Düsseldorf. Außerordentliche Hauptversammlung hat die Uniper-Übernahme durch den Staat beschlossen. Steuerzahler retten Krisenkonzern mit 33 Milliarden Euro.
Der deutsche Staat, in verantwortlicher Funktion der liberale Finanzminister Christian Lindner, besitzt bald eines der größten Energieunternehmer des Landes und übernimmt damit selbst ein Drittel der deutschen Gasversorgung. Mit großer Mehrheit stimmten die Aktionärinnen und Aktionäre erwartungsgemäß zu, dass der Bund künftig rund 99 Prozent der Anteile am Düsseldorfer Uniper-Konzern hält. Darum hatte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach auf der außerordentlichen Hauptversammlung eindringlich geworben.
„Seit der ordentlichen Hauptversammlung im Mai hat sich die finanzielle Lage unserer Gesellschaft aufgrund der Gasliefereinschränkungen durch Russland signifikant verschlechtert. Uniper stand kurz davor, Insolvenz anmelden zu müssen“, betonte Maubach auf dem virtuell durchgeführten Aktionärstreffen, an dem bis zu 900 Anteilseigner teilnahmen. Geleitet wurde es von Bernard Günther, dem Vizechef des Aufsichtsrats und früheren RWE- und Innogy-Finanzchef, der aktuell die Kasse der Uniper-Mutter Fortum hütet. An Krediten und frischem Eigenkapital soll der Steuerzahler Deutschlands größten Gashändler mit 33 Milliarden Euro retten, um sicher über diesen und den nächsten Winter zu kommen. Ohne dieses Geld sei „der Fortbestand Unipers gefährdet“, erklärte Maubach.
Insolvenz würde zu Totalverlust für Aktionäre führen
Aus vielen Fragen von Kleinaktionären zur Verstaatlichung sprach Verunsicherung, was das letztlich für Ihre Anteile bedeutet, ob sie Entschädigungen erhalten, ob Uniper mit dem Staat wieder auf die Beine kommt und wann der sich wieder zurückzieht. Fragen, die Maubach nur mit demonstrativem Optimismus, aber nicht konkret beantworten konnte. Auch entlockte die mehrfach gestellte Frage, warum sich Uniper derart abhängig von russischem Gas machen konnte, dem Vorstandschef keine Selbstkritik, sondern nur die statische Erklärung, der Anteil sei wegen geringerer Fördermengen in den Niederlanden und Deutschland eben im Laufe der Jahre gestiegen.
Um den im Zuge des russischen Krieges in der Ukraine und der zuerst gedrosselten und schließlich eingestellten Gas-Belieferung durch Gazprom in Existenznot geratenen Uniper-Konzern zu retten, kauft Deutschland dem finnischen Mehrheitsaktionär (78 Prozent) Fortum sämtliche Aktien ab. Anschließend soll durch die Ausgabe neuer Aktien, die allein der Bund zeichnen darf, das inzwischen negative Eigenkapital um 25 Milliarden Euro erhöht werden.
Diese Kapitalerhöhung verwässert die Anteile der verbleibenden Kleinaktionäre extrem, sie werden auf ein Zwanzigstel entwertet. Aber: „Eine eventuelle Insolvenz würde aus Sicht des Vorstands zum vollständigen Verlust für die Aktionäre führen“, betonte Maubach. Letztlich stimmten 99,5 Prozent der Aktionäre für den Deal mit dem Staat. Für den wurde am Montag der entsprechende Rahmenvertrag unterzeichnet. Darin ist auch geregelt, dass Lindners Finanzministerium „zukünftig für die Beteiligung des Bundes an Uniper verantwortlich sein“ werde.
Ex-Bilfinger-Chef Blades designierter Aufsichtsratschef
Vom Bund entsandte Experten nehmen zwei der vier von Fortum zu räumenden Plätze im Aufsichtsrat ein, entsendet werden die Wirtschaftsingenieurin Jutta Dönges und die Energierechtlerin Ines Zenke. Dönges war als Chefin der Finanzagentur bis Oktober für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zuständig, aus dem die Uniper-Rettung bezahlt wird. Designierter Chefkontrolleur ist der frühere Bilfinger-Chef Tom Blades.
Die Ampel-Koalition sieht Uniper als systemrelevant für das deutsche Energiesystem an, die Düsseldorfer beliefern mehr als die Hälfte der bundesweit 900 Stadtwerke sowie rund 500 Industrieunternehmen mit Gas. Damit spielt Uniper sowohl für die Privathaushalte als auch für die Wirtschaft eine entscheidende Rolle bei der Gasversorgung. Um weiter liefern zu können, muss das Unternehmen das ausbleibende russische Gas durch Zukäufe an den extrem teuren Tagesmärkten ersetzen. Dabei hat Uniper in den vergangenen Monaten täglich hohe Millionensummen verbrannt, Maubach zufolge in der Spitze „mehr als 200 Millionen Euro“ – an nur einem Tag. Seit dem Sommer spitzte sich die Lage für Uniper immer weiter zu. hAllein in den ersten neun Monaten schrieb Uniper 40 Milliarden Euro Verlust.
33 Milliarden Euro Staatshilfe für Uniper
Für den Vertragsbruch von Gazprom, der zu den immensen Verlusten führt, will Uniper den russischen Konzern juristisch belangen, verlangt in einem internationalen Schiedsverfahren 11,6 Milliarden Euro an Schadenersatz für das nicht gelieferte Gas. Auf die Frage eines Aktionärs, wie realistisch es sei, auf diesem Wege Geld von Gazprom zu erhalten, beantwortete Maubach allerdings sehr zurückhaltend: Das sei „schwer einzuschätzen“.
Konzernchef Maubach erklärte, die staatliche Finanzspritze von 33 Milliarden Euro sei mit „einer klaren Verantwortung verbunden: Der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das Investment der Steuerzahler in Uniper zu einer Sicherung der deutschen und europäischen Energieversorgung beiträgt.“ Uniper wolle „alle Kredite zurückzahlen und so wenig wie möglich vom geplanten genehmigten Kapital in Höhe von 25 Milliarden Euro in Anspruch nehmen.“ Bis Ende 2024 laufen allerdings noch alte, verlustträchtige Lieferverträge zu Preisen, die Uniper aktuell nicht reichen, um die Einkaufskosten zu decken.
Zur Vereinbarung zwischen Uniper, dem deutschen Staat und dem mehrheitlich dem finnischen Staat gehörenden Fortum-Konzern gehört auch, dass der Bund die Einlagen der Finnen zurückzahlt. Fortum hatte Uniper zu Jahresbeginn mit rund acht Milliarden Euro gestützt. Außerdem übernimmt die staatliche KfW-Bank übergangsweise die täglichen Verluste aus der Gasersatzbeschaffung. Beides soll aus dem zu erhöhenden Grundkapital finanziert werden.
Muss Uniper Kohlekraftwerk verkaufen?
Die EU-Kommission hat den Staatseinstieg bei Uniper bereits genehmigt, nicht bekannt ist bisher, ob und welche Auflagen sie dafür erlassen hat. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Düsseldorfer einzelne Teile, etwa Kraftwerke, verkaufen müssen. Dabei wurden etwa Gas- und Kohlekraftwerke in den Niederlanden genannt. Das Kohlekraftwerk Maasvlakte gilt als besonders attraktiv und könnte bei einem Verkauf mit bis zu einer Milliarde Euro bewertet werden, zitierte das Handelsblatt unlängst einen Insider.