Essen. Bei Galeria Karstadt Kaufhof wird der 13. März der Tag der Entscheidung. Tausende Arbeitsplätze dürften mit dem Einschnitt wegfallen.

Zumindest ein grober Fahrplan steht beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof: Für den kommenden Montag, 13. März, ist eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung des Unternehmens geplant. Ein heikler Tagesordnungspunkt lautet: „Informationen über die geplanten Schließungsfilialen“. Damit dürfte es nach wochenlangem Bangen für viele Beschäftigte Gewissheit dazu geben, ob sie noch eine Jobperspektive bei der traditionsreichen Essener Kaufhauskette haben.

Doch auch weitere Nachverhandlungen zum Aus oder zur Fortführung einzelner Standorte gelten als möglich. Damit könnte die Zitterpartie weitergehen. Dass ein solches Szenario wahrscheinlich ist, lehrt die Erfahrung aus dem zurückliegenden Insolvenzverfahren im Jahr 2020, in dem es teils monatelange Verhandlungen unter anderem mit den Eigentümern der Warenhausimmobilien gab.

Wie viele der Filialen der letzten großen deutschen Warenhauskette noch eine Zukunft haben, dazu macht das Unternehmen selbst bislang keine konkreten Angaben. „Es wird an dem Filialkonzept noch gearbeitet“, sagte ein Galeria-Sprecher am Mittwoch (8. März) auf Anfrage unserer Redaktion. „Die Standortlisten sind noch nicht final fertig.“

Das Amtsgericht Essen hatte schon vor Wochen ein erneutes Insolvenzverfahren für Galeria Karstadt Kaufhof eröffnet. Das Sagen im Konzern haben damit vor allem der Insolvenzjurist Arndt Geiwitz als Generalbevollmächtigter sowie der Düsseldorfer Rechtsanwalt Frank Kebekus, der als Sachwalter der Gläubiger fungiert.

Abbau Tausender Arbeitsplätze bei Galeria Karstadt Kaufhof befürchtet

Zur Frage, wie viele Filialen geschlossen werden, kursieren lediglich Spekulationen. Mehrere Dutzend der bundesweit rund 130 Filialen dürften dem Rotstift zum Opfer fallen, heißt es. Von 50 bis 60 Standorten ist die Rede. Klarheit gibt es dazu nicht.

Auch ein erneuter Abbau Tausender Stellen bei Galeria Karstadt Kaufhof gilt als wahrscheinlich. Schon beim zurückliegenden Insolvenzverfahren, das keine drei Jahre her ist, hatte es einen Kahlschlag bei den Beschäftigten gegeben. Bei der Gläubigerversammlung für Galeria Karstadt Kaufhof im September 2020 in Essen ging die Gewerkschaft Verdi davon aus, dass die Schließung von bundesweit fast 50 Kaufhäusern den Verlust von mehr als 5000 Arbeitsplätzen bedeuten würde. Unternehmenskenner gehen von einer ähnlichen Größenordnung im aktuellen Verfahren aus.

Von millionenschweren Staatskrediten wird wohl nur ein Bruchteil übrigbleiben

Für den 27. März 2023 ist die Gläubigerversammlung im laufenden Insolvenzverfahren geplant. Dann dürfte auch feststehen, wie viel Geld die Bundesrepublik Deutschland verliert. Im vom Amtsgericht Essen ernannten Gläubigerausschuss ist diesmal auch der deutsche Staat vertreten, und zwar als „Insolvenzgläubiger mit der höchsten Forderung“, so das Gericht. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes hatte Galeria nach der Insolvenz 2020 in den Folgejahren Kredite über insgesamt 680 Millionen Euro gewährt. Davon dürfte nur ein Bruchteil übrigbleiben.

Im Mai 2023 – so sehen es die Planungen des Managements vor – soll Galeria Karstadt Kaufhof entschuldet sein. Galeria-Eigner René Benko könnte dies dann als Erfolg verbuchen. Für den 17. Mai ist erneut eine Aufsichtsratssitzung geplant, dann unter den Zeichen des voraussichtlichen Neustarts mit deutlich weniger Filialen und voraussichtlichen harten Einschnitten in der Belegschaft.

