Essen. Tengelmann-Chef Christian Haub will im September seinen Bruder Georg aus der Firma ausschließen. Warum die beiden Eigentümer so zerstritten sind.
Wenn der Handelskonzern Tengelmann (Obi, Kik, Babymarkt.de) in der kommenden Woche seine Jahresbilanz vorlegen wird, dürfte das Interesse weniger den Umsatzzahlen gelten als dem immer schärfer werdenden Familienstreit. Unternehmenschef Christian Haub gibt sich entschlossen, seinen Bruder Georg aus der Firma zu werfen. Der Showdown ist bereits für den 23. September terminiert. Danach hätte erstmals in der 155-jährigen Geschichte des in Mülheim gegründeten Konzerns ein einziges Familienmitglied das Sagen im Tengelmann-Imperium mit seinen 70.000 Beschäftigten.
Nach den Turbulenzen um seinen am 7. April 2018 verschollenen und im vergangenen Jahr gerichtlich für tot erklärten Bruder Karl-Erivan wollte Christian Haub eigentlich durchatmen. Die Witwe Katrin mit ihren Zwillingen Viktoria und Erivan hatte der Konzernchef üppig ausbezahlt. Die Rede ist von 1,75 Milliarden Euro. Ausgestattet mit einer Zweidrittel-Mehrheit hatte sich Christian Haub zum Ziel gesetzt, das Unternehmen mit zuletzt 8,3 Milliarden Euro Umsatz umzubauen und auch neue Geschäftsfelder zu erschließen.
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Nach einem langen Spaziergang mit seinem dritten Bruder Georg im vergangenen Sommer sah es nach Familienfrieden aus. Doch der seinerzeit von der Tengelmann-Pressestelle verkündete „unternehmerische Schulterschluss der Gebrüder Haub“ hielt nur einige Monate. Der Bruderzwist flammte neu auf, und wie es so oft geht es ums Geld.
Streit bei Tengelmann: Es geht um Milliarden Euro
Formaler Auslöser ist eine Klage Georg Haubs gegen das Modell, mit dem Christian Haub den Erwerb der Firmenanteile seines für tot erklärten Bruders Karl-Erivan finanzieren wollte. Aus den Rücklagen der Tengelmann-Gruppe entnahm man 1,2 Milliarden Euro. Seinen Anteil von 800 Millionen Euro steckte Christian Haub in die Abfindung für seine Schwägerin, seine Nichte und seinen Neffen. Der Rest wäre Georg Haub zugeflossen, hätte er nicht gegen das Entnahmeverfahren im Februar beim Landgericht München Klage eingereicht.
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Für Christian Haub ist seither das Tischtuch endgültig durchtrennt. „Es gibt kein Zurück mehr“, sagte der Tengelmann-Chef im Frühjahr in einem Interview. Er sei „menschlich sehr enttäuscht“. Im Hintergrund liefen aber dennoch Verhandlungen zwischen beiden verkrachten Seiten. Um Druck vom Kessel zu nehmen, wurde der für den 20. Juli angedrohte Rauswurf von Georg Haub noch einmal verschoben. Doch alle Einigungsversuche sind offenbar gescheitert.
Rauswurf am 23. September geplant
„Wir werden für den 23. September eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einberufen, um Georg Haub aus dem Unternehmen auszuschließen“, sagte Mark Binz unserer Redaktion. Der renommierte Rechtsanwalt und Experte für Familienunternehmen hatte bereits mit seinem Counterpart Peter Gauweiler den Kompromiss mit Katrin Haub und ihren Kindern ausgehandelt. „Wir werfen Georg Haub permanent schädliches Verhalten zu Lasten der Tengelmann-Gruppe vor. Er nimmt seit Jahren seine Interessen rücksichtslos wahr und hat seitens seines Bruders Christian, der ihm immer wieder eine Chance gegeben hat, jedwedes Vertrauen verspielt. Eine weitere Zusammenarbeit mit ihm ist unzumutbar“, so Binz.
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Es ist nicht das erste Mal, dass Georg Haub in Ungnade fällt. Der heute 60-Jährige galt seit jeher als Außenseiter in der Familie. Während seine beiden Brüder studierten und später in die Tengelmann-Geschäftsführung eintraten, absolvierte der gesundheitlich angeschlagene und öffentlichkeitsscheue Georg Haub eine Schreinerlehre. Sein Interesse galt weniger dem Handel als den Geschäften mit Immobilien. Seine Beziehungen unter anderem nach Russland sorgten in der Familie vor Jahren für Unbehagen, sodass Karl-Erivan Haub einen Detektiv auf seinen Bruder ansetzen ließ.
Vater Erivan Haub zahlte Sohn Georg „Bleibeprämie“
Im Sommer 2011 konnte Georg Haub nur mit viel Geld und einer Ermahnung des Vaters Erivan Haub davon angebracht werden, aus der Tengelmann-Gruppe auszusteigen. „Ich bin dieses unnötige Theater leid und ich kann auch Dir nur den guten Rat geben, vernünftig zu sein und zur Familie und zur Firma zu stehen, von der wir alle leben und unseren Wohlstand beziehen“, appellierte der Patriarch an seinen Sohn in einem handgeschriebenen Brief vom 13. Juli 2011, aus dem das „Manager Magazin“ zitierte. Dem guten Rat legte der kranke Vater, der schließlich am 6. März 2018 starb, noch eine „Bleibeprämie“ in Höhe von 50 Millionen Euro bei. Georg Haub musste seinerzeit allerdings im Gegenzug auf einige Firmenanteile verzichten.
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Der mit privatem Geld des Vaters erkaufte Burgfrieden bei den Haubs sollte bis Mai 2020 halten, als Georg Haub abermals bei Tengelmann aussteigen wollte und dafür eine Summe von 1,1 Milliarden Euro forderte. Kurze Zeit später soll er Interesse an der Tengelmann-Immobiliensparte Trei geäußert haben, die Immobilien in Milliardenwerten verwaltet und baut.
Christian Haub mit Zweidrittel-Mehrheit bei Tengelmann
Für Irritationen in der Familie sorgte aber auch Georg Haubs Privatleben. Im November 2021 hatte er via „Bild-Zeitung“ seine Liebe zu seiner Masseurin bekannt gegeben und sich mit der Frau vor seinem Privatjet fotografieren lassen. Nun aber muss der Mann, dessen Vermögen auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt wird, um regelmäßige Einnahmen aus dem weit verzweigten Tengelmann-Reich bangen.
Sein Bruder Christian Haub, der bereits über eine Zweidrittel-Mehrheit verfügt, kann den Minderheitsgesellschafter bei der Sondersitzung am 23. September ausschließen – mit sofortiger Wirkung. „Bei einem Ausschluss aus der Gesellschaft hätte Georg Haub Anspruch auf 70 Prozent seines Beteiligungswertes, also auf rund 500 Millionen Euro, auszahlbar in sieben Jahresraten“, sagt Anwalt Binz.
Damit habe sich der 60-Jährige „selbst in eine Sackgasse manövriert, weil er jetzt weder seine Abfindung noch den auf ihn entfallenden Anteil an der Auflösung der Rücklagen in Höhe von 375 Millionen Euro verlangen kann“, meint der Jurist. Selbst sein Recht auf eine jährliche Mindestentnahme in Höhe von sieben Millionen Euro könne Georg Haub nicht mehr geltend machen, da er nach der Ausschließung nicht mehr Tengelmann-Gesellschafter sei. Ihm bleibt dann nur noch der Klageweg bis hin zum Bundesgerichtshof.