Essen/Duisburg. Für den geplanten Umbau des Stahlstandorts Duisburg sind millionenschwere Investitionen erforderlich. Dazu tagt der Thyssenkrupp-Aufsichtsrat.
Der Aufsichtsrat des Essener Traditionskonzerns Thyssenkrupp befasst sich voraussichtlich am Donnerstag (8. September) mit millionenschweren Investitionsplänen zum Aufbau einer Produktion von klimafreundlichem Stahl am Standort Duisburg. Bei einer Sitzung des Gremiums steht das Thema dem Vernehmen nach auf der Tagesordnung – und grünes Licht ist wahrscheinlich.
Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz hatte sich bereits vor einigen Tagen im Videointerview mit unserer Redaktion optimistisch mit Blick auf eine mögliche Investitionsentscheidung gezeigt. „Wir sind uns, denke ich, mit unseren Gremien weitgehend einig, dass wir diese Investition jetzt demnächst starten und dann auch den Umbau über die Jahre machen“, sagte Merz. „Also, wir haben eine Lösung für den Stahlstandort Duisburg.“
Thyssenkrupp strebt an, Stahl in Zukunft weitgehend ohne klimaschädliche Hochöfen zu produzieren. Dafür ist der Bau neuer Anlagen erforderlich, die den Standort Duisburg für Jahrzehnte prägen könnten. Bis spätestens 2026 soll früheren Unternehmensangaben zufolge die erste sogenannte Direktreduktionsanlage stehen, bei der Wasserstoff statt Kohle zum Einsatz kommen soll. Im Jahr 2030 soll eine weitere der rund 150 Meter hohen Anlagen hinzukommen. So will Deutschlands größter Stahlkonzern den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) um 30 Prozent reduzieren.
Nach einer ersten Investitionsphase bis zum Jahr 2030 plant Thyssenkrupp Steel bis 2045 einen weiteren Umbau, der nach Angaben von Stahlchef Bernhard Osburg früheren Berechnungen zufolge Investitionen in Höhe von rund sieben Milliarden Euro erfordert.
Derzeit rund 2,5 Prozent des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes
Die Stahlindustrie gehört derzeit zu den größten Verursachern von klimaschädlichem Kohlendioxid. Allein aus den Hochöfen von Thyssenkrupp stammen Unternehmensangaben zufolge rund 2,5 Prozent des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes. Deutschlands Branchenprimus Thyssenkrupp Steel stellt jährlich etwa elf Millionen Tonnen Rohstahl her. Ab 2030 will Thyssenkrupp pro Jahr rund drei Millionen Tonnen CO2-neutralen Stahl produzieren.
Die aktuelle Energiekrise wirft im Zusammenhang mit den Umbauplänen Fragen auf. Denn bei der geplanten Transformation von Thyssenkrupp Steel spielt Erdgas eine wichtige Rolle. In Zukunft soll der
Stahl zwar mit Wasserstoff statt Kohle hergestellt werden, zunächst einmal will Thyssenkrupp aber Erdgas anstelle von Wasserstoff einsetzen. In einer Diskussionsrunde mit RWE-Chef Markus Krebber sprach Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz vor gut einem Jahr von einem „langen Umstellungszeitraum“. „Vor den 30er-Jahren ist niemals davon auszugehen, dass wir genügend Wasserstoff haben werden“, sagte sie. „Da ist Gas angesagt – meine ich jetzt auch politisch.“ Es würden „dicke, große Pipelines“ benötigt.
„Natürlich brauchen wir langfristig eine bessere Situation bei den Energiepreisen“
Bei einem Besuch der neuen Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, am Standort Duisburg betonte Markus Grolms, der Personalvorstand von Thyssenkrupp Steel, die Dringlichkeit des Umbaus. „Wenn wir nicht transformieren, wenn wir nicht starten mit der Transformation, ist das das Ende des Unternehmens“, sagte Grolms. Daher sei es auch wichtig, jetzt loszulegen – trotz der aktuellen Energiekrise. „Natürlich brauchen wir langfristig eine bessere Situation bei den Energiepreisen“, erklärte Grolms. „Aber kurzfristig gibt es nur eine vernünftige Entscheidung: Wir müssen einsteigen in die Transformation der Stahlindustrie.“
Erwartet wird auch, dass sich der Staat mit hohen Fördersummen beteiligen wird. Grolms verteidigte dies damit, dass es auch um den Fortbestand von Arbeitsplätzen gehe: „Für den Steuerzahler ist auch relevant, ob er Arbeitslosigkeit bezahlt oder Beschäftigung.“ Die Stahlindustrie stehe am Anfang vieler Wertschöpfungsketten in Deutschland, hob Grolms hervor. „Auch eine Energiewende in Deutschland wird es ohne unsere Produkte nicht geben.“ Die industrielle Transformation sei eine Herausforderung, die Deutschland insgesamt betreffe. „Wir müssen beweisen, dass das geht. Und wir müssen beweisen, dass das geht, ohne dass die Menschen ihre Arbeit verlieren“, so der Stahlmanager. „Das ist die Aufgabe. Und wenn beides nicht gelänge, haben wir Probleme, die weit über Duisburg hinausreichen.“