Essen. Textildiscounter Primark hat in Deutschland massiv Umsatz verloren. Zwei Fililalen werden geschlossen, die übrigen 30 kommen auf den Prüfstand.
Lange Zeit prägten die markanten Papiertüten mit den blauen Lettern des irischen Textildiscounters Primark die Innenstädte von Gelsenkirchen, Essen, Dortmund oder Düsseldorf. Doch mit der Corona-Pandemie ist die Kette in eine Krise geraten. Nun will Primark zwei Filialen schließen und die bundesweit verbleibenden 30 auf den Prüfstand stellen.
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Wintermäntel für 32 Euro und froschgrüne High Heels für zehn Euro, dazwischen Pullover mit Weihnachtsmotiven und reichlich Dekoartikel zum Fest. Der Laden in bester Lage der Essener Innenstadt ist gut besucht. In den Büroräumen darüber, wo die Deutschland-Zentrale von Primark sitzt, gibt man sich traditionell eher verschlossen, wenn es um die Preisgabe von wirtschaftlichen Zahlen und Strategien geht. Das hat sich auch unter der neuen Geschäftsführerin Christiane Wiggers Voellm nicht geändert. Die ehemalige Managerin des Wettbewerbers H&M ist seit 2020 im Amt.
„Deutschland bleibt für Primark ein wichtiger Markt“
„Deutschland bleibt für Primark ein wichtiger Markt mit viel Potenzial“, sagt Sprecherin Julia Ley auf Anfrage unserer Redaktion und tritt damit Spekulationen entgegen, Primark wolle sich womöglich ganz aus dem deutschen Markt verabschieden. Die Kette gehört zum britischen Mischkonzern Associated British Foods, der sich insgesamt trotz Corona prächtig entwickelt hat. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/2022 kletterte der Umsatz dank Preiserhöhungen um 22 Prozent auf knapp 17 Milliarden Pfund (rund 19,54 Milliarden Euro). Der bereinigte operative Gewinn legte um knapp 42 Prozent auf 1,4 Milliarden Pfund zu.
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Anders in Deutschland: Erwirtschafteten die hiesigen Primark-Häuser 2018/2019 noch 926 Millionen Euro Umsatz, waren es im Geschäftsjahr 2020/2021, das am 31. August endete, nur noch 380 Millionen. Aktuellere Zahlen hat das Unternehmen noch nicht bekannt gegeben. Laut „Lagebericht“, den Primark im November im Bundesanzeiger veröffentlichte, hatte der Umsatz im Vorjahr noch 578,6 Millionen Euro betragen. Immerhin kamen die 32 Filialen 2020/21 auf einen kleinen Jahresüberschuss von 6,2 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum war er allerdings etwas mehr als doppelt so hoch. Auch die Zahl der Mitarbeitenden in Deutschland schrumpfte um 588 auf 5719.
Primark will wieder „langfristig profitabel“ sein
Als Reaktion auf den Abwärtstrend in Deutschland kündigt Primark im Finanzbericht an, die Mietverträge in den Filialen Weiterstadt und Berlin Schloss-Straßen-Center 2023 auslaufen zu lassen. Aber auch die anderen 30 Kaufhäuser können sich offenbar nicht sicher sein. „Wir planen, unsere Verkaufsflächen in Deutschland zu optimieren sowie unser deutsches Store-Netzwerk zu überprüfen“, kündigt Primark-Sprecherin Leye an. „Es ist Primarks Ziel, das Deutschlandgeschäft wieder langfristig profitabel zu machen. Darauf wollen wir uns in den kommenden Monaten fokussieren, um die Chancen, die der deutsche Markt Primark bietet, bestmöglich zu nutzen.“
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Ob es Filialschließungen in großem Stil geben wird, ist offen. Primark ist jedenfalls nicht der erste ausländische Einzelhändler, der sich auf dem hart umkämpften deutschen Markt schwer tut. Der US-Supermarktriese Walmart, die Outlet-Anbieter Saks Off 5th und die britische Kaufhauskette Marks & Spencer haben sich vor Jahren nach einem kurzen Gastspiel wieder ganz aus der Bundesrepublik verabschiedet. Aber auch der Teenie-Hype um Abercrombie & Fitch oder Hollister ist längst abgeebbt. Namhafte Ketten wie C&A, H&M und Esprit waren zuletzt ebenfalls in Turbulenzen geraten.
Ohne Onlineshop in der Corona-Pandemie
Für Orhan Akman, der für die Gewerkschaft Verdi viele Jahre lang Tarifverhandlungen im Einzelhandel geführt hat und im kommenden Jahr für den Bundesvorstand kandidieren will, gibt es vor allem einen Grund, warum Billigketten in Probleme geraten. „Textildiscounter wie Primark, H&M oder Esprit haben es versäumt, frühzeitig in die Digitalisierung und die Verzahnung von stationärem Geschäft mit Onlinehandel zu investieren. Stattdessen haben sie zu lange nur auf Flächenwachstum gesetzt“, sagt er. Dabei habe ihre Kernklientel, die junge Kundschaft, „ein Faible für den Onlinehandel und Social Media-Sale“.
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In der Tat: Primark hat bislang bewusst darauf verzichtet, in den Onlinehandel einzusteigen. Eine Entscheidung, die dem Unternehmen während der Corona-Pandemie, als Läden zum Teil über Monate hinweg schließen mussten, auf die Füße fiel. „Primark glaubt an den stationären Handel. Unsere Gewinnmarge erlaubt keinen Onlineshop, weil wir uns auch um Retouren kümmern müssten. Das ist mit einem hohen Aufwand verbunden“, sagte der damalige Deutschlandchef Wolfgang Krogmann in einem Interview, das unsere Redaktion 2016 mit ihm geführt hatte.
Primark-Filiale in Gelsenkirchen bereits verkleinert
Seither hat sich an der Strategie wenig verändert. In Großbritannien ist Primark gerade dabei, ein Click& Collect-Modell zu testen. Das Prinzip, im Netz zu bestellen und die Ware in der Filiale abzuholen, hat viele Einzelhändler über die schwere Corona-Krise gebracht. Der Zeitschrift „Textilwirtschaft“ sagte die heutige Primark-Deutschlandchefin Wiggers Voellm im vergangenen Jahr, dass man hierzulande „überdurchschnittlich große Filialen mit zum Teil über 8000 Quadratmetern Verkaufsfläche“ habe. Deshalb habe man die Häuser in Gelsenkirchen und Braunschweig verkleinert. Auch in Essen laufe dieser Prozess.