Essen. Auch gesunde Unternehmen sollen Geld aus der Gasumlage bekommen. Das ist politisch umstritten. Investoren loben, dass RWE verzichten will.

Dass auch gesunde Unternehmen Geld aus der Gasumlage bekommen sollen, ist politisch umstritten. „Die Gasumlage ist nicht nur sozialer Sprengstoff, sie ist auch handwerklich schlecht gemacht“, kritisiert der Bochumer CDU-Sozialpolitiker und Europa-Parlamentarier Dennis Radtke. Er spricht von „Umverteilung zu Lasten der Verbraucher“ und fordert: „Wenn Versorger gestützt werden müssen, sollte dies über Steuergelder erfolgen.“ Auch eine Mehrwertsteuer-Reduktion auf Gas werde „die Unwucht nicht ausgleichen“. Auch eine Änderung der Gasumlage wird bereits diskutiert. „Um Mitnahmeeffekte und Übergewinne zu vermeiden, müssen wir als Gesetzgeber im Zweifelsfall auch bereit sein, die Kriterien für die Inanspruchnahme nachzuschärfen“, sagte Dieter Janecek, der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt.

Ab Anfang Oktober soll die Umlage Energieimporteuren zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Durch einen rapiden Rückgang der russischen Lieferungen ist der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper in eine Schieflage geraten. Über eine Gasumlage soll nun viel Geld in die Branche der Energiehändler gepumpt werden. Deutschlands Haushalte müssen daher nach Berechnungen des Preisvergleichsportals Check24 mit deutlich höheren Kosten rechnen. Check24 verweist darauf, dass Trading Hub Europe (THE) über die Gasbeschaffungsumlage hinaus weitere Umlagen veröffentlicht habe. Preisdämpfend soll die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent wirken.

Check24 erwartet deutlich höhere Kosten für Verbraucher

Ab Oktober müsse eine Familie mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) durch die Gasbeschaffungsumlage von 2,419 Cent je Kilowattstunde 484 Euro zahlen, durch eine sogenannte Regelenergieumlage von 0,57 Cent je kWh 114 Euro sowie durch eine Gasspeicherumlage von 0,059 Cent je kWh noch zwölf Euro zusätzlich, rechnet Check24 vor. Beim aktuellen Gaspreis müsse der Musterhaushalt derzeit inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer im Schnitt 3717 Euro jährlich zahlen. Ab Oktober seien es trotz Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent aufgrund der neuen Umlagen 3994 Euro – ein Plus von 277 Euro.

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Zwölf Unternehmen haben im Zusammenhang mit der milliardenschweren Gasumlage „Ansprüche geltend gemacht“, wie die Plattform Trading Hub Europe (THE) erklärte, ein Zusammenschluss der Ferngas-Netzbetreiber. Der angeschlagene Energiekonzern Uniper befindet sich auf der Liste, aber auch Unternehmen wie der Gashändler VNG, der zum gesunden baden-württembergischen Versorger EnBW gehört. Der Essener Energiekonzern RWE wird ebenfalls genannt. Das Unternehmen bekräftigt aber, kein Geld aus dem Finanztopf der Gasumlage haben zu wollen. Von einer „reinen Vorsichtsmaßnahme“ ist bei RWE die Rede – falls „die Dinge sich ändern“.

Uniper und bisherige Gazprom Germania sollen am meisten Geld bekommen

Wie viel Geld aus der staatlichen Umlage an die jeweiligen Firmen fließen soll, ist bislang nicht veröffentlicht worden. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet ohne Angaben von Quellen, ein Großteil der Umlage entfalle auf zwei Unternehmen: Uniper und die bisherige Gazprom Germania. Uniper hatte in der vergangenen Woche erklärt, mehr als 50 Prozent der Umlage zu erhalten, allerdings ohne eine genaue Summe zu nennen. Dem Vernehmen nach sollen es etwa zwei Drittel sein, so die Deutsche Presse-Agentur. Weitere etwa 25 Prozent gehen demnach an Sefe (vormals Gazprom Germania) sowie deren Hauptvertragspartner Wingas und VNG. Die verbleibenden rund acht Prozent der Umlagekosten entfallen den Angaben zufolge auf die übrigen acht Unternehmen. Von diesen acht Unternehmen hat RWE öffentlich erklärt, auf die Umlage verzichten zu wollen. Entsprechend äußerte sich RWE-Chef Markus Krebber.

Rückendeckung für sein Vorgehen bekommt Krebber auch von Aktionärsvertretern. „Wir unterstützen die Entscheidung von Herrn Krebber“, sagte Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) im Gespräch mit unserer Redaktion. Dies sei „ein verantwortungsvoller Beitrag in der aktuell für alle angespannten Zeit, der auch auf die Diskussion rund um die Übergewinnsteuer wirken sollte“.

Union Investment nennt Verzicht von RWE auf Geld aus Gasumlage „sehr plausibel“

Ähnlich sieht es Thomas Deser von der Fondsgesellschaft Union Investment. „RWE leidet durch geschicktes Management im Gegensatz zum Beispiel zu Uniper keine existenzielle finanzielle Not und ist somit nicht auf den Rechtsanspruch aus der Gasbeschaffungsumlage angewiesen“, so Deser. Denn der Essener Versorger habe das noch zu Jahresbeginn erhebliche finanzielle Risiko aus den russischen Gasbezugsverträgen zwischenzeitlich durch Ersatzbeschaffungen eliminiert.

„Hat das RWE-Management durch den Verzicht einen Schaden für seine Aktionäre verursacht? Der fragliche, nicht quantifizierte Betrag ist unseres Erachtens vor dem Hintergrund der deutlich erhöhten Gesamtjahres-Ergebnisprognose und des hochpolitischen Charakters des RWE-Geschäftsmodells zu werten“, erklärte Deser gegenüber unserer Redaktion. „Eine Abwägung von Reputationsrisiken bei Inanspruchnahme der Gasbeschaffungsumlage einerseits und dem Nutzen einer weiter konstruktiven Zusammenarbeit von RWE mit Politik und Abnehmern andererseits macht die Entscheidung von RWE, auf die Gasbeschaffungsumlage zu verzichten, sehr plausibel.“