Leverkusen. Der Bayer-Konzern hat seinen Gewinn 2022 vervierfacht. Warum der Ukraine-Krieg das Geschäft mit Glyphosat-Mitteln und Saatgut florieren lässt.

Werner Baumann verabschiedet sich mit satten Gewinnen als Bayer-Chef. Der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern vervierfachte im vergangenen Jahr seinen Nettogewinn auf 4,15 Milliarden Euro. Ironie zum Ende seiner siebenjährigen Ära an der Spitze des Dax-Riesen: Für den Gewinnsprung sorgten diesmal ausgerechnet die umstrittenen Monsanto-Pflanzenschutzmittel auf Glyphosat-Basis, die Bayer eine Klageflut in den USA beschert haben.

Die mit 66 Milliarden Dollar teuerste Übernahme der Unternehmensgeschichte hat Bayer bisher vor allem Ärger und viele Milliarden an Rechtskosten eingebrockt. Sie trübt auch die persönliche Bilanz Baumanns, der den Monsanto-Kauf seit seinem Amtsantritt 2016 mit aller Macht vorantrieb, den amerikanischen Weltmarktführer unbedingt haben wollte. Im Sommer wird er den Vorstandsvorsitz vorzeitig an den früheren Roche-Manager Bill Anderson übergeben.

Krieg hat Bayer mehr geholfen als geschadet

Baumann betont bei der Vorlage seiner letzten Jahresbilanz, 2022 sei „geprägt durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine“ gewesen. Was allerdings Bayer nicht schadete – ganz im Gegenteil: Der Umsatz stieg um 15 Prozent auf 50,7 Milliarden Euro, der operative Gewinn (Ebitda) um mehr als ein Fünftel auf 13,5 Milliarden Euro. Daran sollen auch die Aktionärinnen und Aktionäre kräftig mitverdienen – der Vorstand schlägt eine Erhöhung der Dividende um 20 Prozent auf 2,40 Euro je Aktie vor.

„Wir sind in den richtigen Feldern unterwegs“, zieht Baumann als Erkenntnis aus dem Krieg für seinen Konzern. Damit gemeint ist neben der Pharmasparte vor allem das Monsanto-Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Die Preise etwa für Glyphosat-Produkte sind weltweit stark gestiegen – auch in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine und der Blockade von Getreidetransporten aus dem angegriffenen Land. Bayer investiert in Saatgutanlagen in der Ukraine, verdient aber auch in Russland weiter Geld. Man sehe sich der russischen Bevölkerung gegenüber „ethisch verpflichtet“, sie weiter mit Gesundheits- und Ernährungsprodukten zu versorgen, heißt es dazu seit Kriegsbeginn.

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Die „Crop Science“ genannte Agrarchemie-Sparte legte beim Umsatz um 16 Prozent zu – auf 25,2 Milliarden Euro – getrieben vor allem durch die Herbizide wie das „Roundup“, das Tausende Krebspatientinnen und -patienten in den USA für ihre Krebserkrankung verantwortlich machen. Für außergerichtliche Vergleiche hat Bayer bisher 9,5 Milliarden Euro gezahlt, sagte Finanzchef Wolfgang Nickl am Dienstag. Weitere 6,5 Milliarden hat der Konzern dafür zurückgestellt. Von rund 154.000 Klagen gelten bisher 109.000 als erledigt. Den weltweiten Absatz hat die US-Klageflut nicht gebremst. Die Sparte machte stattdessen beim operativen Gewinn (Ebitda) einen Sprung um satte 46 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro.

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Auch die frei verkäuflichen Arzneimittel und Gesundheitsprodukte von Bayer liefen besser, ihre Sparte Consumer Health wuchs beim Umsatz um acht Prozent auf 6,1 Milliarden Euro. Dafür sorgten vor allem Präparate gegen Allergien und Erkältungen, auch Hautpflegemittel und Nahrungsergänzungsmittel verkauften sich gut. Der Betriebsgewinn dieser Sparte stieg um 15 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro.

Bayer-Aktie gibt trotz Gewinnsprung weiter nach

Werner Baumann sagte mehrfach, er übergebe seinem Nachfolger Bill Anderson ein strategisch gut aufgestelltes Unternehmen, „es ist mir eine Ehre, ihm einen optimalen Start zu ermöglichen“. Die jüngsten Zahlen aus dem Kriegsjahr 2022 kommen ihm zupass: „Wir haben unsere Mittelfristziele bis 2024 zwei Jahre früher erreicht“, betonte der scheidende Chef. Die Frage, ob er Monsanto noch einmal kaufen würde, beantwortete er ausweichend: Sein Wirken beschränke sich keineswegs auf Monsanto, es gebe wichtigere Themen. Für die Finanzmärkte war es allerdings sehr wohl das entscheidende Thema seiner Amtszeit: Nach dem Monsanto-Deal stürzte die Bayer-Aktie nachhaltig ab – seit 2018 um rund 46 Prozent. Daran änderte auch die gute Bilanz für 2022 nichts – am Dienstagmorgen gab das Papier erneut nach.

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So kommod wird die Lage für den neuen Vorstandsvorsitzenden freilich gar nicht sein, wenn dieser im Juni das Bayer-Ruder übernimmt. Denn der Ausblick kann mit dem Rückblick nicht mithalten: Weil etwa die Preise für Pflanzenschutzmittel und Saatgut wieder sinken und gleichzeitig die Kosten im Pharmabereich steigen, erwarten die Leverkusener für das laufende Jahr nur ein Umsatzwachstum von zwei bis drei Prozent. Weil die inflationsgetriebenen Kostensteigerungen nicht voll auf die Preise umgewälzt werden könnten, werde der operative Gewinn (Ebitda) sogar sinken – von 13,5 auf 12,5 bis 13 Milliarden Euro, wie das Unternehmen in seiner Prognose mitteilte.