Essen. Ex-Vorstände erhalten noch teils hohe Zahlungen ihrer früheren Arbeitgeber, zuweilen Millionen. Aktionärsschützer Tüngler kritisiert dies scharf.

Hohe Zahlungen an ehemalige Vorstandsmitglieder bringen Marc Tüngler auf die Palme. „Wer so viel Geld verdient, der kann sich auch selbst um seine Altersvorsorge kümmern“, sagt der Aktionärsschützer im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.

Ein Beispiel ist Thyssenkrupp: Die Liste der ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder, die noch Geld vom Unternehmen erhalten, ist lang. Sogar seit Jahren ausgeschiedene Manager werden laut Geschäftsbericht noch vom Essener Stahl- und Industriegüterkonzern mit Geld bedacht. Beim Energieversorger RWE hat der frühere Konzernchef Rolf Martin Schmitz der Bilanz 2022 zufolge Anspruch auf 3,05 Millionen Euro. Beim früheren Eon-Chef Johannes Teyssen – ausgeschieden Ende März 2021 – sind es drei Millionen Euro.

Neben Pensionszusagen dürften hierbei auch nachträglich ausgezahlte leistungsbezogene Gehaltsbestandteile eine Rolle spielen. Genaue Erläuterungen dazu gibt es in den Bilanzen nicht. Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sagt, die hohen Zahlungen an ehemalige Vorstände „lassen einen argwöhnisch und nachdenklich zurück“. Generell sei klar, ein Vorstand, der schon im Amt sehr gut verdiene, müsse „nicht auch noch auf Lebenszeit“ Zahlungen erhalten von einem früheren Arbeitgeber.

Tüngler verfolgt die Debatte über die Managergehälter seit Jahren. Als Mitglied der Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ wirkt er auch daran mit, Regeln für Vergütungen zu entwerfen. Diese Regeln sollen als eine Art Selbstverpflichtung der Unternehmen dienen.

„Es ist eine Katastrophe“

Eigentlich sollen Vergütungsberichte der Konzerne einfach und transparent zeigen, wie sich die Gehälter von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern zusammensetzen. Doch diesem Anspruch würden die Veröffentlichungen der Unternehmen meist nicht gerecht, kritisiert Tüngler. Kompliziert und zuweilen verwirrend seien die Vergütungsberichte. „Ich fasse es mal zusammen: Es ist eine Katastrophe“, sagt der Aktionärsschützer. Er vermute, oft wisse ein Vorstandsmitglied nicht einmal selbst, wofür das Geld am Ende fließe, so komplex sei das Regelwerk. „Macht es doch einfach, bitte“, fordert Tüngler, stellt aber zugleich fest: „Da traut sich keiner so richtig dran.“

Verdienen Vorstandsmitglieder börsennotierter Unternehmen zu viel? Diese Frage sollten sich insbesondere Aktionärinnen und Aktionäre stellen, sagt Marc Tüngler. „Die bezahlen das nämlich.“ Dass ausgerechnet bei Eon und RWE die Vergütungen der Chefs gestiegen sind, sei kaum noch zu vermitteln – mitten in der Energiekrise. So erhielt RWE-Chef Markus Krebber für 2022 rund 6,23 Millionen Euro, im Vergleich zum Vorjahr sind das 17 Prozent mehr. Bei Eon-Chef Leonhard Birnbaum erhöhte sich die Vorstandsvergütung ebenfalls – um 250.000 Euro auf 5,42 Millionen Euro. Das sind nur zwei Beispiele für hohe Gehälter von Vorständen. Auch in anderen großen deutschen Konzernen sind die Vergütungen millionenschwer.

Chefgehälter – auch eine Gerechtigkeitsfrage

Eine besondere Verantwortung liege bei den Aufsichtsräten, von denen die Vorstände kontrolliert werden sollen, so Tüngler. Dazu gehöre auch, angemessene Verträge zur Vergütung der Führungskräfte zu formulieren. „Als Aufsichtsrat muss man den Schneid haben zu sagen: Das sind unsere Konditionen.“

Eine gesetzliche Obergrenze für Vorstandsgehälter existiere nicht, merkt Tüngler an. In den vergangenen Jahren seien die Vorstandsgehälter tendenziell gestiegen – trotz oder womöglich sogar wegen einer Pflicht zur Offenlegung. Die Top-Manager können nun problemlos vergleichen, wer wie viel Geld bekomme. Dabei spielten Macht und Reputation eine Rolle. „Wo ist das Ende der Fahnenstange?“, fragt Tüngler. Es gebe in der Wirtschaft nach seiner Wahrnehmung eine Art „Schmerzgrenze“ – und die liege mittlerweile bei zehn Millionen Euro. Klar sei dabei: „Die Gerechtigkeitsfrage ist immer im Raum.“

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