Vorbereitungen für Start einer Transfergesellschaft

Was wird aus den Beschäftigten, deren Jobs auf der Strecke bleiben? Nach Angaben der NRW-Landesregierung laufen bei Galeria Karstadt Kaufhof auch Vorbereitungen zur Gründung einer Transfergesellschaft für Mitarbeitende, die von Filialschließungen betroffen sein dürften. „Die Agentur für Arbeit Essen ist mit Unternehmensvertretern im Gespräch zu Unterstützungsmöglichkeiten für die Beschäftigten“, erklärte Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vor wenigen Tagen auf Anfrage der SPD-Landtagsfraktion.

„Aktuell wird verhandelt, welche Standorte erhalten bleiben und welche Standorte geschlossen werden. Das Ausmaß des Personalabbaus wird nicht unwesentlich von den Ergebnissen dieser Verhandlungen abhängen“, teilte der Minister in einem Landtagsdokument mit, das das Datum 27. Februar trägt und am 3. März veröffentlicht wurde.

Schon beim Insolvenzverfahren der Essener Warenhauskette im Jahr 2020 war die Gründung einer Transfergesellschaft für von Arbeitslosigkeit bedrohte Mitarbeitende von Galeria Karstadt Kaufhof ein Thema. Die Beschäftigten sollten dadurch eine Perspektive von sechs Monaten erhalten. Die SPD-Landtagsabgeordneten Lisa-Kristin Kapteinat und Lena Teschlade erinnern in ihrer Anfrage daran, dass sich der Gesamtbetriebsrat und der Konzern im Jahr 2020 auf die Einrichtung einer Transfergesellschaft geeinigt hatten. Im Gespräch sei damals auch eine finanzielle Unterstützung durch einige Bundesländer gewesen, um die Laufzeit der Transfergesellschaft und damit den Zeitraum für die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle für die Beschäftigten zu verlängern. NRW habe sich damals gegen eine entsprechende landesseitige Beteiligung ausgesprochen.

„Verhandlungen über die Ausgestaltung des Interessensausgleichs und des Sozialplans können die Betriebsparteien erst finalisieren, wenn das Ausmaß des Personalabbaus geklärt ist“, so NRW-Arbeitsminister Laumann.

Zahl der Jobvermittlungen durch Transfergesellschaft überschaubar

Gemessen am Wegfall Tausender Stellen wirkt die Zahl der Beschäftigten, die nach Angaben der NRW-Landesregierung durch die Transfergesellschaft vermittelt worden sind, überschaubar. „Der Träger der damaligen Transfergesellschaft, Rundstedt Transfer GmbH, meldete dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Vermittlung von 117 Transferbeschäftigten aus Nordrhein-Westfalen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis während der Laufzeit der Transfergesellschaft.“

Das Unternehmen Rundstedt zeigte sich indes irritiert über die von der Landesregierung veröffentlichten Zahlen. „Laut unseren Projektdaten sind von 395 Mitarbeitenden, die in NRW in die Transfergesellschaft eingetreten sind, 166 in Arbeit herausgegangen und fünf in eine weiterführende Qualifizierung ausgeschieden“, erklärte das Unternehmen.

In der Jobtransfer-Branche wird der Fall genau beobachtet. „Große Transfergesellschaften wie im Fall Galeria Karstadt Kaufhof prägen das Bild unserer Branche. Daher verfolgen wir sehr aufmerksam, welche Ergebnisse am Ende eines Verfahrens stehen“, sagt Frank Müller, der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Träger im Beschäftigtentransfer (BVTB). Eine Transfergesellschaft könne „nur mit einer guten finanziellen Ausstattung arbeiten“, betont er. „Alles andere wäre Etikettenschwindel.“

Die NRW-Landesregierung befürwortet eigenen Angaben zufolge den Einsatz von Transfergesellschaften zur Unterstützung der Beschäftigten „bei unvermeidbarem Personalabbau“. Die im Zuge des letzten Insolvenzverfahrens gegründete Transfergesellschaft sei für die Beschäftigten aus NRW von der Landesregierung mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert worden. Auch beim aktuellen Insolvenzverfahren werde die Landesregierung bei Bedarf erneut prüfen, ob eine Förderung für die Beschäftigten aus NRW möglich sei.

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