Duisburg/Emmerich. Rhein-Niedrigwasser führt zu Andrang in Häfen wie Duisburg und Emmerich. Sie sind verstärkt Umschlagpunkt für Ladung von oder auf Lkw und Bahn.
Das Niedrigwasser im Rhein schränkt die Binnenschifffahrt derzeit massiv ein und treibt Binnenhäfen an ihre Belastungsgrenze. Bestimmte seetaugliche Binnenschiffe etwa können den Hafen Duisburg seit mehreren Tagen nicht mehr erreichen. Andere Frachtschiffe fahren mit stark reduzierter Last, wegen extrem niedriger Pegel.
„Die Schiffe können derzeit nur mit etwa 20 Prozent beladen werden“, sagt Michael Mies, Managing Director des Container-Terminal-Betreibers Contargo Rhein-Waal-Lippe in Emmerich. „Der Wasserstand des Rheins ist historisch niedrig und das viel zu früh für die Jahreszeit.“
Niedrigwasser: „Kritische Lage“ auch am Niederrhein
Der Schiffsverkehr läuft zwar noch weitgehend am Niederrhein, doch die Lage sei „kritisch“, sagt Mies. Der Schiffsweg von Basel Richtung Niederlande ist so gut wie unterbrochen. Denn im Rheintal bei Kaub kommen seit Tagen nur noch wenige Schiffe durch. Fracht von dort mit Ziel etwa zu den Seehäfen Antwerpen oder Rotterdam muss zum Teil auf Lkw oder Bahn umgeladen werden. Auf dem umgekehrten Weg ebenso. Das hebt die Bedeutung von Häfen wie Duisburg oder Emmerich zusätzlich, sagt Mies: „Teilweise werden Container vom Mittel- und Oberrhein über die eigenen Terminals am Niederrhein abgewickelt.
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Auch der Hafen in Duisburg werde derzeit als „Ersatzhub“ für Terminals vom Mittel- und Oberrhein per Bahn- und Lkw-Anbindung genutzt, sagt Duisport-Sprecher Andreas Bartel: „Schiffe fahren also von diesen Standorten nur noch bis Duisburg und schlagen hier ihre Ladung um.“
Häfen Duisburg und Emmerich mit Schiffs-Andrang
Die Lage führe zudem dazu, dass „mehr Binnenschiffe benötigt werden, um eine Ladung vollständig von A nach B zu transportieren. Dadurch beobachten wir ein erhöhtes Aufkommen von Schiffen im Hafen“, sagt Bartel. Beziffern könne man das aber leider nicht konkret. Auch nicht, wie viele Lastwagen und Züge nun im Einsatz sind. „Wir haben es mit einer dynamischen Situation zu tun“, sagt Bartel.
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Unterdessen zählt man mehr Verkehr auf den Kanälen, sagt eine Sprecherin des zuständigen Kanal-Schifffahrtsamtes in Duisburg. Auf dem Wesel-Datteln-Kanal etwa, dem laut Behörde zweitwichtigsten Schifffahrtskanal in Deutschland, würden je Tag durchschnittlich 100 Binnenschiffe verkehren; 20 Prozent mehr als üblich. In der Nacht zu Mittwoch kam es in Dorsten zu einem Schiffsunfall. Ein Kohlefrachter prallte gegen die Brücke der Bundesstraße 224. Zeitweise war der Verkehr auf dem Kanal unterbrochen.
„Hafen-Personal ist seit Monaten an der Belastungsgrenze“
Ein möglicher Stillstand des Binnenschiffsverkehrs am Unterrhein ist aus Sicht des Wasser- und Schifffahrtsamtes vor allem abhängig von der Bewertung der Reedereien und Schiffsbetreiber: Solange es sich wirtschaftlich rechne, fahre man, sofern es der Pegelstand ermögliche, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Behördlich eingestellt werde der Schiffsverkehr nur bei Hochwasser, erklärt der Sprecher.
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„Bislang ist es für die meisten Unternehmen und Binnenschiffer aus wirtschaftlicher Sicht immer noch sinnvoll, den Duisburger Hafen anzulaufen“, ist bei Duisport zu hören. Doch der Stress ist gewachsen, sagt Jürgen Albersmann, Geschäftsführer des Logistikers Contargo: „Die global gestörten Lieferketten führen schon seit längerer Zeit zu erheblichen Verzögerungen auch in Deutschland und in ganz Europa.“ Corona, der Krieg in der Ukraine und jetzt das Niedrigwasser auf einer der wichtigsten Wasserstraßen Europas: „Unser Personal in den Häfen ist aufgrund der Situation seit Monaten an der Belastungsgrenze“, erklärt Albersmann.
Gestiegene Transportkosten und Konkurrenz bei Ladung
Die Situation in den Häfen Antwerpen und Rotterdam ist seit Monaten sehr angespannt, sagt Albersmann. „Schiffsverspätungen, Leercontainermangel, aber auch die coronabedingten Störungen in den weltweiten Lieferketten stellen die Unternehmen vor immense Herausforderungen“, beschreibt Albersmann die Situation. An den genannten Seehäfen verzögere sich die Schiffsabfertigung um bis zu 56 Stunden, sagt Albersmann: „Das führt zu einem Dominoeffekt mit Auswirkungen auf die Hinterlandverkehre.“
Und teurer ist der Transport auch noch. Binnenschiffern auf dem Rhein steht als Ausgleich bei Ladungsausfall etwa durch Niedrigwasser ein sogenannter Kleinwasserzuschlag zu. Hinzu kommt: „Im Schienenverkehr werden unsere Fahrpläne durch Baustellen gestört und zusätzliche Kapazitäten sind nicht mehr vorhanden. Auch auf Lkw können wir nicht unbegrenzt zugreifen, weil es an Fahrern fehlt“, beklagt Albersmann. Auch Schiffsraum fehle oder werde knapp, sagt er: „Das liegt daran, dass derzeit für Kohletransporte und Getreidetransporte auf der Donau deutlich höhere Preise gezahlt werden. Hinzu kommt, dass Schiffspersonal knapp ist und die Inflation die Preise in die Höhe treibt.“
Unterdessen deuten sich am Niederrhein steigende Pegel an. In Ruhrort werden gar bis Montag 20 Zentimeter mehr vorhergesagt. Wegen kräftiger Regenfälle im Süden. Doch große Entlastung wird davon nicht erwartet. Im Hitzesommer 2018 war der bisherige Pegel-Tiefststand des Rheins, der jüngst in Emmerich und Duisburg unterschritten wurde, erst Ende Oktober erreicht worden.