Essen. Zweifel an der Stahl-Strategie von Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz: In der IG Metall wird der Plan hinterfragt, die Stahlsparte abzuspalten.
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz will die Stahlsparte aus dem Konzern herauslösen. Das hat die Managerin schon vor Monaten angekündigt – umgesetzt ist das Projekt bislang nicht. In der Zwischenzeit hat allerdings das Land NRW angekündigt, viel Geld in den Duisburger Stahlstandort von Thyssenkrupp zu stecken. Auch von der Bundesregierung wird ein millionenschweres Hilfspaket erwartet. Damit verändert sich nach Einschätzung des früheren IG Metall-Chefs Detlef Wetzel die Lage. Wetzel ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Thyssenkrupp Steel. Im Gespräch mit unserer Redaktion äußert sich der erfahrene Arbeitnehmervertreter kritisch mit Blick auf die Pläne der Konzernchefin.
Herr Wetzel, das Land NRW unterstützt Thyssenkrupp mit der größten Einzelförderung, die es jemals in Nordrhein-Westfalen gegeben hat, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst betont. Bis zu 700 Millionen Euro aus der Kasse des Landes sollen fließen, um in Duisburg eine klimafreundliche Stahlproduktion aufzubauen. Steuergelder in Millionenhöhe sollen auch aus dem Bundeshaushalt fließen. Dennoch will Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz die Stahlsparte aus dem Konzern ausgliedern. Passt das aus Ihrer Sicht zusammen?
Wetzel: Aus meiner Sicht ist die Strategie zweifelhaft. Die Entscheidung der NRW-Landesregierung ist doch ein Beleg dafür, welch immense Bedeutung der Stahl für unsere Volkswirtschaft hat. Das sollte sich auch in
der Aufstellung von Thyssenkrupp widerspiegeln. Es wäre ein kaum aufzulösender Widerspruch, sollte eine Konzernleitung den Stahl loswerden wollen, während gleichzeitig Steuergelder in Millionenhöhe in das Geschäft fließen.
Thyssenkrupp-Chefin Merz argumentiert, eine eigenständige Aufstellung ermögliche dem Stahlgeschäft die besten Zukunftsperspektiven. Sehen Sie das anders?
Wetzel: Eine Abspaltung allein ist kein industrielles Konzept. Die Frage ist: Wozu dient eine eigenständige Aufstellung?
Geht es bei der Abspaltung der Stahlsparte womöglich darum, das Zusammengehen mit anderen Herstellern vorzubereiten?
Wetzel: Wir waren vor einigen Jahren schon einmal nah dran an einer Fusion. Da sollte der Partner Tata heißen. Es ist gut, dass dieser Deal nicht zustande gekommen ist. Schon damals war die finanzielle Ausstattung nicht so, wie sie hätte sein müssen, um dem Unternehmen eine Zukunft zu geben.
Gelegentlich wird auch jetzt über potenzielle Partner für Thyssenkrupp Steel spekuliert.
Wetzel: Ich kann derzeit nicht erkennen, dass Thyssenkrupp Steel durch ein Zusammengehen mit einem Stahlkonzern aus dem Ausland vorankommen könnte. Auch über eine mögliche „Deutsche Stahlfusion“ ist oft spekuliert worden. Getan hat sich nichts.
Bislang sind die Finanzströme der Essener Konzernmutter eng mit Thyssenkrupp Steel in Duisburg verflochten. Lässt sich diese Verbindung so einfach trennen?
Wetzel: Das ist eine gute Frage. Ein solcher Prozess wirft jedenfalls viele Fragen auf. Als Arbeitnehmervertreter haben wir immer gesagt: Thyssenkrupp Steel braucht eine solide finanzielle Ausstattung. Alles anders wäre auch den Steuerzahlern nicht zu vermitteln, deren Geld nun ins Unternehmen fließt. Sollte eine etwaige Abspaltung scheitern, hieße es plötzlich für den Staat: Mitgehangen, mitgefangen.
Konzernchefin Martina Merz will Thyssenkrupp als Firmengruppe, als „Group of Companies“, positionieren, in der die einzelnen Unternehmen – darunter die Dortmunder Wasserstoff-Firma Nucera oder die Werften für U-Boote im Norden Deutschlands – weitgehend unabhängig von der Essener Zentrale agieren. Ist das aus Ihrer Sicht schlüssig?
Wetzel: Ich möchte es so formulieren: Thyssenkrupp ist Deutschlands größter Stahlkonzern. Dafür steht dieses Unternehmen. Der Stahl ist von erheblicher Bedeutung für unser Land, wie auch die Anschubfinanzierung des Staates für den grünen Stahl zeigt. Daraus lässt sich etwas machen. Dafür wäre aber ein klares Bekenntnis des Konzernvorstands zum Stahl erforderlich.