Essen. In Deutschland sind CO2-Speicher bislang verpönt. Doch im Ausland treiben Konzerne wie Eon, RWE, Thyssenkrupp und MAN ES große Projekte voran.

Ruhrgebietskonzerne wie Eon, RWE, Thyssenkrupp und der Anlagenbauer MAN Energy Solutions mit seinem Standort Oberhausen setzen im Ausland zunehmend auf Speicher für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2). Anlagen, mit denen CO2 aufgefangen und gelagert werden soll, sind in Deutschland heftig umstritten. In den USA, den Niederlanden und in Norwegen soll das CCS-Verfahren – kurz für „Carbon Capture and Storage“ – künftig auch mit Hilfe der Unternehmen aus dem Ruhrgebiet zum Einsatz kommen.

„CCS ist in Deutschland verpönt, spielt aber in vielen anderen Ländern zu Recht eine wichtige Rolle“, sagt Uwe Lauber, der Vorstandschef des VW-Tochterkonzerns MAN Energy Solutions (MAN ES). „Der Markt brummt, weil die Chancen riesig sind, den CO2-Ausstoß in energieintensiven Branchen wie der Zement-, Kalk- oder Stahlindustrie zu vermeiden. Gerade unser Werk in Oberhausen könnte profitieren.“ Am Standort Oberhausen, wo MAN Energy Solutions rund 1700 Mitarbeitende beschäftigt, werden unter anderem Turbo-Maschinen gebaut, die CCS-Projekten dienen könnten.

Auch Leonhard Birnbaum, der Chef von Deutschlands größtem Energiekonzern Eon, ist ein Verfechter der CCS-Technik. „CCS erweitert die Optionen im Kampf gegen den Klimawandel“, hebt Birnbaum hervor. Um entsprechende Projekte voranzubringen, ist Eon Anfang des Jahres beim norwegischen Unternehmen Horisont Energi eingestiegen. Das Ziel sei, beim Thema CCS „eine Führungsrolle übernehmen“, so Birnbaum.

Speicherung von CO2 in der Nordsee

Ein Vorhaben von Eon ist die Speicherung von CO2 in der Nordsee – und zwar im großen Stil. Es gehe um mehr als eine Million Tonnen CO2 pro Jahr ab 2030, berichtet Eon. Das Kohlendioxid soll von europäischen Eon-Kunden kommen und nach Norwegen gebracht werden. Horisont Energi werde für den CO2-Transport auf dem Seeweg und die langfristige Speicherung verantwortlich sein. Eine Lizenz für den Betrieb des CO2-Speicherfelds namens Errai will das Unternehmen eigenen Angaben zufolge Anfang nächsten Jahres beantragen. Auf diesem Weg will der Eon-Konzern seinen Kunden „die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zugänglich machen“, wie Vorstandsmitglied Patrick Lammers sagt.

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace sehen die CCS-Technologie seit Jahren kritisch. Die Endlagerung von CO2 unter der Erde bedeute „für zukünftige Generationen ökologische und wirtschaftliche Altlasten“, so Greenpeace. Das Umweltbundesamt erklärt, im Falle von Leckagen könne es „zu schädlichen Wirkungen auf das Grundwasser und den Boden kommen“. Problematisch sei auch „der enorme zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“ von Kohlendioxid.

„US-Regierung von Joe Biden sieht CCS als Schlüsseltechnologie“

Konzernchef Lauber argumentiert hingegen, Deutschland brauche CCS, denn nicht alle Emissionen ließen sich technisch vermeiden. „Unvermeidbare Rest-Emissionen“ sollten gespeichert oder für chemische Prozesse wiederverwertet werden, sagt er. „CO2 kann verflüssigt und beispielsweise mit Tankern dorthin in der Welt gebracht werden, wo es gebraucht wird, etwa um synthetische Gase zu produzieren. Wir haben die Technologie dafür.“ Im Ausland werde dies erkannt, sagt der Manager. „Die US-Regierung von Joe Biden etwa sieht CCS als Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz.“

So ist die Dortmunder Thyssenkrupp-Tochter Uhde in den USA am Bau einer Ammoniak-Anlage des Pflanzenschutzmittel-Konzerns Nutrien beteiligt. In Louisiana will Nutrien bis zu 3500 Tonnen Ammoniak täglich herstellen und einen Großteil der CO2-Emissionen über die CCS-Technologie auffangen und speichern. Die Emissionen würden „auf ein Minimum reduziert“, wird bei Thyssenkrupp betont. So entstehe „nachhaltiges, sauberes Ammoniak“, so Uhde-Chef Cord Landsmann.

RWE erwägt CCS-Projekte in Eemshaven an der deutschen Grenze

Auch der Essener Energiekonzern RWE lotet die Chancen für ein CCS-Projekt aus – und zwar im niederländischen Eemshaven an der Grenze zu Deutschland. In der Nähe des Ortes, der auch für seine Fährverbindungen zur deutschen Nordseeinsel Borkum bekannt ist, will RWE einen Dreh- und Angelpunkt für die Wasserstoff-Wirtschaft entwickeln. Dafür hat der Revierkonzern dem Energieversorger Vattenfall ein Gaskraftwerk namens Magnum abgekauft, das sich in unmittelbarer Nähe eines bereits bestehenden RWE-Standorts befindet.

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Die Nähe zur niederländischen Nordsee und den umliegenden ehemaligen Erdgasfeldern ermögliche es auch, den Standort Eemshaven künftig für Technologien zur Abspaltung und Speicherung von CO2 zu nutzen, wird bei RWE betont. Der Standort könnte hierdurch nicht nur CO2-neutral, sondern sogar „CO2-negativ“ werden. Um dieses Projekt „technisch, politisch und wirtschaftlich umsetzen“ zu können, brauche es allerdings auch die Unterstützung der niederländischen Regierung.

Die Frage, ob es nicht besser sei, CO2 zu vermeiden anstatt es aufzufangen, beantwortet Uwe Lauber mit einer großen Portion Pragmatismus. „Wir werden beides tun müssen“, sagt er.