Hagen. Wer ein neues Auto braucht, hat derzeit ein Problem. Neuwagen sind kaum zu bekommen, Gebrauchte extrem teuer. So geht ein Händler in Hagen vor.

Sein Gebrauchtwagenhandel liegt an einer der Hauptverkehrsadern Hagens, auf einem ehemaligen Bahnareal. Tausende Fahrzeuge passieren das Gelände, jeden Tag. Auch an diesem Septembervormittag hört und sieht man die Blechlawine, die sich ihren Weg zwischen dem Baumarkt auf der gegenüberliegenden Seite und Akin Karagöls Gebrauchtwagenhandel bahnt.

Trotz des Lärms findet der junge Autohändler die Lage ideal. Viel los, viel Bewegung, sehen und gesehen werden, an einer Ampel in Höhe seines Geschäfts müssen jeden Tag tausende Menschen (oder: potenzielle Kunden) halten – mit Blick auf seine Verkaufsfläche. An der Stelle hat er seine Filetstücke ausgestellt. Das agile Treiben drumherum lässt den Kontrast allerdings nur größer erscheinen, denn bei Karagöl ist an diesem Vormittag wenig los. „Der ganze Markt“, sagt er, „ist leer gefegt.“

Vor allem junge Gebrauchtwagen sind „extrem teuer“

Schon seit Monaten ist das so, eigentlich muss man schreiben: schon seit Jahren. Erst Corona, dann der Ukrainekrieg. Kabelbäume, Halbleiter, Chips und viele andere Bauteile sind knapp, der Nachschub klemmt, Neuwagen sind dadurch nur mit langen Lieferzeiten zu bekommen, die Rede ist von einer Wartezeit von einem Jahr – und mehr. Teilweise, erklärt der ADAC, würden durch die Engpässe bei Zulieferern günstigere Einstiegsmodelle gestrichen oder deren Produktion zumindest zeitweise ausgesetzt. All das wirkt sich auch auf den Gebrauchtwagenmarktaus.

Weil Kunden keine Neuwagen bekommen, müssen sie auf gebrauchte Autos ausweichen. Das hat zu einer Vergrößerung der Nachfrage und einer Verknappung des Angebots geführt. „Die zweite Ware kommt nicht mehr bei uns an“, berichtet Karagöl. Und: Der Engpass hat natürlich die Preise steigen lassen, und zwar deutlich.

„Vor allem junge Gebrauchte sind insgesamt extrem teuer. Vereinzelt werden sofort verfügbare Gebrauchtwagen mit geringem Alter und Laufleistung sogar über Listenpreis (des Neuwagens) gehandelt“, teilt der ADAC mit. Ein Händler aus der Region berichtet, dass sogar Leasingfahrzeuge gekündigt werden, um Zugriff auf neue Gebrauchte für den Markt zu bekommen.

Akin Karagöl von Autoland Hagen vor einem seiner derzeit etwa 40 Wagen, die der Gebrauchtwagenhändler zum Verkauf anbietet.
Akin Karagöl von Autoland Hagen vor einem seiner derzeit etwa 40 Wagen, die der Gebrauchtwagenhändler zum Verkauf anbietet. © Jan Reinold | Jan Reinold

Schon 2021 lagen die Gebrauchtwagenpreise zehn Prozent über denen des Vorjahres, der Durchschnittspreis betrug 22.841 Euro. Seit Ende 2021 hat sich diese Entwicklung laut ADAC noch einmal beschleunigt. Für einen Gebrauchtwagen zahlten Käufer damals durchschnittlich fast 20 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Für das laufende Jahr liegen dem ADAC die detaillierten Daten noch nicht vor, sowohl Angebot als auch Preisniveau hätten sich zuletzt nicht stark geändert. Der Automobil-Club bezeichnet die Preise als „nach wie vor extrem hoch“. Eine Einschätzung, die auch Karagöl teilt.

Gebrauchtwagenhändler Karagöl „versucht, was zu zaubern“

Der gebürtige Hagener, mit seiner Firma Autoland Hagen seit 2019 am Markt, erzählt von einem Mercedes GLC, Baujahr 2016, 61.000 km Laufleistung, den er kürzlich für 29.000 Euro gekauft habe. Vor drei Jahren sei das gleiche Auto mit ähnlichen Parametern noch für 2500 Euro weniger verfügbar gewesen. Bei manchen Modellen betrage der Preissprung sogar 3000 bis 4000 Euro, dabei „sollte der Preis für Gebrauchtwagen eigentlich sinken, weil immer neue Modelle auf den Markt kommen“, sagt Karagöl. Seit Monaten aber kommt: wenig bis gar nichts.

Er sucht Nachschub inzwischen weniger bei den Autohäusern der Hersteller, weil da auch wenig zu holen ist. Stattdessen durchforstet er noch mehr als ohnehin das Internet, sucht, kauft und verkauft, weltweit, auch bei Auktionshäusern und Privatanbietern, wie er sagt. Außerdem arbeite er verstärkt mit Bestellungen. Die Situation seines Ein-Mann-Betriebs – nur An- und Verkauf, keine Reparatur (er kooperiert mit Werkstätten) – bezeichnet er als „stabil“, aber das Geschäft sei schwieriger geworden, zumal es aufgrund der ungewissen Großwetterlage keine Planungssicherheit gebe.

Auf seinem Hof in der Nähe der Volme und der Bahnstrecke biete er auf 3000 m² normalerweise 60 bis 70 Wagen an. Jetzt hat Karagöl, der von seinem Vater Tuncer (63, Rentner) unterstützt wird, 40 Autos da. Klein-, Mittel- und Oberklassenfahrzeuge, darunter ein Porsche Macan S für 49.490 Euro oder ein sehenswerter Klassiker: ein Mercedes SE 280 von 1982 (Preis: 13.999 Euro). „Ich versuche, in allen Ecken und Kombinationen Fahrzeuge zu bekommen. Ich versuche, was zu zaubern“, sagt der freundliche 34-Jährige, „aber ich weiß nicht, wie lange es so weitergeht.“

Die Finanzierungsquote beim Autokauf steigt

Trotz all der Widrigkeiten und der allgemeinen Marktlage biete er seinen Kunden stabile Preise, mache seinen Schnitt mehr über Masse. „Ich lebe von einer kleinen Marge“, sagt er. Viel verkaufen, um trotz weniger Gewinn pro Deal am Ende doch ausreichend zu verdienen, das soll sein Ansatz sein. Trotzdem gibt es wohl immer wieder Diskussionen über die Preise. Auf der Straße würden alle denken, die Händler machten sich die Taschen voll. „Schön wär’s“, sagt Karagöl, der erzählt, dass verstärkt Kunden zu ihm kämen, die ihren Gebrauchten zu einem hohen Preis an ihn verkaufen und dann für wenig Geld einen bescheideneren Wagen erwerben wollten. „Teuer weg, günstig her“ – so beschreibt er das.

Zudem sei die Finanzierungsquote deutlich gestiegen. Offenbar greifen mehr und mehr Kunden beim Autokauf auf diese Möglichkeit zurück. Er arbeitet mit einer spanischen Großbank zusammen. „Sogar ein Auto für 2000 Euro wird finanziert“, berichtet Karagöl, „das ist wie ein Handyvertrag.“

Es ist wohl auch Ausdruck der finanziellen Sorgen einer zunehmenden Zahl von Bürgern. Leichter macht es das für Karagöl nicht.