Bochum. Bei einem Autokongress in Bochum warnt der Chef der Opel-Mutter Stellantis, Carlos Tavares, vor einem „Preiskrieg“ um Elektroautos.

In früheren Jahren dürfte Ferdinand Dudenhöffer froh gewesen sein, wenn er einen Opel-Chef bei seinem Bochumer Branchentreff „Car Symposium“ begrüßen konnte. Mit Carlos Tavares hat Dudenhöffer – so gesehen – einen guten Fang gemacht. Denn als Chef des Weltkonzerns Stellantis kann der Portugiese nicht nur für Opel sprechen, sondern auch für Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Dodge, DS, Fiat, Jeep, Lancia, Maserati, Peugeot und Vauxhall. Denn all diese Marken gehören zum Auto-Multi mit Sitz in den Niederlanden, den Tavares vor etwas mehr als zwei Jahren geformt hat.

Schnell wird in Bochum klar, warum der Stellantis-Chef den Ruf genießt, pointierte, zuweilen provokante Wortmeldungen zu mögen. Als Tavares in einem Nebenraum des Ruhr-Congresses vor einem Kreis von Journalisten in klarem Business-Englisch über die Zukunft des Autos spricht, klingt es nach einem Kulturkampf um die Mobilität. Nicht weniger als der Lebensstil westlicher Gesellschaften stehe auf dem Spiel, meint der Manager. Woher komme es denn, dass sich die öffentlichen Verkehrsmittel in den vergangenen 100 Jahren im Wettbewerb mit dem Auto nicht durchgesetzt hätten? „Warum haben die öffentlichen Verkehrsmittel den Kampf in den vergangenen 100 Jahren verloren?“, fragt Tavares.

Er jedenfalls habe nicht die Meinung, dass Autos „schlecht seien“, sagt der Stellantis-Chef. Wenn diese Ansicht zur Mehrheitsmeinung werde, müsse er das wohl akzeptieren. „Aber ist das die Mehrheitsmeinung in Europa?“ Allerdings: Es drohten „Top-Down-Entscheidungen“, vermutet Tavares – verordnet von oben nach unten. „Das ist eine politische Schlacht. Es geht nicht um Autos, es geht um den Lebensstil.“ Er wolle nicht in einer Gesellschaft leben, in der er um Erlaubnis bitten müsse, um am Wochenende 300 Kilometer wegfahren zu dürfen.

„Chinesischen und amerikanischen Touristen Kaffee servieren“

In der Analyse des Stellantis-Chefs steht das Auto für den Wohlstand westlicher Volkswirtschaften. In den vergangenen Jahrzehnten sei schon viel industrielle Wertschöpfung nach Asien abgewandert, betont Tavares. Wenn es so weitergehe, bleibe Europa womöglich noch ein attraktives touristisches Ziel für Chinesen oder Amerikaner, verliere aber seine Bedeutung als Produktionsstandort. Dann würden die Europäer in zehn Jahren „chinesischen und amerikanischen Touristen Kaffee servieren“, sagt Tavares – und wiederholt seine Botschaft, um sie zu verdeutlichen: „Wenn wir den Wettbewerb nicht annehmen, werden wir arm und servieren Kaffee.“

Auch in Frankreich, wo es zuletzt teils heftige Proteste gegen eine Anhebung des Renten-Eintrittsalters gab, sage er den unpopulären Satz: „Ihr müsst mehr arbeiten.“ Er halte nichts davon, Europas Wirtschaft mit Protektionismus gegen Wettbewerber aus anderen Weltregionen abzuschotten. Stattdessen sollte Bürokratie abgebaut und Technokratie bekämpft werden, so Tavares. Für die Wirtschaftswelt heiße das im Übrigen: „Weniger Powerpoints, weniger Meetings.“

„Es wird eine spannende Schlacht werden“

Seine eigene Industrie sieht Tavares vor harten Zeiten. Welche Hersteller und welche Volkswirtschaften werden sich im Geschäft mit der Elektromobilität durchsetzen? Blieben die Kostenstrukturen in Europa so, wie sie seien, werde jedes Elektroauto mit einem Kaufpreis von 25.000 Euro außerhalb des Kontinents produziert, sagt der Stellantis-Chef voraus. „Das ist eine sehr kraftvolle Methode, die Autoindustrie in Europa leerlaufen zu lassen“, warnt Tavares. Es drohe, dass „die europäische Autoindustrie von innen kollabiert“.

Wie eine Kampfansage hören sich auch die Worte an, die Tavares an Tesla-Chef Elon Musk richtet. „Elon ist ein Visionär. Ich respektiere ihn sehr“, sagt der Stellantis-Chef. Doch jetzt senke Musk die Preise, um seine ehrgeizigen Absatzziele zu erreichen. „Wenn jemand einen Preiskrieg“ anzettele, wären die Unternehmen mit der niedrigsten Rentabilität die ersten Opfer. „Es wird eine spannende Schlacht werden“, so der Stellantis-Chef. In der Autoindustrie bahne sich „Darwinismus“ an. „Willkommen in meiner Welt“, sagt Tavares. Dann eilt der Manager zum Dortmunder Flughafen. Ein Privatjet soll ihn schnell zum nächsten Termin nach Paris transportieren.

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