Bochum. Trotz der Klimakrise und des Ukraine-Kriegs zeigt sich der scheidende Chef der Bochumer GLS Bank, Thomas Jorberg, optimistisch.

1977 hat Thomas Jorberg als erster Auszubildender bei der GLS Bank in Bochum angefangen. In wenigen Tagen hört er nach fast 30 Jahren im Vorstand auf. Während seiner Zeit auf den Chefsessel ist das Institut aus dem Ruhrgebiet zu Deutschlands führender Nachhaltigkeitsbank aufgestiegen. Die GLS Bank ist nach eigenen Angaben mit mehr als 900 Mitarbeitenden die größte und erste sozial-ökologische Bank Deutschlands. Zum Jahreswechsel übernimmt Aysel Osmanoglu (45) die Rolle der Vorstandssprecherin. Aysel Osmanoglu, die seit 2017 dem Vorstand der GLS Bank angehört, ist in Bulgarien geboren, von wo aus sie mit 12 Jahren in die Türkei emigrierte. Mit 18 wanderte sie nach Deutschland aus. Als Vorständin sehe sie ihre Aufgabe darin, neben dem ökologischen auch das soziale Profil der GLS Bank zu schärfen, sagte sie. Thomas Jorberg (65) bleibt als Verwaltungsratspräsident des Naturkosmetikherstellers Weleda und als Aufsichtsrat der Elektrizitätswerke Schönau im Schwarzwald im Geschäft. In unserem Interview spricht Jorberg unter anderem darüber, warum die GLS Bank aktiv die Klimaschutzbewegung Fridays For Future unterstützt, aber ein Engagement für die Aktivisten der „Letzten Generation“ ablehnt.

Herr Jorberg, 1977 haben Sie als erster Auszubildender bei der GLS Bank in Bochum angefangen. Ende des Jahres hören Sie nach fast 30 Jahren im Vorstand auf. Muss sich Ihre Nachfolgerin Aysel Osmanoglu darauf einstellen, dass Sie bei ihr regelmäßig mit guten Ratschlägen anrufen?

Jorberg: Keine Sorge, ich werde ihr nicht auf die Nerven gehen. Ratschläge braucht Aysel Osmanoglu auch nicht von mir. Es ist ein normaler Generationsübergang. Das Leitbild und die Wertorientierung der Bank bleiben.

Gehen Sie mit Wehmut?

Jorberg: Ja, natürlich ist auch Wehmut mit dabei. Es fällt mir nicht leicht, Abschied zu nehmen. Meine Arbeit habe ich mit Leidenschaft und Herzblut gemacht. Generell liegt mir Zupacken mehr als Loslassen.

Bei Ihrem Start als Vorstandssprecher 2003 war die GLS Bank ein kleines Haus mit nicht einmal 500 Millionen Euro Bilanzvolumen. Sie haben ein Geldhaus mit einem Jahresvolumen von rund zehn Milliarden Euro aufgebaut. Passt dieses rasante Wachstum zum Bild einer nachhaltigen, sozial-ökologischen Bank?

Jorberg: Wachstum und Gewinn waren nie das Ziel meines Handelns bei der Bank. Die Kennziffern sind für mich aber ein Gratmesser dafür, ob wir aus Sicht der Kundinnen und Kunden das Richtige tun. Wir sind von

Aysel Osmanoglu (45) übernimmt ab Januar die Rolle der Vorstandssprecherin der GLS Bank in Bochum. Osmanoglu, die seit 2017 dem Vorstand der Bank angehört, ist in Bulgarien geboren, von wo aus sie mit 12 Jahren in die Türkei emigrierte. Mit 18 wanderte sie nach Deutschland aus.
Aysel Osmanoglu (45) übernimmt ab Januar die Rolle der Vorstandssprecherin der GLS Bank in Bochum. Osmanoglu, die seit 2017 dem Vorstand der Bank angehört, ist in Bulgarien geboren, von wo aus sie mit 12 Jahren in die Türkei emigrierte. Mit 18 wanderte sie nach Deutschland aus. © FUNKE Foto Services | Jörg Krauthöfer

einer Sonntagsbank zu einer Werktagsbank geworden, also für viele Menschen nicht nur die Zweitbank, sondern die erste Adresse für ihre Bankgeschäfte. Mit dem Geld, das uns die Menschen anvertrauen, können wir zugleich die ökologisch-soziale Transformation voranbringen.

Mit der GLS Bank haben Sie offensiv für die Klimaschutzbewegung Fridays For Future engagiert. Können Sie sich vorstellen, auch die „Letzte Generation“ zu unterstützen, die unter anderem Straßen und Flughäfen blockieren?

Jorberg: Bei Fridays For Future ging es unter anderem darum, dass wir Schülerinnen und Schüler, die sich am Klimastreik beteiligt haben, Rückendeckung geben. Auf die „Letzte Generation“ blicke ich anders. Dass die Menschen durch das allgemeine Nicht-Handeln in Verzweiflungstaten getrieben werden, ist ein Spiegel, der uns vorgehalten wird. Die Verzweiflung ist nachvollziehbar. Tatkräftige Unterstützung der GLS Bank für die „Letzte Generation“ kann ich mir aber nicht vorstellen. Die Grenze zwischen zivilem Ungehorsam und Straftatbeständen ist mir hier zu sehr überschritten.

