angaben zufolge mehr als eine Milliarde Euro bei.

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