Primark weist Vorwürfe zurück, zu wenig für die Einhaltung von Mindestlohn zu tun. Wie die Kette Textilfabriken kontrolliert, sagt Paul Lister.
Mehr nachhaltige Baumwolle und Kontrollen der Textilfabriken in aller Welt verspricht Paul Lister, Nachhaltigkeitschef bei der irischen Modekette Primark. Mit dem 55-jährigen Juristen sprach Frank Meßing.
Mister Lister, Hunderttausende Schüler und junge Menschen der Fridays –Future-Bewegung gehen für den Klimaschutz auf die Straße. Schrumpft jetzt Ihre Kundschaft in den Primark-Läden?
Nein. Wir sind dabei, immer mehr nachhaltige Produkte in unser Sortiment aufzunehmen. 2013 haben wir unser Programm für nachhaltige Baumwolle gestartet und 2017 die ersten Produkte ins Sortiment aufgenommen. Inzwischen bieten wir auch Jacken aus geschredderten PET-Flaschen an. Jeder Kunde soll die Möglichkeit haben, zwischen konventionellen und nachhaltigen Textilien auszuwählen.
Ist das auch eine Frage des Preises?
Der Preis ist gleich. Darin sehen wir den Schlüssel zum Erfolg. Unser Ziel ist es, ab dem Jahr 2022 fünfmal so viel nachhaltige Baumwolle für unsere Produkte zu nutzen. Dazu bieten wir Trainings für 160.000 Farmer an, die nachhaltige Baumwolle anbauen werden. Wir verzichten weitgehend auf Werbung und haben eine sehr effiziente Logistik. Aus Kostengründen gibt es bei Primark auch keinen Onlineshop. Wir setzen auf Läden in guten Lagen der Innenstädte und Einkaufszentren. Und schauen Sie sich um: Die Verwaltung unserer Deutschland-Zentrale hier in Essen ist klein.
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Wie passen die sehr niedrigen Preise bei Primark mit ihren immer wieder betonten Ansprüchen in Umweltfragen und bei den Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken zusammen?
Mein Nachhaltigkeits-Team hat inzwischen mehr als 110 Mitarbeiter. Vor rund 15 Jahren haben wir mit einer Handvoll Leuten begonnen. Wir kümmern uns ausschließlich um Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in Fertigungsstätten in Hauptbeschaffungsländern wie China, Indien, Vietnam, Bangladesch und der Türkei. Und das Team wächst ständig. Primark hat ein vitales Interesse an Nachhaltigkeit. Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir transparent sind.
Kritik reißt aber nicht ab, wie eine Umfrage aus dem Sommer ergab. Darin gab zum Beispiel fast die Hälfte der Näherinnen in Sri Lanka an, noch nicht einmal den Mindestlohn zu erhalten.
Primark besitzt keine eigenen Fabriken, sondern arbeitet mit 1700 Fabriken und 700 Lieferanten zusammen. 98 Prozent sind auch für anderen Händler tätig. Wir überprüfen die Arbeitsbedingungen in den Fabriken mindestens einmal pro Jahr. Es ist eine lange und stetige Reise der Verbesserungen, bei der es keine Ziellinie gibt. Es fühlt sich zwar manchmal an, als ob wir zwei Schritte nach vorn und einen zurück machen würden. Aber unter dem Strich sehen wir Erfolge.
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Wie überprüfen Sie, ob Lieferanten den von Primark formulierten Verhaltenskodex tatsächlich einhalten?
Wir gehen direkt in die Fabriken hinein und schauen uns dort um. Das ist ganz wichtig. Wir wollen verstehen, was vor Ort vor sich geht. Es ist ja in jedem Land anders. Primark bietet Näherinnen Kurse an, in denen sie lernen, wie sie ihre Rechte durchsetzen können. Mein Eindruck ist, dass die Betreiber der Fabriken inzwischen selbst einsehen, dass es sich für sie auszahlt, die Arbeitsbedingungen von sich aus zu verbessern. Nach der Katastrophe von Bangladesch hat sich viel bewegt. Die Fabriken sind heller, moderner und vor allem sicherer geworden.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Ihre Kunden?
Wir bekommen viele Anfragen zu diesen Themen auf unserer Homepage und über die sozialen Netzwerke. Wir versuchen, ihre Fragen zu beantworten.
Verbraucherschützer und Menschrechtsorganisationen kritisieren, dass Billiganbieter immer stärker auf „schnelle Mode“ (fast fashion) setzen, um Kunden häufiger in die Läden zu locken. Ist die hohe Drehgeschwindigkeit im Sortiment wirklich nachhaltig?
Der größte Teil unseres Sortiments sind Essentials wie Jeans, Strümpfe und T-Shirts. Sie unterliegen nicht so stark den Trends. Die modischen Artikel wechseln natürlich von Saison zu Saison. Unser Anspruch ist es auch dabei, die beste Qualität zu besten Preisen anzubieten.
Es gab Berichte, dass Verkäufer in den Filialen heruntergefallene Ware aus Kosten- und Zeitgründen sofort wegwerfen und sie nicht zurücklegen.
Das ist falsch. Wir werfen nie etwas weg. Richtig ist, dass wir unverkaufte Ware nicht ins Lager zurückschicken. Auch damit senken wir die Kosten. Stattdessen reduzieren wir die Preise für saisonabhängige Mode. Unverkaufte Ware aus unseren europäischen Stores spenden wir an die wohltätige Organisation New Life.
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Altkleider-Anbieter monieren, dass die Qualität der Textilien generell immer schlechter wird. Stimmen Sie zu?
Unsere Textilien können immer und immer wieder genutzt werden, so dass Kunden Sie auch häufig an Second Hand Läden spenden. Am Ende können sie auch recycelt oder wiederverwendet werden, etwa geschreddert in Spielzeug oder in der Autoindustrie.
Haben Sie Pläne für neue Filialen in NRW?
Wir haben gerade in Bonn und Wuppertal neue Läden eröffnet. Natürlich haben wir Pläne, die verrate ich Ihnen aber nicht (lacht).