Essen. Weil Russland seine Gas-Lieferungen drosselt, ruft Uniper die Bundesregierung um Hilfe. Der größte deutscher Gazprom-Kunde muss teuer zukaufen.

Deutschlands größter Gazprom-Kunde ruft den Staat um Hilfe: Der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper spricht mit der Bundesregierung über Stabilisierungsmaßnahmen, wie das Unternehmen am Mittwochabend in einer Börsen-Pflichtmeldung mitteilte und das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstagmorgen bestätigte. Der MDax-Konzern leidet besonders unter der Drosselung der russischen Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nordstream 1.

Seit Mitte Juni erhält Uniper nach eigenen Angaben nur noch 40 Prozent der vom russischen Staatskonzern Gazprom zugesagten Gasmenge. Das fehlende Gas muss die frühere Eon-Tochter zu deutlich höheren Preisen woanders zukaufen, ohne die Kostensteigerungen bisher an seine Kunden weitergeben zu können. Daraus entstünden „signifikante finanzielle Belastungen“, erklärte Uniper in einer Ad-hoc-Mitteilung. Aus diesem Grund nahm das Unternehmen auch seine Gewinnprognose für das laufende Jahr zurück, ohne eine neue zu wagen.

Niedrige Preise garantiert, jetzt fehlt das Gas

In den vergangenen Wochen stiegen die Gaspreise an den Terminbörsen um rund zwei Drittel an, auch infolge der russischen Lieferdrosselung durch die Ostsee. Uniper als mit Abstand größter Gazprom-Kunde in Deutschland muss aber den Großteil seiner Kunden, darunter Stadtwerke, nach wie vor zu den alten, niedrigen Preisen beliefern, die oft für mehrere Jahre garantiert wurden. Um dieses Risiko abzusichern, besorgten sich die Düsseldorfer bereits zu Jahresbeginn neue Kredite von insgesamt zwölf Milliarden Euro, acht davon kamen vom finnischen Mutterkonzern Fortum, zwei bereits damals von der staatlichen KfW-Bank.

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Doch auch diese riesige Summe reicht nun nicht mehr aus, Uniper droht in finanzielle Schieflage zu geraten. Man prüfe, „wie die Liquidität der Gesellschaft weiter gesichert werden kann“, teilte Uniper seinen Aktionärinnen und Aktionären mit. Als Staatshilfen kämen Garantie- und Sicherheitsleistungen infrage, aber auch eine Erhöhung der bisherigen KfW-Kreditlinie, die bis April 2023 läuft.

Uniper will die Kosten weiterreichen

Worauf die Düsseldorfer hoffen, ist die im Notfallplan Gas vorgesehene Erlaubnis an die Versorger, steigende Preise sofort und unabhängig von den alten Verträgen nach nur einer Woche an die Kunden weitergeben zu dürfen. Das würde bedeuten, Uniper gibt sie an die örtlichen Versorger weiter und diese dann an ihre Endkunden die Verbraucherinnen und Verbraucher.

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat diese noch nicht aktiviert, könnte es aber jederzeit tun, seitdem er die Alarmstufe und damit die zweite von drei Eskalationsstufen ausgerufen hat. „Uniper geht davon aus, dass im Falle der Feststellung und Bekanntgabe der Gasmangellage durch die Bundesnetzagentur die derzeitigen Belastungen teilweise weitergegeben werden können“, heißt es in der Ad-hoc-Mitteilung.

Russlands Krieg in der Ukraine zwingt den Düsseldorfer Versorger dazu, sich in der Gasbeschaffung völlig neu zu orientieren. So baut Uniper in Wilhelmshaven derzeit das erste deutsche LNG-Terminal zur Anlandung von Flüssiggas. Dass ausgerechnet der größte Bezieher von russischem Pipelinegas bald Flüssiggas, möglicherweise auch aus den USA verkauft, galt vor dem Krieg als undenkbar, weil als Affront gegen Gazprom.