Duisburg/Essen. In Duisburg-Ruhrort hat sich der Rhein-Pegel dem historischen Tiefstand genähert. Der Hafen Duisburg spürt die Folgen des Niedrigwassers.
Am Montagmorgen ist in Duisburg-Ruhrort der niedrigste bekannte Wasserstand beinahe erreicht. Nur noch drei Zentimeter fehlen zum historischen Pegelstand vom 23. Oktober 2018. Statt 153 sind es diesmal 156 Zentimeter. Mit der Dürre der vergangenen Tage ist der Rhein ausgetrocknet. „Es ist ungewöhnlich, dass wir jetzt schon so niedrige Wasserstände haben“, sagt Roberto Spranzi von der Duisburger Transportgenossenschaft DTG, zu der rund 100 Schiffe gehören. „Die Situation ist sehr angespannt.“
Am Duisburger Hafen werden die Folgen des Niedrigwassers sichtbar: Die Binnenschiffe, die Duisburg erreichen, können nicht mehr voll beladen werden, berichtet Andreas Bartel, der Sprecher der Hafengesellschaft Duisport. Das Zulade-Volumen betrage derzeit nur noch etwa 30 Prozent. „Um dennoch möglichst das gesamte Transportvolumen zu bewältigen, sind aktuell mehr Binnenschiffe im Einsatz“, sagt er. „Gleichzeitig sind aber auch diese nur noch begrenzt verfügbar, da ein hoher Bedarf für den Transport von Kohle und Getreide besteht.“
Duisport: Schifffahrt zum Teil bereits eingestellt
Ab Köln, Neuss und Düsseldorf hätten viele Firmen die Schifffahrt bereits eingestellt, da dort noch weniger zugeladen werden könne und dies „nicht mehr wirtschaftlich darstellbar“ sei, so Bartel. Kurzum: Mit dem Rhein-Niedrigwasser seien weitere Belastungen für die ohnehin angespannten Lieferketten verbunden – und höhere Kosten für Betriebe und Verbraucher.
Mit dem Rhein ist Deutschlands wichtigste Wasserstraße für den Gütertransport in einer Krise. „Das ist eine sehr schwierige Situation, in der sich der Industriestandort befindet“, sagt Ocke Hamann, Logistikexperte und Geschäftsführer der Niederrheinische Industrie- und Handelskammer (IHK) mit Sitz in Duisburg. „Die Situation ist sehr viel ernster als 2018“, urteilt Hamann. Schließlich hätten die Unternehmen ohnehin schon unter gestörten Lieferketten sowie den Folgen des Ukraine-Krieges und der Corona-Pandemie zu leiden.
„Arbeitsplätze in unserer Region hängen vom Rhein ab“
Für viele Industriebetriebe ist der Rhein traditionell ein Wettbewerbsvorteil. Chemiekonzerne wie Bayer und BASF, Stahlkocher wie Thyssenkrupp sowie Kraftwerksbetreiber wie die Steag haben sich am Fluss angesiedelt, um sich über den Wasserweg im großen Stil mit Rohstoffen versorgen zu können. „Das ist ein Standortthema“, sagt Hamann. „Die Arbeitsplätze in unserer Region hängen vom Rhein ab.“ Mit Blick auf das Hochwasser im vergangenen Jahr und die aktuelle Trockenphase stellt der IHK-Experte allerdings auch fest, dass die Wetterextreme zunehmen. Der Rhein ist somit auch ein Unsicherheitsfaktor.
Auf dem gesamten Rhein seien die Schiffe derzeit mit weniger als der Hälfte der üblichen Ladungsmengen unterwegs, am Mittelrhein nur noch mit zirka einem Drittel, berichtet die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), eine Bundesbehörde. Dabei sei die Wassertiefe momentan noch um rund zehn Zentimeter höher als der Tiefststand von 2018. Roberto Spranzi von der Binnenschifffahrt-Genossenschaft DTG berichtet auch von Schiffen, die nur noch ein Viertel oder ein Fünftel der üblichen Ladung transportieren könnten. „Die Kapazitäten sinken und die Preise steigen massiv“, sagt IHK-Geschäftsführer Hamann. Oft sei ein Umstieg auf Lkw oder die Bahn kaum möglich. Hamann regt an, zunehmend neue Schiffstypen einzusetzen, die auch für Niedrigwasser gewappnet seien. Hier gebe es „ein Stückweit ein Marktversagen“ bei den Binnenschiffern. Womöglich könne der Staat beim Umstieg unterstützen, regt Hamann an.
Thyssenkrupp Steel, Evonik und Steag beobachten die Lage aufmerksam
Auch bei Thyssenkrupp Steel wird die aktuelle Lage sehr aufmerksam beobachtet. Eine entscheidende Bedeutung hat die Verbindung zum Hafen von Rotterdam. Dort kommen die Rohstoffe aus Übersee für den Stahlstandort Duisburg an. Noch gelinge es, das Material in ausreichendem Maße ins Ruhrgebiet zu verschiffen. Der Rohstoffbedarf sei „derzeit weiterhin gesichert“, heißt es.
Der Chemiekonzern Evonik berichtet, es seien zusätzlich angemietete Schiffe und Lkw im Einsatz. „Signifikante Einschränkungen“ für die Logistikketten durch das Rhein-Niedrigwasser gebe es derzeit nicht, die Produktion laufe.
Die aktuelle Bevorratung der Steag-Kraftwerke im Ruhrgebiet sei „noch einigermaßen gut“, erklärt Konzernsprecher Markus Hennes. Die Belieferung mit Steinkohle gelinge auch trotz eingeschränkter Transportkapazitäten auf dem Rhein. Die Lage am Niederrhein und dem für die Steag relevanten Pegel Duisburg-Ruhrort sei „weniger dramatisch als weiter flussaufwärts am Mittelrhein“. Allerdings könnten Binnenschiffe mit dem Ziel Ruhrgebiet nur höchstens zur Hälfte beladen werden. Mit dem Niedrigwasser stiegen also die Transportkosten.
Etwas Hoffnung gibt es: Die 14-Tage-Vorhersagen deuteten ab Mitte der Woche auf einen leichten Anstieg der Wasserstände hin, berichtet die Bundesbehörde GDWS. Bis zum Montagmittag ist der Rhein-Pegel in Duisburg-Ruhrort um einen Zentimeter gestiegen.