Verkürzt gesagt: Bei Fridays For Future demonstrieren Sie mit, aber an den Asphalt kleben werden Sie sich nicht?

Jorberg: So ist es.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in Deutschland zur Folge, dass die Energiepreise in die Höhe geschnellt sind. Macht die Bundesregierung mit Kanzler Scholz und dem grünen Wirtschaftsminister Habeck eine gute Figur in der Energiekrise?

Jorberg: Ich bin Segler und weiß: Am Ufer stehen immer die besten Kapitäne. Ich sehe mich nicht in der Rolle, die Arbeit der Bundesregierung zu benoten. Generell finde ich aber, dass unsere Gesellschaft viele Jahre auf Kosten des Klimas gelebt hat. Wir müssen nun einen Teil unseres Wohlstands aufbringen, um eine klimaneutrale Wirtschaft aufzubauen.

Ein Beispiel, bitte.

Jorberg: Dass ich zur Entlastung meiner Energiekosten vom Staat meine Dezember-Rechnung erstattet bekomme, ist rausgeschmissenes Geld. Die Bundesregierung kann nicht alles ausgleichen, was sich an Mehrkosten für die Allgemeinheit durch die Folgen des Ukraine-Kriegs ergibt. Wichtig ist, dass das Geld vor allem bei denjenigen ankommt, die aus sozialen Gründen Hilfe benötigen.

Ist es richtig, dass jetzt Kohlekraftwerke wieder hochgefahren werden, um den Energiebedarf zu decken?

Jorberg: Das tut natürlich weh, es gibt aber auch einen positiven Begleiteffekt, den der grausame Krieg bei uns im Land hat: In vielen Unternehmen fallen jetzt Entscheidungen, mehr in erneuerbare Energien zu investieren. Die – zugegebenermaßen viel zu hohen – Energiepreise haben eine unglaubliche Lenkungswirkung. Der Marktmechanismus ist wirksam.

Bei der GLS Bank sind Windkraftprojekte seit vielen Jahren ein wesentlicher Teil des Kreditgeschäfts. Generell geht der Ausbau der Windenergie in Deutschland aber nur langsam voran. Liegt das zum Teil auch an Naturschützern, für die Artenschutz wichtiger ist als Klimaschutz?

Jorberg: Es geht immer um eine Güterabwägung. Aber der Nistplatz eines einzelnen Rotmilans darf nicht den Ausbau der Windenergie stoppen. Der Klimawandel bringt die Gefahr mit sich, dass der Lebensraum des Rotliman zerstört wird. Dies zu verhindert hat Vorrang. Dazu müssen wir den Ausbau der Windenergie drastisch beschleunigen. Um das zu erreichen, müssen Genehmigungen für einen Windpark schneller abgewickelt werden. Aktuell dauert es bis zu fünf Jahre oder mehr.

Die GLS Bank lehnt die Finanzierung von Rüstungsprojekten seit jeher entschieden ab. Hat sich Ihr Bild von der Verteidigungsindustrie durch den russischen Angriffskrieg verändert?

Jorberg: Nein, nicht wirklich. Würde die gesamte globale Finanzbranche keine Rüstung finanzieren, würden wir auch keine Kriege führen.

Glauben Sie ernsthaft, der russische Präsident Putin lässt sich in der Ukraine mit Pazifismus stoppen?

Jorberg: Nein, aber ich glaube, generell müssen unsere Anstrengungen dahingehen, dass wir einen stabilen Weltfrieden schaffen und keine Waffenproduktion und weitere Aufrüstung brauchen. Dieses Ziel sollten wir nicht aus dem Blick verlieren.

Überwiegt der Pessimismus zum Ende Ihrer Vorstandstätigkeit?

Jorberg: Im Gegenteil. Über Jahrzehnte haben wir zigtausend Projekte finanziert, die zeigen: Klimaneutralität ist möglich, ökologischer Landbau und soziale Wohnungsprojekte sind finanzierbar. Ja, es gibt auch starke Beharrungskräfte. Oft hat das damit zu tun, dass sich mit alten Technologien viel Geld verdienen lässt. Aber schauen Sie sich das Ruhrgebiet an, speziell unsere Heimatstadt Bochum. Als Opel den Rückzug angekündigt hat, ist landauf und landab der Weltuntergang vorausgesagt worden. Aber der Weltuntergang ist nicht eingetreten. Heute können Sie von Glück sagen, wenn Sie noch eine Fläche auf dem ehemaligen Opel-Gelände bekommen.

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Was haben Sie sich persönlich vorgenommen mit Ihren 65 Jahren? Bleiben Sie als Verwaltungsratspräsident des Naturkosmetikherstellers Weleda und als Aufsichtsrat der Elektrizitätswerke Schönau im Schwarzwald im Geschäft?

Jorberg: Ja, die Aufgaben führe ich fort. Ich gebe zu: Ich mag die Floskel vom „verdienten Ruhestand“ nicht. Die passt nicht zu mir. Ich werde keine Langeweile haben, aber ein bisschen mehr Ruhe. Die halte ich aus.